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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 676/2001 vom 05.11.2001
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zur Übertragung von Abwasseranlagen
Das VG Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 06. September 2001 (Az.: 13 K 2116/98 -, nicht rechtskräftig) entschieden, daß bei einer Übertragung von Abwasseranlagen (hier: Kanäle) durch eine Stadt auf eine städtische Gesellschaft die Übertragung nach dem Restbuchwert auf der Grundlage des Anschaffungswertes und nicht auf der Grundlage des Restwertes vom Wiederbeschaffungszeitwert (Sachzeitwert) zu erfolgen hat.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Abwasserbeseitigung wurde von der beklagten Stadt seit dem 01. Januar 1998 nicht mehr in der Trägerschaft der Stadt (in Eigenregie) durchgeführt. Vielmehr wählte die Stadt eine privatrechtliche Konstruktion. Mit der Abwasserbeseitigung wurde eine Aktiengesellschaft (AG) betraut. Die Aktien lagen unmittelbar oder mittelbar über eine Tochtergesellschaft insgesamt in den Händen der Stadt. Das Kanalvermögen der Stadt wurde zum Restwert vom Wiederbeschaffungszeitwert (Sachzeitwert) auf eine Objektgesellschaft in der Form einer GmbH übertragen. Alleiniger Gesellschafter dieser GmbH war wiederum die Aktiengesellschaft (AG). Der Sachzeitwert abzüglich des aus Beiträgen und Zuschüssen finanzierten Abzugskapitals war die Grundlage für die Berechnung des Entgelts, das die Stadt für die Übertragung des Kanalvermögens erhielt. Ein Teil dieses Entgelts war an die Stadt als Kaufpreis auszuzahlen. Ein Teil wurde der GmbH als Darlehen und als Rücklagekapital zur Verfügung gestellt. Die GmbH verpachtete das Kanalnetz wieder an die AG zu einem Pachtentgelt, das im wesentlichen die nach dem Sachzeitwert berechneten Abschreibungen und kalkulatorischen Zinsen umfaßte. Die Stadt zahlte an die AG ein Betriebsführungsentgelt, dessen wesentlicher Bestandteil das an die GmbH entrichtete Pachtentgelt war.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen führt in seinem Urteil vom 06. September 2001 aus, daß gebührenrechtlich durch diese Konstruktion der Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten verletzt werde. Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) greife mit dem Begriff der Betriebsbedingtheit der Kosten auf das Kontrollprinzip der "Erforderlichkeit der Kosten" zurück. Das OVG NRW habe entschieden, daß Mehrkosten, die bei einer gewählten Konstruktion durch die Mehrwertsteuer entstanden waren, nicht als Kosten ansatzfähig seien, weil sie zur sachgerechten Aufgabenbewältigung nicht notwendig seien (vgl. OVG NRW, Urt. v. 24.11.1999 - 9 A 6065/96 - S. 23 f. des Urteilsabdrucks; vgl. auch Urteil vom 01. Juli 1997 - 9 A 3556/96 -, KStZ 2000, S. 87).
Ausgehend vom Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten sei im zu entscheidenden Fall allein eine Übertragung des Kanalvermögens und ein Entgelt zum bei der Stadt verzeichneten Anschaffungsrestwert unter Berücksichtigung des Abzugskapitals gerechtfertigt gewesen. Damit hätte die Stadt den vollen Ersatz der Kosten für die Anlagen erhalten, der nicht bereits durch die Gebührenpflichtigen über die in den Abwassergebühren einkalkulierten Abschreibungen der Anlagen gedeckt worden seien. Mit der Abschreibung nach dem Sachzeitwert erhalte die beklagte Stadt aber finanzielle Mittel, die darüber hinaus allenfalls zu einer Wiederbeschaffung der Anlage in Betracht kommen würden. Eine Wiederbeschaffung der Abwasseranlagen (Kanalvermögen) durch die Stadt stehe aber nach der gewählten Konstruktion nicht mehr an, denn die Aufgabe der Erneuerung und Erweiterung des Kanalisationsnetzes sei der Aktiengesellschaft und der GmbH übertragen worden. Dem könne auch nicht entgegengehalten, die Stadt habe einen Teil des Übertragungswertes der GmbH als Eigenkapital zur Wiederbeschaffung überlassen, weil der Gebührenzahler über das Pacht- und Betriebsführungsentgelt allemal sämtliche Aufwendungen für eine Wiederbeschaffung trage, ob diese nun aus dem als Teil des Anschaffungsrestwertes oder als Teil des Sachzeitwertes zur Verfügung gestellten Eigenkapitals oder aus dem Fremdkapital der Gesellschaft finanziert würde. Damit verzehre sich der von der Stadt zur Verfügung gestellte Eigenkapitalanteil nicht, sondern bleibe der Stadt als Wertzuwachs erhalten.
Hierdurch würden aber die Gebührenpflichtigen schließlich das nach dem Sachzeitwert berechnete überhöhte Entgelt finanzieren, da das in der Gebührenkalkulation angesetzte Betriebsführungsentgelt über das Pachtentgelt Abschreibungen enthalte, die nach diesem überhöhten Wert bemessen seien.
Das VG Gelsenkirchen weist weiterhin darauf hin, daß sich die beklagte Stadt auch nicht mit Erfolg auf die grundlegende Entscheidung des OVG NRW zur Privatisierung (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 - NWVZ 1995, S. 1238) berufen könne. In dieser Entscheidung habe das OVG NRW verlangt, daß den Gebührenzahlern ein unzulässiger Veräußerungsgewinn gutzuschreiben sei, der bei der Übertragung von kommunalen Anlagevermögen aus dem Bereich der Abfallbeseitigung und Straßenreinigung auf eine GmbH entstanden war. Der beklagten Stadt sei zwar zuzugeben, daß sich dieser Veräußerungsgewinn auf den Wertansatz von Anlageteilen bezogen habe, die bereits abgeschrieben waren, aber noch genutzt wurden, und dem Wertansatz von Anlagegütern auf der Grundlage einer Verlängerung der bis dahin prognostizierten Nutzungsdauer. Einen solchen Veräußerungsgewinn habe die beklagte Stadt im zu entscheidenden Fall zwar vermieden. Zutreffend sei auch, daß das OVG NRW in dieser Entscheidung die Übertragung von Anlagevermögen zum Restwert vom Wiederbeschaffungszeitwert auf eine GmbH nach den Vorschriften des Preisprüfungsrechtes nicht beanstandet habe. Gleichwohl sei die weitere Frage nicht entscheidungserheblich gewesen, ob finanzielle Mittel erwirtschaftet worden seien, die zur Wahrnehmung der gebührenfinanzierten Aufgabe nicht erforderlich gewesen seien. Diese Frage sei aber im in zu entscheidenden Fall nach Auffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen.
Es wird abzuwarten sein, wie das OVG NRW die Rechtslage beurteilt.
Az.: II/2 24-21