Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 293/2024 vom 03.04.2024

VG Aachen zum Kanalanschlussbeitrag und Erschließungsvertrag

Das VG Aachen hat mit Urteil vom 11.12.2023 (–7 K 426/21) entschieden, dass der Kanalanschlussbeitrag nicht nur für den konkreten Kanal vor dem einem einzelnen Grundstück, sondern für die gesamte Abwasseranlage einer Stadt bzw. Gemeinde erhoben wird. Gegenstand der Entscheidung war, dass der Erschließungsträger das veranlagte Grundstück verkauft hatte, bevor die Endabnahme des Kanalnetzes (mit einer Schlussrechnung) und Übergabe an die Stadt erfolgt war. Laut dem VG Aachen ist die Erhebung eines Kanalanschlussbeitrags nicht ausgeschlossen, auch wenn der Erschließungsträger die Kanalbaukosten über den Verkauf des Grundstücks refinanziert. Der Kläger sah darin eine doppelte Belastung mit den Kosten für die Errichtung des öffentlichen Kanalnetzes in dem konkreten Erschließungsgebiet. Dieses ist laut dem VG Aachen aber nicht der Fall, weil der Kanalanschlussbeitrag für die gesamte öffentliche Abwasseranlage erhoben wird und nicht nur für den konkreten Kanal vor dem einzelnen Grundstück. Der Kläger hatte nach der Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag den Erschließungsträger erfolgreich in Regress genommen, weil die öffentlichen Beiträge durch diesen in den Kaufpreis des Grundstücks einkalkuliert worden waren.

Grundsätzlich wird mit einem Erschließungsträger vertraglich vereinbart, dass einen Geldbetrag zusätzlich an die Stadt entrichtet werden muss, wenn die Beitragssumme nicht erreicht wird. In diesem Fall muss somit eine Beitragserhebung nicht mehr erfolgen. Das OVG NRW hat dieses Verfahren mit Urteil vom 27.06.2017 (– Az. 15 A 533/14 -) grundsätzlich bestätigt. Hintergrund hierfür ist, dass im Rahmen von Erschließungsverträgen regelmäßig auch der Bau des öffentlichen Kanalnetzes mit dem Erschließungsträger vereinbart wird. Der Erschließungsträger ist dann verpflichtet, dass gebaute öffentliche Kanalnetz kostenfrei der Stadt zu übertragen. Regelmäßig wickelt der Erschließungsträger dann die Kosten für das öffentliche Kanalnetz über den Baulandpreis ab. Die jeweilige Stadt erhebt auch keine Kanalanschlussbeiträge gemäß § 8 KAG NRW und betrachtet das Baulandgrundstück als beitragsfrei.

Rechtssystematisch wird der Kanalanschlussbeitrag nach § 8 KAG aber nicht für das konkrete Kanalnetz im Erschließungs- bzw. Neubaugebiet oder für den konkreten Kanal in der Straße im Neubaugebiet gezahlt, sondern es wird mit dem Kanalanschlussbeitrag der wirtschaftliche Vorteil für das Grundstück bezogen auf die Anschlussmöglichkeit an das gesamte öffentliche Kanalnetz bzw. die gesamte öffentliche Abwasseranlage abgegolten (so auch: OVG NRW, Urteil vom 27.06.2017 – Az. 15 A 533/14 – Rz. 88 der Urteilsgründe).

Gleichwohl wird in der Praxis das vorstehende Verfahren gewählt und es werden regelmäßig keine Kanalanschlussbeiträge durch die Stadt bzw. Gemeinde erhoben, weil die Grundstücke durch den Erschließungsträger beitragsfrei veräußert werden und anderenfalls die Grundstückseigentümer/Bauherren sich darauf berufen, dass sie das Grundstück beitragsfrei erworben haben.

Das OVG NRW führt in seinem Urteil vom 27.06.2017 – Az.: 15 A 553/14 – Rz. 86 ff.) lediglich aus, dass für den Erschließungsträger keine unangemessene Doppelbelastung entstehen darf. Hierzu wird durch das OVG NRW der Vorschlag unterbreitet, eine Ablösevereinbarung in Höhe des Kanalanschlussbeitrages für das Erschließungsgebiet zu schließen und dann eine Verrechnung mit den tatsächlichen Kanalbaukosten vorzunehmen. Dabei weist das OVG NRW ausdrücklich darauf hin, dass die tatsächlichen Kanalbaukosten auch höher sein können als der Kanalanschlussbeitrag für das Erschließungsgebiet und sich der Erschließungsträger zur Übernahme dieser höheren Herstellungskosten verpflichten kann, weil darin – so das OVG NRW - kein Verstoß gegen die Angemessenheit gesehen werden kann. Gleichzeitig führt das OVG NRW aus, dass die Überwälzung dieser tatsächlichen Mehrkosten auf den Erschließungsträger bedenkenfrei ist, um etwaige „Luxus-Erschließungsmaßnahmen“ zu Lasten der Stadt zu vermeiden, die wiederum bezogen auf die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen nicht beitragsfähig wären, weil nicht notwendige Maßnahmen nicht ansatzfähig sind (OVG NRW, Urteil vom 27.06.2017 – Az. 15 A 533/14 – Rz. 89 der Urteilsgründe).

Übersteigen die anerkannten Kosten für die Errichtung des öffentlichen Kanalnetzes die Höhe des satzungsgemäßen Kanalanschlussbeitrages, so hat der Erschließungsträger keinen Anspruch auf Erstattung der über die Höhe des Kanalanschlussbeitrages hinausgehenden Kosten gegen die Stadt, weil er diese Kosten über den Baulandpreis refinanziert.

Unterschreiten die Kosten für den tatsächlichen Kanalbau hingegen die Höhe des satzungsgemäßen Kanalanschlussbeitrages, so ist der Differenzbetrag mit Abwicklung des Vertrages nach Aufforderung durch die Stadt von dem Erschließungsträger an diese zu zahlen. Diese Vertragsregelung dient somit wiederum dem Ausgleich, wenn der Kanalanschlussbeitrag für das Erschließungsgebiet höher ist als die tatsächlichen Kanalbaukosten und die Stadt deshalb einen Ausgleichsbetrag erhält, weil sie bezogen auf das Erschließungsgebiet keine Kanalanschlussbeiträge mehr erheben wird. Dabei finanziert der Erschließungsträger auch in diesem Fall über den Baulandpreis die gezahlten Geldsummen, was nach dem OVG NRW nicht unangemessen ist, weil von vornherein auch vereinbart werden könnte, dass eine Geldsumme in der Höhe der Kanalanschlussbeiträge gezahlt wird und dann eine „Verrechnung“ mit den tatsächlichen Herstellungskosten für das Kanalnetz erfolgt.

Az.: 24.1.2.2 qu

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