Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 734/2006 vom 19.10.2006

Verwaltungsgericht Aachen zur getrennten Regenwassergebühr

Das VG Aachen hat mit Urteil vom 8.9.2006 (u.a. Az.: 7 K 1413/03 – nicht rechtskräftig) eine Gemeinde mit 14.253 Einwohnern verpflichtet, die getrennte Regenwassergebühr einzuführen. Nach der bislang bekannten Rechtsprechung des OVG NRW (vgl. hierzu zuletzt OVG NRW, Beschluss v. 05.02.2003 – Az.: 9 B 2482/02) können die Kosten für die Schmutzwasserbeseitigung und die Regenwasserbeseitigung dann nicht mehr über den einheitlichen Frischwassermaßstab (Frischwasser = Abwasser) abgerechnet werden, wenn die betreffende Stadt/Gemeinde keine gleichartige Bebauungsstruktur hat und auch mit dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit der Frischwassermaßstab nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

Das VG Aachen sah die vom OVG NRW geforderte gleichartige Bebauungsstruktur in der beklagten Gemeinde nicht als gegeben an, obwohl in 5 von 7 Ortsteilen der Gemeinde eine durchgängige 1 bis 1,5 geschossige Bebauungsstruktur mit Luftbildern belegt werden konnte. Lediglich in 2 Ortsteilen waren Gewerbegebiete mit größeren bebauten und/oder versiegelten Grundstücksflächen vorhanden. Auch den Grundsatz der Typengerechtigkeit erkannte das VG Aachen als Rechtfertigungsgrund für den Frischwassermaßstab nicht mehr an. Zwar hatte die beklagte Gemeinde vorgetragen, dass lediglich in 355 Fällen von 4.292 veranlagten Grundstücken der Tatbestand des „Frischwasser-Großverbrauchers“ mit mehr als 270 cbm Frischwasserverbrauch pro Jahr gegeben sei und damit der Grundsatz der Typengerechtigkeit angewendet werden könne, weil weniger als 10 % der zu einer Abwassergebühr veranlagten Grundstücke durch den Einheitsmaßstab (Frischwassermaßstab) ungerecht behandelt würden. Dabei war die Annahme eines Frischwasser-Großverbrauchers bei einem Wasserverbrauch von 270 cbm Frischwasser pro Jahr äußerst gering, zumal das VG Düsseldorf mit Urteil vom 30.12.2004 (Az.: 5 K 1060/00) den Frischwasser-Großverbraucher bei einer Stadt mit 50.000 Einwohnern erst ab einem Frischwasserverbrauch pro Jahr von 1.000 cbm angenommen hatte. Hintergrund für die Feststellung der Anzahl der Frischwasser-Großverbraucher ist insoweit, dass Frischwasser-Großverbraucher bei der Anwendung des Frischwassermaßstabes für die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung regelmäßig benachteiligt werden können, weil mit jedem Kubikmeter (Frischwasser = Abwasser) auch Kosten der Regenwasserbeseitigung abgerechnet werden und deshalb bei einem hohem Frischwasser-Bezug dem Frischwasser-Großverbraucher ein zu hoher Anteil von den Kosten der Regenwasserbeseitigung aufgebürdet wird.

Mit Blick auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit hat nunmehr auch das VG Aachen die Frage aufgeworfen, ob sich eine Gemeinde überhaupt noch auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit berufen kann und darf, wenn bereits eine homogene (gleichartige) Bebauungsstruktur nicht vorliegt (so bereits: VG Arnsberg, Urt. v. 15.01.2002 – Az.: 11 K 1994/00; offen gelassen in: OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2004 – Az.: 9 A 1276/02). Auch insoweit ist durch die beklagte Gemeinde ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG NRW gestellt worden.

