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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 15/2024 vom 03.01.2024
Verschuldung Öffentlicher Gesamthaushalt 3. Quartal 2023
Auch im 3. Quartal 2023 ist die Verschuldung des Staates weiter angestiegen und beläuft sich nun auf 2,45 Billion Euro. Die kommunale Verschuldung wuchs prozentual mit +7,6 Prozent auf nunmehr 151,5 Mrd. Euro im Vergleich zu Bund und Länder am stärksten an. Der rasante Aufwuchs ist dabei nur zum Teil auf den statistischen Sondereffekt der Einbeziehung der ÖPNV-Unternehmen bei der Verschuldung im Zuge der Einführung des Deutschland-Tickets zurückzuführen. Vielmehr ist die zunehmende Verschuldung ein deutlicher Vorbote der immer schwierigeren Haushaltslage der Kommunen. Bund und Länder müssen aktiv gegensteuern, um ein vollständiges Einbrechen der kommunalen Investitionstätigkeit noch zu verhindern.
Am 21. Dezember 2023 hat das Statistische Bundesamt die vorläufigen Zahlen zur Verschuldung des Öffentlichen Gesamthaushalts zum 30. September 2023 veröffentlicht. Beim nicht-öffentlichen Bereich beläuft sich der Schuldenstand nunmehr auf insgesamt 2.453,821 Mrd. Euro (29.045 Euro/Einw.). Im Vergleich zum Jahresende 2022 stieg die Verschuldung damit um 3,6 Prozent (85,8 Mrd. Euro) an. Gegenüber den Zahlen zum Ende des 2. Quartals 2023 nahm die Verschuldung um 1,5 Prozent (36,3 Mrd. Euro) zu. Hingewiesen sei auf den Sondereffekt im Vergleich zu den Vorjahreszahlen: Seit dem 2. Quartal 2023 werden die Schulden aller öffentlich bestimmten Verkehrsunternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in die Berechnung des öffentlichen Schuldenstandes einbezogen. Hintergrund ist die Finanzierung des zum 1. Mai 2023 eingeführten Deutschland-Tickets über Zuweisungen und Zuschüsse von Bund und Ländern an die ÖPNV-Unternehmen. Da sie nun nicht mehr überwiegend über Umsatzerlöse finanziert werden, sind sie nach dem Konzept der Finanzstatistiken ausnahmslos als Extrahaushalte zu klassifizieren. Ohne Einbeziehung der neu in die Statistik aufgenommenen ÖPNV-Unternehmen würde der Schuldenstand zum Ende des 3. Quartals 2023 mit 2 444,5 Mrd. Euro um 9,3 Mrd. Euro niedriger ausfallen.
Bund
Gegenüber dem Jahresende 2022 wuchs die Verschuldung des Bundes um 5,2 Prozent (83,5 Mrd. Euro) auf 1.547,2 Mrd. Euro. Ein Grund für den Anstieg war unter anderem ein erhöhter Finanzierungsbedarf infolge der Energiekrise im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine, der über das im November 2022 gegründete Sondervermögen „Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie“ erfolgte (Schuldenanstieg um 32,8 Mrd. Euro auf 63,1 Mrd. Euro).
Länder
Im Vergleich zum Jahresende 2022 (-1,4 Prozent bzw. -8,4 Mrd. Euro) konnten die Länder in der Summe weiter Schulden abbauen. Ohne den obig skizzierten Sondereffekt ÖPNV wäre der Schuldenabbau noch größer ausgefallen (-19 % bzw. -11,7 Mrd. Euro). Gegenüber dem 2. Quartal verzeichneten die Länder einen minimalen Schuldenanstieg um 0,1 Prozent (0,3 Mrd. Euro). Insgesamt beläuft sich die Verschuldung der Länder zum 30. September 2023 auf 598,46 Mrd. Euro.
Gemeinden
Deutlich düsterer sieht die Situation auf Ebene der Gemeinden und Gemeindeverbände aus. Hier wuchs der Schuldenstand gegenüber dem Jahresende 2022 spürbar um 7,6 Prozent bzw. 10,7 Mrd. Euro auf nun 151,473 Mrd. Euro (1.939 Euro/Einw.) an. Gegenüber dem 2. Quartal 2023 war ein Anstieg des Schuldenstands um 1,1 Prozent bzw. 1,7 Mrd. Euro zu verzeichnen. Ohne Berücksichtigung der Schulden der neu hinzugekommenen öffentlichen ÖPNV-Unternehmen wäre die Verschuldung im 3. Quartal 2023 gegenüber dem Jahresende 2022 um 3,3 Prozent oder 4,7 Mrd. Euro auf 145,5 Mrd. Euro gestiegen. Die Entwicklung verlief dabei regional unterschiedlich: Statistisch stiegen prozentual dabei vor allem in den Gemeinden und Gemeindeverbänden in Baden-Württemberg (+12,9 Prozent), Bayern (+12,3 Prozent) und Sachsen (+10,7 Prozent) die Schulden deutlich an, was auch auf den ÖPNV-Sondereffekt zurückzuführen ist (ohne Sondereffekt: BW +3,4 Prozent, BY +10,5 Prozent, SN +1,3 Prozent). In Brandenburg war die kommunale Verschuldung mit -0,6 Prozent rückläufig (ohne ÖPNV -2,0 Prozent). Hingewiesen sei darauf, dass die saarländischen Kommunen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes keine Daten für das 3. Quartal gemeldet haben. Der kommunale Kassenkreditbestand beträgt zum Ende des 3. Quartals 2023 insgesamt 31,105 Mrd. Euro. Die Wertpapierschulden belaufen sich auf insgesamt 2,825 Mrd. Euro. Die kommunalen Investitionskredite hatten zuletzt eine Volumina von 117,544 Mrd. Euro.
