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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 749/2001 vom 05.12.2001
VG Gelsenkirchen zum Anschluss- und Benutzungszwang bei Niederschlagswasser
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 19. Oktober 2001 (AZ: 15 K 3291/99) entschieden, daß ein Grundstückseigentümer keinen Anspruch auf Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang (ABZ) an die gemeindliche Abwasseranlage für das auf seinem Grundstück anfallende Niederschlagswasser (Regenwasser) hat, wenn dieses Grundstück vor dem 01.01.1996 an die gemeindliche Abwasseranlage angeschlossen worden ist.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin (ein Gewerbebetrieb) betreibt seit dem Jahr 1980 auf ihrem Grundstück ein Zentrallager. Das Grundstück wird im Trennsystem (Schmutzwasserkanal und Regenwasserkanal) entwässert. Das Niederschlagswasser wird über Regenwasserkanal abgeleitet. Nach der Einführung der getrennten Regenwassergebühr zum 01. Januar 1997 erhöhte sich zu zahlende Entwässerungsgebühr für das Einleiten von Niederschlagswasser in die gemeindliche Abwasseranlage von 20.000,-- DM jährlich auf über 200.000,-- DM jährlich. Deshalb beantragte die Klägerin bei der beklagten Gemeinde, daß Niederschlagswasser von dem Gewerbegrundstück auf diesem Grundstück selbst zu entsorgen und über ein zu errichtendes Regenrückhaltebecken in einen Fluß zu leiten. Insoweit wurde ein Antrag auf Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang für das Niederschlagswasser von der gemeindlichen Abwasseranlage gestellt. Diesen Antrag lehnte die beklagte Gemeinde ab.
Das VG Gelsenkirchen kommt zu dem Ergebnis, daß ein Befreiungsanspruch für den klagenden Gewerbebetrieb in bezug auf die Ableitung des Niederschlagswassers in die gemeindliche Abwasseranlage nicht besteht. Das Landeswassergesetz enthalte eindeutige Regelungen zur Abwasserbeseitigungspflicht. Diese landesrechtlichen Vorschriften könne die Gemeinde weder wirksam aufheben noch abändern. Allein der Stadt obliege die Beseitigung des Abwassers, welches nach der Begriffsbestimmung des § 51 Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz auch das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser) umfasse. Die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde sei auch nicht auf den gewerblichen Betrieb übertragen worden (§ 53 Abs.5 LWG NRW). Deshalb habe die Stadt zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht (§ 53 Abs. 1 LWG NRW) durch Satzung den Anschluß- und Benutzungszwang an ihre Abwasseranlage festzulegen, weil das Landeswassergesetz keine Regelung zur Überlassungspflicht hinsichtlich des Abwassers enthalte. Mit einer Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang würde die Stadt daher gegen die von ihr zu erfüllende Abwasserbeseitigungspflicht verstoßen.
Etwas anderes so das VG Gelsenkirchen -ergebe sich auch nicht aus der Regelung zur ortsnahen Regenwasserbeseitigung in § 51 a Landeswassergesetz NRW. Diese Vorschrift greife nur für solche Grundstücke ein, die nach dem 01.01.1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden. Die Übertragung der Pflicht zur Beseitigung von Niederschlagswasser, sofern es ortsnah ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit entsorgt werden könne, gelte damit nicht für das Grundstück der Klägerin, denn dieses Grundstück sei bereits 1980 erstmals bebaut worden. Auch das Hinzuerwerben und Bebauen von Grundstücken durch die Klägerin nach dem Stichtag (1.1.1996) ändere hieran nichts, weil die hinzu erworbenen Flurstücke als Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden würden und deshalb einer einheitlichen rechtlichen Betrachtung unterliegen würden. Außerdem ergebe sich zusätzlich aus § 51 a Abs. 4 Satz 1 Landeswassergesetz NRW, daß eine ortsnahe Regenwasserbeseitigung nach § 51 a Abs. 1 Landeswassergesetz NRW nicht in Betracht komme, wenn das Grundstück bereits vor dem 1.1.1996 an einen Regenwasserkanal angeschlossen war, was hier der Fall sei. Mit der vorhandenen Trennkanalisation (Schmutzwasserkanal und Regenwasserkanal) sei insoweit das gesetzgeberische Ziel, aus wasserwirtschaftlichen Gründen die Vermischung von Niederschlagswasser mit Schmutzwasser zu vermeiden, schon verwirklicht.
Das VG Gelsenkirchen folgt auch der Auffassung der Klägerin nicht, für die Zeit vor dem 01.01.1996 müsse eine Befreiungsmöglichkeit eingeräumt werden. Das VG Gelsenkirchen führt dazu ausdrücklich aus, daß die Stichtagsregelung in § 51 a Abs. 1 Landeswassergesetz NRW im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigungspflicht zu sehen sei, deren Inhalt und Umfang von der Gemeinde nicht in freier Entscheidung abgeändert werden könne. Der Landesgesetzgeber habe mit der Formulierung in § 51 a Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz NRW "nach dem 01. Januar 1996 erstmals bebaut" allein eine auf künftige Entwicklungen abgestellte Regelung treffen wollen, die damit zugleich die bei der Gesetzesänderung vorgefundenen Verhältnisse unverändert lassen wollte. Die Neuregelung des § 51 a LWG NRW habe den wirtschaftlichen Betrieb der Kanalisation als öffentliche Einrichtung und eine sachgerechte Gebührenerhebung nicht in Frage stellen wollen (vgl. hierzu auch Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zu § 51 a LWG, Landtags-Drs. 11/7653, S. 187). Auch hieraus werde deutlich, daß keine Möglichkeit zur Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht bezüglich der in der Vergangenheit angeschlossenen Grundstücke eingeräumt werden sollte.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin: Das VG Gelsenkirchen hat zutreffend entschieden, daß kein Anspruch darauf besteht, vom Anschluß- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser von privaten Grundstücken freigestellt zu werden, wenn diese bereits vor dem 01.01.1996 an die gemeindliche Abwasseranlage angeschlossen waren. Dieses ist sachgerecht, zumal der Landesgesetzgeber mit der Regelung in § 51 a Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz NRW und dem dort verankerten Stichtag (01.01.1996) die Problematik rückwirkender Regelungen vermeiden wollte. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde und der Tatsache, daß Schäden an Bauwerken nicht ausgeschlossen werden können, wenn das Regenwasser auf einem privaten Grundstück zunächst über Kanäle abgeleitet wird und dann nachträglich vom Kanal abgekoppelt und auf dem Grundstück versickert wird, zumal regelmäßig die bautechnischen Planungen der Bauwerke (auch auf den Nachbargrundstücken) nicht darauf ausgerichtet gewesen sind, daß eine ortsnahe Regenwasserbeseitigung auf den privaten Grundstücken erfolgt. Sofern eine Gemeinde - was sie nach dem VG Gelsenkirchen allerdings nicht kann - hier eine Befreiung vom Anschluß und Benutzungszwang an die gemeindliche Abwasseranlage für das Niederschlagswasser aussprechen würde und es zu Schäden an Gebäuden kommt, so wäre grundsätzlich die Plattform für eine Amtshaftung der Gemeinde nach Art. 34 GG, 839 BGB wegen Verletzung der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde gegeben. Vor diesem Hintergrund hat der Landesgesetzgeber die Stichtagsregelung in § 51 a Abs. 1 Landeswassergesetz NRW (1.1.1996) eingeführt, um Haftungsfolgen für die Gemeinden auszuschließen.
Az.: II/2 24-16