Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 420/2014 vom 18.06.2014

VG Koblenz zu Wohnanlage für Behinderte und Nachbarrechten

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 08.05.2014 (Az.: 1 K 1104/13.KO) zur gemeindlichen Bauleitplanung und Nachbarrechten Stellung genommen. Dem Urteil zufolge müssen Nachbarn den Anblick und die Lebensäußerungen behinderter Menschen hinnehmen. Das VG Koblenz hat im zugrunde liegenden Sachverhalt eine geplante Wohnanlage für Behinderte in einem Bebauungsplan als nicht nachbarrechtsverletzend eingestuft.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Sachverhalt bezweckte die Planung, eine von behinderten Menschen selbstbestimmte Wohngemeinschaft anzusiedeln. Auf Antrag eines privaten Unternehmens erteilte der zuständige Landkreis (Mayen-Koblenz) im vereinfachten Genehmigungsverfahren drei Baugenehmigungen zur Errichtung von jeweils einem Wohnhaus zu diesem Zweck. Außerdem genehmigte er ein Servicegebäude mit Bistro, Räumen für ambulante Angebote, Kurzzeitpflege und Verwaltung.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohngebäudes, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu der geplanten Wohnanlage befindet. Gegen alle vier Baugenehmigungen erhob sie Widerspruch und nach der Durchführung verschiedener vorläufiger Rechtschutzverfahren, die alle ohne Erfolg blieben, Untätigkeitsklage. Das VG wies die Klage ab.

Entscheidung

Das VG hat unter Hinweis auf die Ausführungen in den vorangegangenen Entscheidungen im vorläufigen Rechtschutzverfahren festgestellt, dass die Baugenehmigungen keine subjektiven Rechte der Klägerin verletzten. So seien insbesondere die Vorschriften über die Gebietsart nicht missachtet worden und die drei Wohnhäuser und das Bistrogebäude seien auch nicht rücksichtslos. Denn Nachbarn müssten den Anblick und die Lebensäußerungen behinderter Menschen hinnehmen, heißt es in der Urteilsbegründung.

Es seien auch keine erheblichen Verkehrsstörungen zu erwarten. Aufgrund der Entfernung und Größe der Gebäude geht von diesem keine erdrückende Wirkung auf die benachbarten Wohnhäuser aus. Letztlich verstieß die Genehmigung auch nicht zum Nachteil der Klägerin gegen Bestimmungen zum Brandschutz, denn die Wohnhäuser wurden im vereinfachten Genehmigungsverfahren zugelassen, so dass die Vorschriften des Brandschutzes nicht geprüft wurden.

Anmerkung

Das VG Koblenz hat mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt, dass Lebensäußerungen behinderter Menschen nicht als „Belästigung“ verstanden werden dürfen und aus baurechtlicher Sicht regelmäßig als sozialadäquat eingestuft werden können. Mit Blick auf die potenzielle Verletzung von Nachbarrechten gilt im Übrigen, dass Genehmigungen Dritter nur dann mit Erfolg angegriffen werden können, wenn sie nicht nur rechtswidrig sind, sondern dabei auch die Rechte der jeweils Klagenden verletzt sind. Eine solche Rechtsverletzung wird dann angenommen, wenn sich die Rechtswidrigkeit der jeweils erteilten Genehmigung oder die Baurechtswidrigkeit des betroffenen Zustands aus einer Verletzung einer Norm ergibt, die auch die Rechte des Nachbarn schützt. Insofern ist in der Praxis grundsätzlich eine Einzelfallprüfung durchzuführen.

Az.: II gr-ko

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