Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 561/2002 vom 05.09.2002

Vertragsstrafe

Eine Vertragsstrafenklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach welcher der Auftragnehmer für jeden Arbeitstag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 0,5 % zu zahlen hat, übt einen wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Druck auf den Auftragnehmer aus. Sie ist ungeachtet einer Obergrenze unwirksam. BGB §§ 284, 286 (Art. 299 § 5 Satz 1 EGBGB).

BGH, Urt. vom 7. März 2002 - VII ZR 41/01 - (Naumburg)

Zum Sachverhalt:

Im Revisionsverfahren geht der Streit der Parteien nur noch darum, ob die Bekl. gegen eine zuerkannte Restwerklohnforderung der Kl. von 135.503,78 DM mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 57.212,50 DM aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag und mit einem Schadenersatzanspruch aus Verzug aus dem Vertrag der Bekl. mit ihrer Auftraggeberin in Höhe von 72.091,15 DM aufrechnen kann. ...

Die Parteien untereinander vereinbarten als Fertigstellungstermin "vier Wochen nach Übergabe der Montagepläne". Die Arbeiten hätten danach am 15. Juli 1994 fertiggestellt sein müssen. Sie wurden erst am 05.12.1994 fertiggestellt aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind. Zwischen den Parteien war für die Überschreitung des Fertigstellungstermins in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bekl. eine Vertragsstrafe von 7.000 DM pro Werktag vereinbart.

Die Bekl. rechnet wegen der Überschreitung des Fertigstellungstermins durch die Kl. mit einem Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 72.091,15 DM auf. ...

Aus den Gründen:

Auf das Schuldverhältnis der Parteien findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). ...

1. Im Ergebnis zutreffend lehnt das BerGer die Aufrechnung der Bekl. mit der Vertragsstrafe ab, die mit der KI. vereinbart worden ist.

a) Verfehlt ist die Ansicht des BerGer, die Vertragsstrafenklausel in den von der Bekl. gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei deswegen unwirksam, weil sie verschuldensunabhängig ausgestaltet sei.

Die Parteien haben mit Einbeziehung der VOB/B eine verschuldensabhängige Vertragsstrafe vereinbart. Ergibt sich aus dem Vertrag nichts Gegenteiliges, ergänzt die Regelung des § 11 Nr. 2 VOB/B nach ihrem Sinn und Zweck die im Vertrag an anderer Stelle getroffene Vereinbarung. Es ist nicht erforderlich, daß § 11 Nr. 2 VOB/B in der die Vertragsstrafe selbst regelnden Vertragsklausel aufgeführt wird, sondern es genügt, daß die VOB/B in den Vertrag einbezogen wird. Die Vertragsstrafe wird gemäß § 11 Nr. 2 VOB/B nur fällig, wenn der Auftragnehmer in Verzug kommt. Sie ist damit verschuldensabhängig (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 - VII ZR 432/00; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Nach diesen Grundsätzen ist es ohne Belang, daß § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages nicht auf § 11 VOB/B Bezug nimmt. Es reicht, daß die Parteien die ergänzende Geltung der VOB/B vereinbart haben.

b) Die Vertragsstrafenklausel ist jedoch deswegen unwirksam, weil die Höhe des Tagessatzes die KI. unangemessen benachteiligt, § 9 Abs. 1 AGBG. Eine Vertragsstrafenklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach welcher der Auftragnehmer für jeden Arbeitstag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 0,5 % zu zahlen hat, ist ungeachtet einer Obergrenze unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG (BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - VII ZR 46/98, BauR 2000, 1049, 1050 = ZfBR 2000, 331 = NJW 2000, 2106).

Der Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme übt einen wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Druck auf den Auftragnehmer aus. Allein die Verwirkung dieses Vertragsstrafensatzes an wenigen Tagen schöpft in unangemessener Höhe einen erheblichen Teil des typischerweise zu erwartenden Gewinns ab (BGH, Urteil vom 17.01.2002 -VII ZR 198/00, zur Veröffentlichung bestimmt). Der hier vereinbarte Tagessatz von 7.000 DM pro Werktag bei einem Vertragspreis von 995.000 DM entspricht einem Tagessatz von 0,70 %. Er ist demnach deutlich überhöht und daher unwirksam.

2. Mit Recht beanstandet die Revision, daß das BerGer der Bekl. auch die Aufrechnung mit einem Ersatzanspruch gemäß §§ 284, 286 BGB versagt.

Das BerGer geht im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zutreffend davon aus, daß die zwischen der Bekl. und der HMB vereinbarte Vertragsstrafe unwirksam ist (a).

Von Rechtsirrtum beeinflußt ist die Ansicht des BerGer, ein zurechenbarer Verzögerungsschaden liege deswegen nicht vor, weil bei Vergleichsabschluß der Vertragsstrafenanspruch dem Grunde nach nicht bestanden habe (b).

a) Die zwischen der Bekl. und der HMB vereinbarte Vertragsstrafe ist nicht deswegen unwirksam, weil sie verschuldensunabhängig gestaltet ist. Das BerGer nimmt auch hier rechtsfehlerhaft an, daß eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe vereinbart ist. In den von der HMB der Bekl. gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird ergänzend auf die VOB/B Bezug genommen. Die Vertragsstrafe ist aus den vorstehend aufgeführten Gründen auch in diesem Vertragsverhältnis verschuldensabhängig gestaltet, auch wenn dies in Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls vom 7. März 1994 nicht zum Ausdruck gebracht wird.

Die Vertragsstrafenklausel ist jedoch unwirksam, weil der vereinbarte Tagessatz die Bekl. unangemessen benachteiligt, § 9 Abs. 1 AGBG.

Nach den oben ausgeführten Grundsätzen ist der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der HMB vereinbarte Tagessatz von 10.000 DM pro Tag für die nicht fristgerechte Fertigstellung bei einem Vertragspreis von 1,95 Mio. DM unwirksam, weil die unangemessene Grenze von 0,5 % der Auftragssumme überschritten ist.

b) Die Revision weist indes zu Recht darauf hin, daß ein von der KI. zu ersetzender Verzugsschaden auch vorliegen kann, obwohl die Vertragsstrafe zwischen der Bekl. und der HMB nicht wirksam vereinbart worden, jedoch bei dem Vergleich zu Lasten der Bekl. berücksichtigt worden ist. ...

Az.: II/1 608-00/1

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