Außerdem ist in dem Urteil des VG Aachen vom 8.9.2006 eine weitere Fragestellung enthalten, die vom OVG NRW bislang im Hinblick auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit noch nicht entschieden worden ist. Aus der Rechtsprechung des OVG NRW (vgl. hierzu zuletzt OVG NRW, Beschluss v. 05.02.2003 – Az.: 9 B 2482/02) kann bislang entnommen werden, dass auch der Grundsatz der Typengerechtigkeit nicht mehr bemüht werden kann, wenn in einer Gemeinde mehr als 10 v.H. Einzelfälle von den an die kommunale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossenen Grundstücken vorzufinden ist, bei denen das angenommene, gleichmäßige Verhältnis von abgeleitetem Schmutzwasser- und Niederschlagswasser gestört ist. Dabei geht es im Kern eigentlich darum, ob mehr als 10 v.H. der zu einer Abwassergebühr veranlagten Grundstücke durch den einheitlichen Frischwassermaßstab ungerecht behandelt werden. Zu der Gruppe der 10 .v.H. gehören sicherlich Frischwasser-Großverbraucher auf relativ kleinen Grundstücken. Nicht hierzu gehören aber Grundstücke, die lediglich über einen Schmutzwasser-Anschluss an die gemeindliche Abwasseranlage verfügen, wenn diesen Grundstücken ein verminderter Abwassergebührensatz in Rechnung gestellt wird, aus welchem die Kosten der Regenwasserbeseitigung herausgerechnet worden sind. Denn durch den verminderten Abwassergebührensatz, in welchem nur die Kosten der Schmutzwasserbeseitigung und nicht die Kosten der Regenwasserbeseitigung eingeflossen sind, werden diese Grundstücke abgabenrechtlich nicht benachteiligt, so dass sie im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit keine Rolle spielen können (vgl. Queitsch, KStZ 2006, S. 121 ff., 122).

Das VG Aachen hat in seinem Urteil vom 08.09.2006 bei der Frage, ob mehr als 10 % der Grundstücke durch den einheitlichen Frischwassermaßstab ungerecht behandelt werden nunmehr unter anderem auch landwirtschaftlich genutzte Grundstücke sowie gewerblich genutzte Grundstücke in die Gruppe der „Benachteiligten“ hineingerechnet, offensichtlich mit der Begründung, dass auch bei diesen Grundstücken das gleichmäßige Verhältnis von abgeleitetem Schmutzwasser- und Niederschlagswasser gestört ist. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass gerade bei diesen Grundstücken nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie durch den Einheitsmaßstab (Frischwasser = Abwasser) benachteiligt werden, denn diese Grundstückseigentümer müssten bei einer Einführung der getrennten Regenwassergebühr regelmäßig mehr Abwassergebühren bezahlen als bislang. Dieses gilt auch für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit Stallgebäuden und Gebäuden für Gerätschaften.

Es stellt sich deshalb die vom OVG NRW noch nicht endgültige geklärte Frage, ob der Grundsatz der Typengerechtigkeit nur dahin zu verstehen ist, dass maßgeblich nur auf diejenigen Gebührenschuldner abzustellen ist, die durch einen einheitlichen Frischwassermaßstab benachteiligt werden. Hierfür spricht, dass der Grundssatz der Typengerechtigkeit ein abgabenrechtlicher Grundsatz ist, bei dem es grundsätzlich darum geht, ob ein Gebührenmaßstab im Hinblick auf das kommunalabgabenrechtliche Äquivalenzprinzip (§ 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW) noch haltbar ist. Dieses war bislang jedenfalls dann der Fall, wenn die mit dem Gebührenmaßstab erfassten Gebührenschuldner bezogen auf alle Veranlagungsfälle nur mit unter 10 % dem Regelfall nicht entsprachen, den der Gebührenmaßstab als Kostenverteilungsschlüssel betraf. Vor diesem Hintergrund können im Rahmen der Prüfung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit im Hinblick auf das kommunalabgabenrechtliche Äquivalenzprinzip eigentlich diejenigen Gebührenschuldner und Grundstückseigentümer nicht als benachteiligt angesehen werden, die durch die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabes zurzeit gerade nicht beschwert werden. Es wird abzuwarten sein, ob das OVG NRW diese Frage entscheiden wird, zumal sie bislang vom OVG NRW offen gelassen worden war (OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2004 – Az.: 9 A 1276/02).

Sollte das OVG NRW die Rechtsprechung des VG Aachen bestätigen, so wäre der einheitliche Frischwassermaßstab (Frischwasser = Abwasser) bei der Erhebung der Abwassergebühren im Hinblick auf die Abrechnung der Kosten der Regenwasserbeseitigung wohl nicht mehr zu halten, weil die 10 %-Grenze im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit wohl regelmäßig überschritten sein dürfte.

Az.: II/2 24-21 qu/g

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