Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 426/2024 vom 04.06.2024

VG Aachen zu gewerblichen Alttextilien-Containern

Das VG Aachen hat mit Urteil vom 23.04.2024 (Az.: 10 K 2576/22) die Ablehnung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von gewerblichen Alttextilien-Containern als ermessensfehlerhaft erachtet, weil die beklagte Stadt im Rahmen der Ermessensausübung nicht dargelegt hat, weshalb die auf der Grundlage eines durch Ratsbeschluss begrenzte Anzahl von Container-Standplätzen auf öffentlichen Flächen (sog. Standorte-Konzept) insbesondere an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vergeben worden seien. Die beklagte Stadt muss nunmehr über den Antrag des gewerblichen Sammlers neu entscheiden. Zugleich hat das VG Aachen das durch Ratsbeschluss ergangene Standorte-Konzept aber nicht beanstandet, weil es ein tragender straßenrechtlicher Grund ist, die Anzahl der Alttextilien-Container auf öffentlichen Flächen im Stadtgebiet zu begrenzen, weil dadurch eine Verschandelung des Stadt- und Ortsbildes durch unzählige Alttextilien-Container vermieden werden kann. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Auf der Grundlage der bislang ergangenen, straßenrechtlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2021 – Az.: 11 A 1958/29 -; OVG NRW, Urteil vom 28.05.2021 – Az.: 11 A 390/19- Rz. 74 ff., und 84 ff.; OVG NRW, Urteil vom 13.05.2019 – Az.: 11 A 2627/18 – Rz. 31 und Rz. 41 der Urteilsgründe - abrufbar jeweils unter: www.justiz.nrw.de/Entscheidungen - ; OVG NRW, Urteil vom 28.03.2019 – Az.: 11 A 1166/16 - ) ist der Gesichtspunkt der Übermöblierung des öffentlichen Verkehrsraums und die dadurch bedingte negative Beeinflussung (Verschandelung) des Ortsbildes eine tragende straßenrechtliche Erwägung, um die Anzahl von Alttextilien-Sammelcontainern auf öffentlichen Flächen zu begrenzen und Anträge auf Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis abzulehnen, wenn die durch Ratsbeschluss festgelegte Zahl an Standorten auf öffentlichen Flächen erreicht worden ist.

Eine Begrenzung der Anzahl der Standplätze für Alttextilien-Container kann nur auf straßenrechtliche Gründe gestützt werden. Es muss sich also um Gründe handeln, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen straßenrechtlichen Gründen gehören laut dem OVG NRW (Beschluss vom 03.12.2021 – 11 A 1958/20 – Rz. 50 der Beschlussgründe) insbesondere die Belange des Stadt- und Ortsbildes, um eine Verschandelung des Stadtbildes durch eine Vielzahl von Alltextilien-Container im Sinne eine sog. Übermöbilierung des öffentlichen Straßenraums zu vermeiden oder ein bestimmtes Straßen- und Platzbild zu schützen. Hierzu gehört auch eine Vermüllung und Verschmutzung zu vermeiden, die regelmäßig mit Abfall-Containerstandplätzen verbunden ist (so jedenfalls: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.12.2011 – OVG 1 B 66.10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –).

Für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung im Sinne des § 18 Abs. 2 StrWG NRW reicht es aus, wenn nur ein straßenrechtlich tragender Grund herangezogen wird (so: OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2021 – 11 A 1958/20 – Rz. 48 der Beschlussgründe; VG Minden, Urteil vom 28.03.2023 – 3 K 3164/19 - ; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.12.2011 – OVG 1 B 66.10 -). Diese Verschandelung des Straßen- und Stadtbildes besteht, weil insbesondere gewerbliche Alttextilien-Sammlungen mit Alttextilien-Containern gemäß den §§ 17, 18 KrWG für eine Vielzahl von gewerblichen Sammlern möglich sind, so dass ebenso eine Vielzahl von Alttextilien-Containern einer Vielzahl von gewerblichen Sammlern eine nicht mehr hinnehmbare Überfrachtung des Straßen- und Stadtbildes zur Folge hat. Der (angeblich) fehlende Bedarf für gewerbliche Alttextilien-Container ist allerdings kein tragender straßenrechtlicher Grund (so: VG Minden, Urteil vom 28.03.2023 – 3 K 3164/19 -). Auch die Verwaltungspraxis keine Sondernutzungserlaubnisse für gewerbliche Alttextilien-Container zu erteilen ist kein tragender Grund (so: VG Minden, Urteil vom 28.03.2023 – 3 K 3164/19 -).

Grundsätzlich sind auf der Grundlage der bislang ergangenen Rechtsprechung des OVG NRW folgende Eckpunkte zu beachten:

1. Wettbewerbsneutralität des öffentlichen Straßenrechts

Gemeinnützige Sammler dürfen nach dem OVG NRW (Urteil vom 13.05.2019 – Az.: 11 A 2627/18 – Rz. 33 der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.justiz.nrw.de - ) allerdings nicht bevorzugt werden, weil das öffentliche Straßenrecht bzw. Sondernutzungsrecht wirtschafts- und wettbewerbsneutral ist. Deshalb darf durch Ratsbeschluss nur allgemein die Anzahl der Standplätze für Alttextilien-Container auf öffentlichen Flächen bezogen auf das gesamte Stadtgebiet begrenzt werden. Dieses gilt auch für die Standplätze des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, weil die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in NRW und des OVG NRW die abfallrechtliche Pflichten- und Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bislang nicht anerkennt. Deshalb sind die Standplätze des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers allgemein in die Gesamtzahl „neutral“ einzubeziehen.

