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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 694/2003 vom 13.08.2003
VG Koblenz zur Gewerbeabfallverordnung
Das VG Koblenz hat mit Beschluss vom 10. Juli 2003 (Az: 7 L 1460/03-KO) zu der Frage entschieden, ob bei der Zuweisung einer Pflicht-Restmülltonne nach § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung eine sofortige Vollziehung angeordnet werden kann. Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Landkreis in Rheinland-Pfalz hatte auf der Grundlage des § 7 Satz 4 Gewerbeabfallverordnung einem Gewerbebetrieb eine Pflicht-Restmülltonne zugewiesen und die sofortige Vollziehung der Zuweisungsverfügung angeordnet. Hiergegen hatte der Gewerbebetrieb beim Verwaltungsgericht Koblenz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches beantragt. Das VG Koblenz gab diesem Antrag statt, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zuweisungsverfügung nicht hinreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden war. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO habe die Behörde – so das VG Koblenz - in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht sollte unter anderem der Behörde den Ausnahmecharakter einer Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Augen führen und sie veranlassen, sorgfältig zu prüfen, ob es tatsächlich erforderlich sei, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen den Verwaltungsakt durch Anordnung der sofortigen Vollziehung auszuschließen. Ausgehend hiervon müsse die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür enthalten, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig sei und das Interesse des Betroffenen zurücktreten müsse, zunächst von den Folgen des von ihm angefochtenen Verwaltungsaktes betroffen zu sein. Nicht ausreichend seien danach bloß formelhafte Begründungen wie etwa, dass „die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse liege“. Ebenso wenig genüge es , dass das Vollzugsinteresse nur unter Wiedergabe des Wortlautes der Ermächtigungsnorm für den Verwaltungsakt begründet werde, ohne auf die Besonderheiten des Einzelfalles einzugehen, oder die Behörde sich lediglich auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes oder generell auf dessen Begründung beziehe (zum Ganzen statt vieler etwa Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 18 Rz. 84 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
In dem zu entscheidenden Fall genügte nach dem VG Koblenz die Begründung der sofortigen Vollziehung der Zuweisungsverfügung für die Pflicht-Restmülltonne diesen Anforderungen nicht. Der Landkreis habe zur Begründung der sofortigen Vollziehung lediglich ausgeführt, dass diese im öffentlichen Interesse und zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit angeordnet werde. Weiterhin sei durch den Landkreis nur ausgeführt worden, dass eine ordnungsgemäße Entsorgung der Restabfälle nicht gewährleistet sei, wenn ein Widerspruch gegen die Zuweisungsverfügung zur Benutzung einer Pflicht-Restmülltonne aufschiebende Wirkung entfalte und die Anordnung der sofortigen Vollziehung außerdem der Begehung von Ordnungswidrigkeiten vorbeuge, weil die Nichtnutzung von Abfallbehältern gemäß § 11 Nr. 9 Gewerbeabfallverordnung eine Ordnungswidrigkeit sei. Bei dieser Begründung – so das VG Koblenz fehle es – an jeglicher Auseinandersetzung mit dem konkreten Einzelfall. Denn die erstgenannte vom Landkreis aufgezeigte Folgewirkung – nämlich, dass möglicherweise bestehende, aber noch nicht unanfechtbar festgestellten Pflichten zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung während der Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht erfüllt werden – trete letztlich bei jeglicher Einlegung eines Rechtsbehelfes gegen eine Verfügung ein, mit der Handlungspflichten auf dem Gebiet des Abfallrechts begründet werden sollten. Gleiches gelte letztlich für die Möglichkeit der Verwirklichung eines der zahlreichen abfallrechtlichen Ordnungswidrigkeitentatbestände. Im übrigen werde nicht dargelegt, wo die besondere Gefährlichkeit für die Umwelt liege, wenn die Abfälle des Gewerbebetriebes weiter so wie bislang entsorgt würden. Denn es handele sich lediglich um Abfälle mit der Abfallschlüssel-Nummer 18 01 04 (Abfälle aus dem Medizinbereich, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden wie z.B. Wund- und Gipsverbände) sowie gewerbliche Siedlungsabfälle, d.h. Stoffen ohne erkennbare besondere Gefährlichkeit für die Umwelt, die zudem vom Gewerbebetrieb in einer Müllverbrennungsanlage thermisch verwertet würden. Vor diesem Hintergrund könne deshalb die Anordnung der sofortigen Vollziehung mangels hinreichender Begründung keinen Bestand haben.
