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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 254/2011 vom 30.03.2011
Verwaltungsgericht Minden zu Abwasserabgabe und Trennerlass
Das VG Minden hat mit Urteil vom 23.03.2011 (Az. 11 K 1011/10) entschieden, dass das Land NRW (hier: die Bezirksregierung Düsseldorf- zuständig für die Erhebung der Abwasserabgabe) einer Stadt nicht die Befreiung von Abwasserabgabenpflicht für Niederschlagswasser (§ 73 Abs. 2 LWG NRW) versagen kann, weil das Straßenoberflächenwasser von einer Landesstraße nicht nach den Vorgaben des Trennerlasses vom 26.05.2004 vorbehandelt wird.
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: In das öffentliche Kanalnetz der Stadt wurde neben Regenwasser aus einem Wohngebiet auch stark verschmutztes Regenwasser von einer Landesstraße eingeleitet. Träger der Straßenbaulast sowohl für die freie Strecke außerhalb der Ortsdurchfahrt als auch für die Ortsdurchfahrt war das Land Nordrhein-Westfalen. Die beklagte Stadt trug vor, dass sie keine Möglichkeit habe, die Vorgaben des Trennerlasses vom 26.05.2004 zu erfüllen. Hierzu wären Eingriffe in den Straßenkörper zum Einbau von Abwasserbehandlungsanlagen oder Filtersystemen in die Straßenreinläufe oder ähnliches erforderlich. Zuständig für die Vorbehandlung des auf der Straße anfallenden stark verschmutzten Regenwassers sei damit der Landesbetrieb Straßenbau NRW.
Dieser Argumentation folgt das VG Minden. Die Bezirksregierung Düsseldorf durfte — so das VG Minden — die Abgabenbefreiung nach § 73 Abs. 2 LWG NRW nicht versagen. Nach dem Sachverhalt gehe die Einleitung stark verschmutzten Niederschlagswassers in das betreffende öffentliche Kanalnetz allein auf die Landesstraße zurück. Damit sei das beklagte Land als Träger der Straßenbaulast (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Straßen- und Wegegesetz NRW) für den Zustand der Straßenentwässerung verantwortlich (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Straßen- und Wegegesetz NRW).
Die Nichtbefreiung von der Abwasserabgabenpflicht ist nach dem VG Minden bei diesem Sachverhalt mit dem System des Abwasserabgabenrechts schlechterdings nicht zu rechtfertigen, weil der mit der Abwasserabgabe im Kern verfolgte Lenkungszweck ins Leere geht (so auch bereits: VG Minden, Urteil vom 11.02.2009, Az. 11 K 1729/08 — zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt).
Die Einhaltung der Anforderungen des Trennerlasses kann nach dem VG Minden hier von der klagenden Stadt nicht eingehalten werden. Denn dieses setzt den Einbau und die anschließende Wartung von Regenwasservorbehandlungsanlagen und damit einen Eingriff in den Straßenkörper voraus, was ausschließlich vom Landesbetrieb Straßen NRW durchgeführt werden könne. Mehrere Versuche, den Landesbetrieb Straßenbau NRW zu entsprechenden Maßnahmen zu bewegen, waren erfolglos.
Ebenso kann nach dem VG Minden die Stadt nicht darauf verwiesen werden, dass sie auf der Grundlage der Ausbauvereinbarung aus dem Jahr 1996 eine Kostenerstattung durchsetzen kann. Der Landesbetrieb Straßen NRW hat eine Nachrüstung bzw. Kostenbeteiligung auch im Hinblick auf die geschlossene Ausbauvereinbarung ausdrücklich abgelehnt und auf den Ausgang des Klageverfahrens verwiesen. Die Stadt habe deshalb mit dem entsprechenden Prozess(kosten)-Risiko den Klageweg beschreiten müssen. Dieses liegt nach dem VG Minden nicht im Bereich des mit der Abwasserabgabe verfolgten Lenkungszwecks.
Schließlich ist die Erhebung einer Abwasserabgabe nach dem VG Minden durch das beklagte Land NRW auch widersprüchlich und treuwidrig. Denn das Land NRW teilt einerseits durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW mit, dass Maßnahmen zur Vorbehandlung des Niederschlagswassers nicht ergriffen werden, erhebt auf der anderen Seite aber durch die Bezirksregierung Düsseldorf gerade deshalb von der klagenden Stadt eine Abwasserabgabe. Damit zahlt die Klägerin eine Abgabe an das beklagte Land, die das beklagte Land durch sein Verhalten selbst verursacht.
Es ist nach dem VG Minden auch nicht hinnehmbar, dass die Bezirksregierung Düsseldorf die Stadt darauf verweist, den Landesbetrieb Straßenbau NRW auf der Grundlage der Ausbauvereinbarung in Anspruch zu nehmen. Dieses bedeutet — so das VG Minden — im Ergebnis, dass das beklagte Land die Feststellung einer Abwasserabgabe gegenüber der klagenden Stadt damit rechtfertigt, dass die Stadt diese Abgabe vom beklagten Land zurückfordern solle und könne. Auch dieses sei mit dem Lenkungszweck der Abwasserabgabe unvereinbar.
Az.: II/2 24-24 qu-ko