Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 283/2023 vom 26.04.2023

VG Minden zu gewerblichen Alttextilien-Containern

Das Verwaltungsgericht Minden hat mit Urteil vom 28.03.2023 (Az. 3 K 3164/19) entschieden, dass die Ablehnung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von gewerblichen Alttextilien-Containern auf öffentlichen Flächen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW), dann ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig ist, wenn diese auf Gründe gestützt wird, die keinen sachlichen Bezug zur Benutzung der öffentlichen Straße aufweisen. Zu diesen straßenrechtlichen Gründen können insbesondere zählen: ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrunds und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische und städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße wie etwa die Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraumes und damit der Schutz eines bestimmten Straßen- und Platzbildes (vgl. OVG NRW, Urteile vom 07.04.2017 – Az. 11 A 2068/14 -; vom 13.05.2019 – Az. 11 A 2627/18 und vom 28.05.2021 – Az. 11 A 390/19 -). Die gewerbliche Sammlerin (Klägerin) hatte beantragt auf 19 öffentlichen Flächen, auf denen bereits Altglas-Container stehen, auch jeweils einen gewerblichen Alttextilien-Container aufzustellen. Dieses ist straßenrechtlich eine Sondernutzung, die einer Erlaubnis bedarf (so: OVG NRW, Urteil vom 13.05.2019 – 11 A 2627/18 -).

Das VG Minden hat die beklagte Gemeinde verpflichtet, über den Antrag neu zu bescheiden und weist insbesondere darauf hin, dass der fehlende Bedarf an gewerblichen Altkleidercontainern im Stadtgebiet kein Ablehnungsgrund ist, der einen sachlichen Bezug zur Straße aufweist. Denn aus der Perspektive der öffentlichen Straße sei es zunächst unerheblich, ob und in welchem Umfang der jeweilige Altkleidercontainer des gewerblichen Sammlers tatsächlich genutzt werde (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 03.02.2021 – Az. 1 A 308/19 -; OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.05.2017 – Az. 7 LC 85/15-; VG Aachen, Urteil vom 23.09.2022 – Az. 10 K 233/20-). Es ist – so das VG Minden – nicht der Sinn und Zweck des straßenrechtlichen Sondernutzungsregimes, den öffentlichen Straßenraum möglichst vollständig von Sondernutzungen freizuhalten, sondern lediglich deren Vereinbarkeit mit anderen Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs zu prüfen. Schließlich hat das VG Minden auch die Argumentation der beklagten Gemeinde nicht gelten lassen, dass eine Verwaltungspraxis bestehe, wonach für die Aufstellung von gewerblichen Altkleidercontainern keine Sondernutzungserlaubnisse erteilt würden, zumal auch andere Aufstellungsorte (z. B. auf privaten Grundstücken) möglich seien. Denn eine solche Verwaltungspraxis muss – so das VG Minden – ihrerseits auf ermessensgerechten straßenrechtlichen Erwägungen beruhen. Dabei müsse auch beachtet werden, dass § 18 StrWG NRW ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt regele, so dass Sondernutzungen von öffentlichen Flächen an sich nicht grundsätzlich verboten, sondern lediglich von einer Kontrollerlaubnis abhängig seien (vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.11.2011 – Az. 11 A 2325/10).