Auch bei der Interessenabwägung, ob das private Interesse (des Gewerbebetriebes) an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen die Zuweisungsverfügung zur Benutzung einer Pflicht-Restmülltonne das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiegt, kommt das VG Koblenz zu dem Ergebnis, dass bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache erhobenen Widerspruches nicht hinreichend zu beurteilen seien. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Folgen der Entscheidung wäre dem Interesse des Antragstellers der Vorzug zu geben. Während nämlich ein besonderes Umweltgefährdungspotential weder aus der Natur der streitgegenständlichen Stoffe noch aus der derzeit praktizierten Verwertung im Rahmen der Müllverbrennung erkennbar sei, erlitte der Gewerbebetrieb (Antragsteller) im Falle einer Belastung mit den angeordneten Handlungspflichten für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens Nachteile – etwa das Aufstellen von immerhin fünf Containern auf dem Einrichtungsgelände sowie deren Benutzung, welche im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf folgendes hin: Das VG Koblenz hat sich in seinem Beschluss vom 10. Juli 2003 (Az.: 7 L 1460/03 KO) inhaltlich überhaupt nicht mit der Gewerbeabfall-Verordnung auseinandergesetzt.. Es ist z.B. nicht überprüft worden, ob und inwieweit der betroffene Gewerbebetrieb die Anforderungen der Gewerbeabfallverordnung zur Getrennthaltung von Abfällen ordnungsgemäß eingehalten hat (z.B. §§ 3, 4 und 6 Gewerbeabfallverordnung) und ob eine Scheinverwertung von Abfällen vorlag. Kern des Beschlusses des VG Koblenz ist lediglich, dass die sofortige Vollziehung der Zuweisungsverfügung nicht ordnungsgemäß begründet worden war und im übrigen das Gericht eine bloße Interessenabwägung dahin vorgenommen hat, welche Rechtsfolgen sich für den Gewerbebetrieb ergeben, wenn der Sofortvollzug der Zuweisungsverfügung nicht aufgehoben wird. In diesem Zusammenhang hat das VG Koblenz lediglich die kostenmäßigen Folgen aus der Gebührenpflicht für die Benutzung von Pflicht-Restmülltonnen nach § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung zum Anlass genommen, die sofortige Vollziehung der Zuweisungsverfügung aufzuheben. Dabei war auch ein entscheidender Gesichtspunkt, dass der Gewerbebetrieb seine Abfälle in einer Müllverbrennungsanlage entsorgte, so dass eine Umweltgefährdung - vordergründig betrachtet - nicht zu befürchten stand. Eine solche Art der Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik durch ein Gericht greift sicherlich zu kurz und wird dem Anspruch der Gewerbeabfall-Verordnung nicht gerecht, weil es gerade nicht darum geht, dass ein Gewerbebetrieb irgendwie und irgendwo seine Abfälle entsorgt. Insgesamt kann daraus nur die Empfehlung abgeleitet werden, bei einer Zuweisungsverfügung für eine Pflicht-Restmülltonne sorgfältig zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung tragfähig begründet werden kann. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, im Vorfeld detailliert zu prüfen, ob der Gewerbebetrieb die Maßgaben der Gewerbeabfallverordnung zur Getrennthaltung von Abfällen einhält. Hierbei sollten die unteren Abfallwirtschaftsbehörden eingeschaltet werden, auf deren Verlangen der Abfallbesitzer/-erzeuger von gewerblichen Siedlungs-abfällen verpflichtet ist, die Einhaltung der Maßgaben der Gewerbeabfallverordnung zur Getrennthaltung von Abfällen darzulegen. Hierdurch wird sich dann regelmäßig die Notwendigkeit der Benutzung der Pflicht-Restmülltonne oder die Erfüllung eines Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes nach § 11 GewAbfV ergeben, so dass ein Handlungs-Plattform eröffnet wird.
Az.: II/2 31-02 qu/g