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StGB NRW-Mitteilung 510/2011 vom 07.10.2011
Verwaltungsgerichtshof Mannheim zu Photovoltaik-Anlagen auf Kulturdenkmälern
Durch Photovoltaikanlagen vorgerufene Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals sind in stärkerem Maße hinzunehmen als Beeinträchtigungen durch andere bauliche Veränderungen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim am 01.09.2011 entschieden. Wegen des in der Verfassung verankerten Klimaschutzes komme dem Interesse an der Gewinnung regenerativer Energien im Rahmen der Abwägung besonderes Gewicht zu, so die Richter. Die zuständige Behörde muss nun neu entscheiden (Az.: 1 S 1070/11).
Photovoltaikanlage auf denkmalgeschützter Pfarrscheuer
Die Kirchengemeinde St. Urban beantragte 2008 eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung zum Aufbau einer Photovoltaikanlage auf ihrer Pfarrscheuer, die sich neben der katholischen Pfarrkirche und dem dazugehörigen Pfarrhaus am Ortsrand der Gemeinde Emeringen befindet. Das Landratsamt Alb-Donau-Kreis lehnte die Genehmigung nach Einholung einer Stellungnahme des Referats Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Tübingen ab. Die Pfarrscheuer befinde sich im Ensemble von Kirche und Pfarrhaus, die beide Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung seien. Die spiegelnde Glasdachdeckung der Photovoltaikanlage beeinträchtige sowohl das Kulturdenkmal als auch die Umgebung erheblich.
VGH: Keine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Pfarrscheuer
Der VGH verpflichtete die Denkmalschutzbehörde, erneut über den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Er kam nach Einnahme eines Augenscheins zu dem Ergebnis, dass eine Photovoltaikanlage das Erscheinungsbild der wegen seiner heimatgeschichtlichen Bedeutung als einfaches Kulturdenkmal unter Denkmalschutz stehenden Pfarrscheuer nicht erheblich beeinträchtigt. Bei dieser Einschätzung komme es auf das Empfinden des für Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters an. Dieses Empfinden werde durch die tatsächliche Entwicklung der letzten Jahre beeinflusst, in denen Photovoltaikanlagen auf Dächern - gerade auch auf Scheunendächern - in so großer Zahl errichtet worden seien, dass derartige Anlagen in ländlich strukturierten Gegenden heute zum normalen Erscheinungsbild gehörten.
Aber Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes von Pfarrhaus und Kirche
Nach Ansicht des VGH würde eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Pfarrscheuer allerdings das unter besonderem Schutz stehende und wegen seiner Lage auch besonders schützenswerte Erscheinungsbild des Pfarrhauses und der Pfarrkirche - als einzelne Kulturdenkmale - erheblich beeinträchtigen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, ob die Genehmigung dennoch erteilt werde, sei dem Regierungspräsidium aber ein Fehler unterlaufen. Es habe auf eine Beeinträchtigung des «Ensembles» aus Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheuer abgestellt und damit einen falschen rechtlichen Bezugspunkt gewählt. Die zuständige Behörde müsse daher erneut über den Genehmigungsantrag entscheiden.
Klimaschutz wegen verfassungsrechtlicher Verankerung starker Abwägungsbelang
Weiter führte der VGH aus, dass bei der zu treffenden Ermessensentscheidung das öffentliche Interesse an der Erschließung erneuerbarer Energien mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen sei. Denn der Klimaschutz sei als Staatszielbestimmung im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert. Das bedeute, dass den Belangen des Denkmalschutzes auch bei einer erheblichen Beeinträchtigung nicht automatisch der Vorrang gegenüber den Belangen des Klimaschutzes einzuräumen sei. Nach Ansicht des VGH spricht einiges dafür, dass das Regierungspräsidium dies bisher nicht hinreichend beachtet habe. Dagegen sei die Gewinnung regenerativer Energien, auch wenn sie religiös motiviert sei, keine Religionsausübung. Die Kirchengemeinde könne sich daher nicht auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht oder die Religionsfreiheit berufen. [Quelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 23. September 2011].
Az.: II gr-ko