Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 173/2012 vom 15.02.2012

Verwaltungsgericht Arnsberg zur öffentlichen Abwasserleitung

Das VG Arnsberg hat mit Urteil vom 23.01.2012 (Az. 8 K 1522/11) zu der Frage entschieden, wann eine Abwasserleitung als öffentliche Abwasserleitung und damit als Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage anzusehen ist. In dem zu entscheidenden Sachverhalt ging es darum, dass vor 60 Jahren eine Abwasser-Sammelleitung von einer öffentlichen Straße über acht Privatgrundstücke durch deren Gärten verlegt worden war. Der Verlauf dieser Sammelleitung über die Privatgrundstücke wurde niemals grundbuchrechtlich abgesichert. Der Kläger ging davon aus, dass es sich um einen öffentlichen Abwasserkanal handelt.

Das VG Arnsberg kommt in seinem Urteil vom 23.01.2012 zu dem Ergebnis, dass ausweislich der Verwaltungsunterlagen aus den Jahren 1947 und 1948 die Stadt diese gemeinsame Abwasserleitung hergestellt hat und diese deshalb auch als öffentliche Abwasserleitung eingestuft werden muss. Die Stadt habe damals diese öffentliche Abwasserleitung gebaut und diese Leitung auch nicht zeitlich später an die Grundstückseigentümer übereignet, in dem sie ihre eigene Verantwortung für diese Sammelleitung aufgegeben hat. Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB war die Sammelleitung bei ihrer Herstellung — so das VG Arnsberg - auch lediglich Scheinbestandteil der Privatgrundstücke, durch welche sie verläuft.

Die Stadt habe das Eigentum an dieser Leitung auch später nicht aufgegeben, denn dafür hätte sie sich mit den Eigentümern über einen Eigentumsübergang verständigen müssen, damit die jeweiligen Abschnitte der Leitung wesentliche Bestandteile (§ 94 Abs. 1 BGB) der einzelnen Grundstücke hätten werden können (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, Kommentar, 71. Auflage 2012, § 95BGB Rz. 4). Dieses sei aber nicht geschehen, so dass die Sammelleitung über die Privatgrundstücke ihre Eigenschaft als öffentliche Sache nicht durch einseitige Verlautbarungen der Stadt eingebüßt habe.

Auch aus der aktuellen Entwässerungssatzung (Abwasserbeseitigungssatzung) derStadt ergibt sich nach dem VG Arnsberg nichts anderes. Die öffentliche Abwasseranlage ende nach der Entwässerungssatzung (Abwasserbeseitigungssatzung) dort, wo die Grundstücksanschlussleitung beginnt. Die insoweit in der Satzung enthaltenen Definitionen der drei Begriffe „öffentliche Abwasseranlage“, „Grundstücksanschlussleitung“ und „Hausanschlussleitung“ mit ihren wechselseitigen Bezugnahmen seien aber auf die regelmäßig anzutreffende Situation ausgerichtet, in der das in einem Gebäude anfallende Abwasser über eine Hausanschlussleitung zur Grundstücksgrenze und von dort über eine Grundstücksanschlussleitung zur öffentlichen Abwasseranlage geführt werde. Diese Begriffsbestimmungen würden aber in den „kritischen“ Fällen versagen, in denen — wie hier im zu entscheidenden Fall — gerade nicht offen zu erkennen sei, an welchem Punkt genau eine Grundstücksanschlussleitung endet und die öffentliche Abwasseranlage beginnt.

Gegen die Annahme einer privaten gemeinsamen Anschlussleitung spricht nach dem VG Arnsberg auch, dass in der Entwässerungssatzung bestimmt ist, dass zwei oder mehrere Grundstücke nur auf Antrag durch eine gemeinsame Anschlussleitung entwässert werden können, wobei zu dem die Benutzungs- und Unterhaltungsrechte dinglich im Grundbuch abgesichert werden müssten. An beiden Voraussetzungen fehle es im vorliegenden Fall, weil bereits ein Antrag des Klägers und seiner Nachbarn, den Kanal als gemeinsame Anschlussleitung zu betreiben, nicht vorliege.

Ebenso fehle es an einer entsprechenden grundbuchrechtlichen Eintragung zur Absicherung der Leitungsführung. Schließlich merkt das VG Arnsberg an, dass in mehreren Verwaltungsverfahren der fragliche Sammelkanal durch die Stadt als Teil der öffentlichen Abwasseranlage angesehen worden sei. Auch dieses sei ein weiteres Indiz dafür, dass auch die Stadt — jedenfalls zeitweilig — die Sammelleitung über die Privatgrundstücke als Teil ihrer öffentlichen Abwasseranlage angesehen habe.

Schlussendlich weist das VG Arnsberg darauf hin, dass nach dem OVG NRW (Beschluss vom 31.08.2010 — Az. 16 A 89/10) für die Frage, ob ein Kanal Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, allein entscheidend ist, ob dieser zum entwässerungsrechtlichen Zweck technisch geeignet ist und ob er durch Widmung zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage bestimmt worden ist. Dabei sei die Widmung nicht formgebunden und könne auch konkludent erfolgen. Hinsichtlich der Widmung müsse lediglich der (nach außen wahrnehmbare) Wille der Stadt erkennbar sein, die fragliche Anlage als Teil der gemeindlichen Entwässerungsanlage in Anspruch nehmen zu wollen. Diesen Widmungswillen könne eine Stadt u. a. dadurch zu erkennen geben, dass sie für das Einleiten von Abwasser in eine bestimmte Anlage Entwässerungsgebühren verlange (vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.09.1986 — Az. 2 A 2955/83 - Gemeindehaushalt 1987, Seite 187).

Außerdem sei in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass es für die Wirksamkeit der Widmung für Entwässerungsstrecken und damit für deren Einbeziehung in die gemeindliche Abwasseranlage weder erforderlich sei, dass die einzubeziehenden Strecken im Eigentum der Gemeinde stehen, noch das der jeweilige Eigentümer der einbezogenen Flächen die zur Rechtmäßigkeit der Widmung erforderliche Zustimmung erteilt hat (vgl. OVG NRW, Urteile vom 07.09.1987 — Az. 2 A 993/85 — Gemeindehaushalt 1988, Seite 162 ff. und vom 14.12.1977 — Az. II A 235/76 -, RdL 1978, Seite 212 f.).

Wenn aber schon die fehlende Zustimmung der jeweiligen Eigentümer von Grundstücken, über die Teile des Kanalnetzes verlaufen, der Wirksamkeit der Widmung eines Kanals nicht entgegen steht, dann müsse — so das VG Arnsberg - dieses erst in solchen Fällen gelten, in denen die Inanspruchnahme fremder Grundstücke „lediglich“ nicht rechtlich abgesichert sei.

Jedenfalls hat die Sammelleitung nach dem VG Arnsberg in über 60 Jahren, seit ihrer Herstellung die Abwässer augenscheinlich problemlos von den angeschlossenen Grundstücken aufgenommen. Die Sammelleitung über die Privatgrundstücke sei auch seinerzeit ausreichend dimensioniert worden, um nicht nur die bereits vorhandenen Grundstücke, sondern auch künftige Bauten entwässerungstechnisch zu erschließen. Selbst das im Jahr 2004 noch auf einem Grundstück errichtete Wohnhaus konnte an diese Sammelleitung angeschlossen werden, ohne dass diese überlastet wurde. Auch die Sanierungsbedürftigkeit dieser Sammelleitung schließe nicht aus, dass diese grundsätzlich geeignet war, das Abwasser von den betroffenen Grundstücken wegzuleiten.

Az.: II/2 24-30 qu-ko

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