Gleichwohl ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 28.08.2014 – Az.: 2 BvR 2639/09 - ) zu berücksichtigen, dass das öffentlich-rechtliche Abfallentsorgungssystem des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nicht beeinträchtigt werden darf, denn Alttextilien aus privaten Haushaltungen unterliegen der Abfallentsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und dieser ist gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KrWG sogar verpflichtet, ab dem 01.01.2025 eine getrennte Erfassung von Alttextilien für private Haushaltungen vorzuhalten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zudem bereits mit Urteil vom 11.07.2017 (– Az.: 7 C 35.15 –) klargestellt, dass die Abfallentsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auch für Alttextilien aus privaten Haushaltungen besteht. Diese abfallgesetzliche Pflichten- und zugleich Sonderstellung setzt voraus, dass öffentliche Flächen für Alttextilien-Container durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger belegbar sein müssen (vgl. Queitsch, Abfallrecht 2024, S.26 ff.). Insoweit besteht – ebenso wie bei Altglas-Containern gemäß § 14 VerpackG – eine abfallgesetzlich vorgegebene Sonderstellung, die auch straßenrechtlich keine Ungleichbehandlung darstellt, denn eine abfallgesetzlich geregelte Sammlungspflicht für Abfälle ist mit einer freiwilligen gewerblichen oder gemeinnützigen Abfallsammlung nicht vergleichbar (vgl. hierzu: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 – bezogen auf Altglas-Container).

2. Standorte-Konzept ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung

Diese Entscheidung ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung, sondern muss durch Ratsbeschluss getroffen werden (so ausdrücklich: OVG NRW, Urteil vom 28.05.2021 – Az.: 11 A 390/19- Rz. 74 ff., und 84 ff.; VG Minden, Urteil vom 13.11.2018 – Az.: 1 K 364/18 – Rz. 41 der Urteilsgründe – abrufbar unter: www justiz.nrw.).

3. Begrenzung der Anzahl der Standorte und der Container pro Standplatz

Die Aufstellung von Alttextilien-Containern auf einer Fläche im öffentlichen Straßenraum stellt jedenfalls eine straßenrechtlich erlaubnispflichtige Sondernutzung dar (so: OVG NRW hat mit Beschluss vom 03.12.2021 (Az.: 11 A 1958/20 – abrufbar unter www.justiz.nrw.de/). Dabei ist es nicht Sinn und Zweck des Sondernutzungsregimes, den öffentlichen Straßenraum möglichst vollständig von Sondernutzungen freizuhalten, sondern lediglich, deren Vereinbarkeit mit anderen Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs zu prüfen (so: VG Minden, Urteil vom 28.03.2023 – 3 K 3164/19 - ; VG Köln, Urteil vom 15.11.2023 – 21 K 6744/19 - ). Zugleich hat OVG NRW (Urteil vom 03.12.2021 – 11 A 2110/20 -) bislang ein ausnahmsloses Verbot einer bestimmten Art von Sondernutzung oder jeglicher Sondernutzung als nicht zulässig erachtet (ebenso: VG Köln, Urteil vom 15.11.2023 – 21 K 6744/19 -). Der VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 21.04.2021 - Az.: 5 S 1996/19) nimmt insoweit einen völlig anderen Standpunkt ein. Hiernach ist es zulässig, die Aufstellung von Alttextilien-Containern generell zu versagen, und dieses mit dem Ziel zu begründen, Verschmutzungen an Containerstandplätzen durch sachwidrige Müllentsorgungen Dritter präventiv zu unterbinden, um dadurch Personal- und Kostenaufwand für die Entsorgung solcher Verschmutzungen durch Gemeindemitarbeiter zu vermeiden. Ebenso hat es das OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 08.12.2011 – OVG 1 B 66.10 -) aus diesem Grund als zulässig angesehen, generell die Erteilung von straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen abzulehnen.

Bislang hat das OVG NRW (Beschluss vom 03.12.2021 - Az.: 11 A 1958/20 – Rz. 63 der Beschlussgründe) lediglich zugestanden, dass sich ein Sondernutzungskonzept auch nur auf solche Standorte beschränken kann, für die bereits nachweisbar und aktenkundig eine Sondernutzungserlaubnis erteilt worden ist.

Ausgehend von der Wettbewerbsneutralität des Straßenrechts ist es – so das OVG NRW - nicht erforderlich, dass ein Sondernutzungskonzept freie Standorte vorhält, um einen Marktzugang für „neue“ Antragsteller“ zu ermöglichen.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass durch § 18 Abs. 1 StrWG NRW laut dem OVG NRW kein subjektives Recht eines gewerblichen oder gemeinnützigen Abfallsammlers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis begründet wird. Allerdings ist strikt zu beachten, dass auch eine Obergrenze pro Standplatz fixiert werden muss, d. h., dass pro Standplatz nur ein einziger Alttextilien-Container aufgestellt werden darf und nicht zwei Alttextilien-Container, weil anderenfalls ein anderweitiger gewerblicher oder gemeinnütziger Sammler einen Anspruch auf Belegung des Standplatzes mit einem zweiten Alttextilien-Container haben könnte (vgl. hierzu: VG Aachen, Urteil vom 23.09.2022 – 10 K 1259/19 -).

Az.: 25.0.2.1 qu

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