Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 690/2014 vom 26.11.2014

Verwaltungsgericht Köln zur Unterkunft für Flüchtlinge im Gewerbegebiet

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit zwei Beschlüssen vom 13. November 2014 den Anträgen von Gewerbetreibenden in einem Gewerbegebiet in Köln gegen eine Baugenehmigung für das Aufstellen von Wohncontainern für Flüchtlinge stattgegeben (Az.: 2 L 2039/14; 2 L 2050/14, nicht rechtskräftig). Der Bebauungsplan erlaube die Unterkünfte im Gewerbegebiet nicht, so das Gericht.

Die Stadt Köln beabsichtigt in einem Gewerbegebiet in Köln-Lövenich befristet für zwei Jahre Wohncontainer zur Unterbringung von rund 120 Flüchtlingen und Asylsuchenden aufzustellen. Mit einem vorläufigen Rechtsschutzantrag wandten sich die Antragsteller hiergegen, weil Wohnunterkünfte dem Gebietscharakter eines Gewerbegebietes nicht entsprächen.

Dem folgte das VG im Ergebnis. Zwar leide der Bebauungsplan, der das Gewerbegebiet festsetze, derzeit an einem Verkündungsmangel und sei daher unwirksam. Dieser formelle Fehler lasse sich jedoch ohne weiteres korrigieren. Nach der alsbald zu erwartenden Heilung des Bebauungsplanes sei die genehmigte Unterkunft im Gewerbegebiet nicht zulässig. Auch könne die Unterkunft nicht durch eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugelassen werden. Einer Befreiung steht nach Auffassung des VG Köln der generelle Charakter eines Gewerbegebietes, dass nicht dem Wohnen diene, und damit ein Grundzug der Planung entgegen. Zur Errichtung der vorgesehenen Wohncontainer bedürfe es vielmehr der Änderung des Bebauungsplanes, die nur vom Rat der Stadt Köln beschlossen werden könne.

Flüchtlingsunterkünfte künftig zulässig


Die Zulässigkeit von Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber richtet sich regelmäßig nach den Vorgaben des jeweiligen Bebauungsplans und der Art der Nutzung (§ 30 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 2 BauNVO). Insofern ist zwischen der Unterbringung von Flüchtlingen in Anlagen für soziale Zwecke und in Wohnungen zu unterscheiden:

Flüchtlingsunterkünfte sind oft Gemeinschaftsunterkünfte und können damit unter die Anlagen für soziale Zwecke im Sinne der BauNVO fallen. Diese Anlagen sind baurechtlich in allgemeinen und besonderen Wohngebieten sowie in Dorf-, Misch- und Kerngebieten allgemein zulässig. Ausnahmsweise sind Anlagen für soziale Zwecke auch in reinen Wohngebieten sowie in Gewerbe- und Industriegebieten zulässig. Eine Ausnahme dürfte bei der Unterbringung von Flüchtlingen wegen des öffentlichen Zwecks und der nichtvorhandenen Störung insbesondere in Gewerbegebieten zwar in der Regel gegeben sein. Problematisch ist aber die ungeschriebene Voraussetzung, wonach eine derartige Unterkunft eine Funktion im Zusammenhang mit der Hauptnutzungsart, also dem Gewerbegebiet, erfüllen muss.

Dies war zuletzt neben der Entscheidung des VG Köln auch in anderen Entscheidungen aufgrund des reinen Wohn- und Unterbringungscharakters von Flüchtlingsunterkünften von der Rechtsprechung verneint worden. Beispielhaft wird auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 09.04.2014 verwiesen. In diesem Fall mussten die Bewohner von einem für die neue Nutzung angepassten und relativ komfortablen Lehrlingswohnheim, das sich in einem Gewerbegebiet befand, ausziehen, um in Container auf einem Parkplatz in einem „baurechtlich passenden Gebiet“ (Mischgebiet) umzusiedeln.

Neuregelung

Nach § 246 Abs. 10 BauGB des am 26.11.2014 in Kraft tretenden Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen „kann bis zum 31.12.2019 in Gewerbegebieten (§ 8 BauNVO, auch i. V. m. § 34 Abs. 2 BauGB) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünftige für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend“.

Die Befreiungsregelung ermöglicht den Städten und Gemeinden die Unterbringung von Flüchtlingen in Gewerbegebieten. Voraussetzung ist, dass an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind. Anders als bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist nach der Neuregelung eine Befreiung auch möglich, wenn die Grundzüge der Planung durch das Vorhaben berührt werden.

Zudem muss die Frage, ob Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende als Anlagen für soziale Zwecke eingestuft werden, nicht mehr entschieden werden. Durch die weiter bestehende Voraussetzung der Vereinbarkeit der Befreiung mit öffentlichen Belangen wird gewährleistet, dass Flüchtlingsunterkünfte nur in Gewerbegebieten auf Standorten zugelassen werden können, an denen Konflikte speziell mit Lärm — oder Geruchsimmissionen nicht zu erwarten sind.

Az.: II gr-ko

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