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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 442/2020 vom 03.06.2020
VG Mainz: Gemeinde darf Vorkaufsrecht für Wohnbauland nicht zu bloßer Bevorratung ausüben
Die Ausübung eines Vorkaufsrechts für im Flächennutzungsplan ausgewiesene Wohnbauflächen ist zum Wohl der Allgemeinheit nur gerechtfertigt, wenn die Gemeinde alsbald weitere Schritte unternimmt, die zur Verwirklichung des Ziels, Wohnbauland bereit zu stellen, erforderlich sind. Dies hat das Verwaltungsgericht Mainz (VG Mainz) mit Urteil vom 06.05.2020 entschieden. Im Regelfall sei dafür die alsbaldige Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans geboten.
Der Kläger erwarb im vorliegenden Fall mit notariellem Kaufvertrag ein als Ackerland langfristig verpachtetes Grundstück, das mit einer Teilfläche im Bereich des Flächennutzungsplans als „Wohnbaufläche“ ausgewiesen ist. Die Gemeinde übte hinsichtlich der Teilfläche das Vorkaufsrecht „zum Zwecke der künftigen Entwicklung von Wohnbauflächen“ aus.
Mit der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die beklagte Gemeinde wolle das Teilgrundstück nur zur Bodenbevorratung erwerben. Die Realisierung eines Baugebiets im Grundstücksbereich sei erst in weiter Zukunft zu erwarten, aktuell habe die Beklagte gerade erst damit begonnen, ein anderes Baugebiet zu verwirklichen.
VG: Alsbaldige Schritte zur Bereitstellung von Wohnbauland erforderlich
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und hob den Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts auf. Die Gemeinde dürfe das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausüben, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertige. Werde das Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB auf einen Flächennutzungsplan gestützt, der Wohnbauflächen ausweise, müsse das Ziel der Schaffung von Flächen für den Wohnungsbau angestrebt werden. Dies setze auch in zeitlicher Hinsicht dem Vorkaufsrecht Grenzen: Die Gemeinde müsse alsbald diejenigen (weiteren) Schritte vornehmen, um die Bereitstellung von Wohnbauland auch zu verwirklichen. Im Regelfall werde dies die alsbaldige Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans gebieten.
Zeitlich bestimmbare Verwirklichungsschritte seien im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar, so das VG. Die Gemeinde, die aktuell bereits ein Baugebiet vermarkte, habe nicht festgelegt, welches der drei weiteren angedachten Bauerweiterungsgebiete sodann in welchem zeitlichen Rahmen und in welcher Reihenfolge einer Wohnbaunutzung zugeführt werden solle. Das Gebiet, in dem das Kaufgrundstück gelegen sei, solle nach Äußerungen kommunaler Vertreter erst im Nachgang zu einer anderen Fläche überplant werden. Die Planung einer Kreisverkehrsanlage, die auch der Erschließung des in Rede stehenden Baugebiets dienen könne, stelle keinen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang her. Sie sei in anderem sachlichen Zusammenhang angestoßen worden und für die alsbaldige Bereitstellung von Wohnbauland auch nicht zwingend.
Anmerkung des StGB NRW:
Die vorliegende Entscheidung des VG Mainz knüpft an die restriktive Rechtsprechung zum kommunalen Vorkaufsrecht an. Mit Beschluss vom 25.01.2010 hatte bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 4 B 53.09) festgestellt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB nur dann rechtfertigt, wenn damit Flächen für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollen und erkennbar ist, dass die Gemeinde alsbald diejenigen Schritte vornehmen wird, die erforderlich sind, um das städtebauliche Ziel zu verwirklichen. Es besteht demnach gerade im Falle des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 (Geltungsbereich eines F-Plans) weiterhin ein hohes Begründungserfordernis für die kommunale Praxis.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass es gerade angesichts des Bedarfs nach bezahlbaren Wohnungen in stark nachgefragten Kommunen geboten ist, das kommunale Vorkaufsrecht im BauGB zu stärken. Dabei muss i. S. der auf Forderungen des DStGB und des DST ergangenen Empfehlungen der Baulandkommission ein kommunales Vorkaufsrecht auch dann eingeführt werden, wenn auf einem zu veräußernden Grundstück ein städtebaulicher Missstand besteht (auch: Schrottimmobilien). Weiter ist es nötig, dass auch die Innenentwicklung als ein Gemeinwohlgrund anerkannt wird. Mit Blick auf § 25 BauGB sollte zudem geprüft werden, dass sich der Anwendungsbereich des Vorkaufsrechts zukünftig nicht nur auf unbebaute, sondern auch auf brachgefallene Grundstücke erstrecken kann.
Mit Blick auf die vom Bundesministerium des Inneren angekündigte Novelle des Städtebaurechts wird es darauf ankommen, die kommunale Handlungsoptionen im Sinne einer aktiven Baulandpolitik zu stärken. Die Mobilisierung von Bauland ist eine Schlüsselaufgabe. Diese erfordert in einem gewissen Rahmen auch eine Bevorratung von Grund und Boden, um zügig auf sich ändernde Rahmenbedingungen im Bereich des Wohnungsbaus reagieren zu können.
Az.: 20.1.1.3-001/002 jae