Betrachtet man nur die Kernhaushalte, so belaufen sich die kommunalen Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich auf 126,39 Mrd. Euro. Davon sind 29,006 Mrd. Euro Kassenkredite und 2,818 Mrd. Euro Wertpapierschulden.
Hinsichtlich der Verteilung der Verschuldung auf kreisfreie Städte, kreisangehörige Gemeinden und Ämter, Landkreise und Bezirksverbände ergibt sich folgendes Bild:
Verteilung der kommunalen Verschuldung (Kernhaushalte)
Kreisangehörige Gemeinden und Ämter: 59,1 Mrd. Euro
Kreisfreie Städte: 50,1 Mrd. Euro
Landkreise: 16,5 Mrd. Euro
Bezirke: 0,8 Mrd. Euro
Anmerkung
Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdeutlichen nochmals die immer schwieriger werdende Finanzlage der Städte und Gemeinden. Zwar schlägt der Sondereffekt der Einbeziehung der ÖPNV-Unternehmen bei der Entwicklung der Verschuldung der Kommunen aktuell besonders zu Buche, doch auch ohne diesen Sondereffekt ist die Verschuldung (kommunale Kern- und Extrahaushalte) in den ersten drei Quartalen um 4,7 Mrd. Euro angestiegen. Unter Berücksichtigung der ÖPNV-Unternehmen nahm die Verschuldung um 10,7 Mrd. Euro zu. Prozentual wuchs die Verschuldung auf kommunaler Ebene damit sogar stärker als auf Ebene des Bundes (+5,2 Prozent), der eine hohe Schuldenaufnahme im Zuge von Maßnahmen zur Eindämmung der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges auf die gesamte Ukraine schultern musste. Betrachtet man quartalsweise die Entwicklung der kommunalen Verschuldung seit dem 30. September 2011, ist festzustellen, dass es den Kommunen seit dem „Höhepunkt“ 2015 (145,5 Mrd. Euro) bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie kontinuierlich gelang, Schulden abzubauen.
Die Rückführung der Schulden ist in manchen Bundesländern auch auf Landesprogramme zur Entschuldung zurückzuführen, wie vor allem die Entwicklung bei den Kassenkrediten zeigt.
Der Höchststand der Kassenkreditverschuldung wurde ebenfalls 2015 erreicht (51,5 Mrd. Euro) und war bis Ende letzten Jahres (28,1 Mrd. Euro) rückläufig. Hingewiesen sei darauf, dass einige Kommunen zur Liquiditätssicherung auch Wertpapierschulden aufgenommen haben. Statistisch werden diese Schulden (zuletzt 2,8 Mrd. Euro) aber häufig nicht zu den Kassen-, sondern zu den Investitionskrediten gerechnet.
Angesichts dieser Zahlen und des noch düsteren Ausblicks auf die weitere Entwicklung der Kommunalfinanzen – aktuell sind bundesweit strukturelle Defizite der Kommunen in zweistelliger Milliardenhöhe Jahr für Jahr zu befürchten – müssen Bund und Länder, auch wenn ihre finanziellen Spielräume ebenfalls begrenzt sind, aktiv nachsteuern und eine aufgabenadäquate Finanzausstattung der Städte und Gemeinden sicherstellen. Dies schließt eine Aufgabenpriorisierung und ggf. ein Zurückfahren staatlicher Leistungen explizit nicht aus. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere vor dem Hintergrund, dass man sich ohnehin schon in einer Rezession befindet, wäre es fatal, wenn die Kommunen noch stärker fiskalisch gezwungen sind Investitionen, als meist einziger signifikanter „freier“ Ausgabenposten, zu kürzen. Schon heute liegt der kommunale Investitionsrückstand bei 165,6 Mrd. Euro. Hinzu kommen notwendige Zukunftsinvestitionen, unter anderem in den Bereichen Klimaanpassung, Wärme- und Mobilitätswende, in jeweils dreistelliger Milliardenhöhe bezogen auf das kommende Jahrzehnt.
Weitere Informationen:
Statistischer Bericht „Vierteljährliche Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts – 3. Quartal 2023“: www.destatis.de.
Az.: 41.5.4-001/001, 41.12.3-001/001