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Auf der Grundlage der bislang ergangenen, straßenrechtlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2021 – Az.: 11 A 1958/29 OVG NRW, Urteil vom 28.05.2021 – Az.: 11 A 390/19- Rz. 74 ff., und 84 ff.; OVG NRW, Urteil vom 13.05.2019 – Az.: 11 A 2627/18 – Rz. 31 und Rz. 41 der Urteilsgründe - abrufbar jeweils unter: www.justiz.nrw.de/Entscheidungen - ; OVG NRW, Urteil vom 28.03.2019 – Az.: 11 A 1166/16 - ) ist der Gesichtspunkt der Übermöblierung des öffentlichen Verkehrsraums und die dadurch bedingte negative Beeinflussung (Verschandelung) des Ortsbildes ein tragender und allein ausreichender, straßenrechtlicher Grund, um die Anzahl von Alttextilien-Sammelcontainern auf öffentlichen Flächen zu begrenzen und Anträge auf Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis abzulehnen, wenn in einem durch Ratsbeschluss festgelegten Standortkonzept die festgelegte Anzahl an Standorten auf öffentlichen Flächen erreicht worden ist (so: OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2021 – 11 A 1958/20 – Rz. 48 der Beschlussgründe).  Die Entscheidung über die Anzahl der Standorte (das Standortkonzept) ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung, sondern muss durch Ratsbeschluss getroffen werden (so: OVG NRW, Urteil vom 28.05.2021 – Az.: 11 A 390/19- Rz. 74 ff., und 84 ff.; VG Minden, Urteil vom 13.11.2018 – Az.: 1 K 364/18 – Rz. 41 der Urteilsgründe – abrufbar unter: www justiz.nrw.de). Wichtig ist, dass auch eine Obergrenze pro Standplatz fixiert werden muss, d. h. dass pro Standplatz nur ein einziger Alttextilien-Container aufgestellt werden darf und nicht zwei Alttextilien-Container, weil anderenfalls ein anderweitiger gewerblicher oder gemeinnütziger Sammler einen Anspruch auf Belegung des Standplatzes mit einem zweiten Alttextilien-Container haben könnte (vgl. hierzu: VG Aachen, Urteil vom 23.09.2022 – 10 K 1259/19 - ). Gemeinnützige Sammler dürfen nach dem OVG NRW (Urteil vom 13.05.2019 – Az.: 11 A 2627/18 – Rz. 33 der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.justiz.nrw.de - ) nicht bevorzugt werden, weil das öffentliche Straßenrecht bzw. Sondernutzungsrecht wirtschafts- und wettbewerbsneutral ist. Deshalb darf durch Ratsbeschluss nur allgemein die Anzahl der Standplätze für Alttextilien-Container auf öffentlichen Flächen bezogen auf das gesamte Stadtgebiet begrenzt werden.

Ein Standortkonzept kann sich – so das OVG NRW (Beschluss vom 03.12.2021 (Az.: 11 A 1958/20 – Rz. 63 des Beschlussgründe) - auch nur auf solche Standorte beschränken, für die bereits eine Sondernutzungserlaubnis erteilt worden ist. Ausgehend von der Wettbewerbsneutralität des Straßenrechts ist es nicht erforderlich, dass ein Sondernutzungskonzept freie Standorte vorhält, um einen Marktzugang für „neue“ Antragsteller“ zu ermöglichen. Insbesondere wird durch § 18 Abs. 1 StrWG NRW – so das OVG NRW - kein subjektives Recht eines gewerblichen oder gemeinnützigen Abfallsammlers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis begründet. Insbesondere besteht kein Anspruch darauf, die einem Dritten bereits erteilte Erlaubnis zu widerrufen. Deshalb müssen durch ein Sondernutzungskonzept nicht mehr Standorte für Alttextilien-Container auf Flächen im öffentlichen Verkehrsraum vorgesehen werden, sondern es kann auch nur auf die Standplätze abgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Standortkonzept bereits vorhanden sind. Deshalb müssen auf der Grundlage eines Standortkonzeptes keine (zusätzlichen) freien Standort vorgehalten werden oder eine Neuverteilung von Standplätzen vorgenommen werden. Dennoch hat das OVG NRW (Beschluss vom 03.12.2021 - Az.: 11 A 1958/20 -) zugleich vorgegeben, dass für alle Standplätze aktenmäßig die Erteilung von straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen durch die Stadt bzw. Gemeinde dokumentiert sein muss. Mündlich erteilte Sondernutzungserlaubnisse reichen nicht aus.

Bedauerlich ist, dass die straßenrechtliche Rechtsprechung bislang die abfallrechtlichen Pflichten der Städte und Gemeinden als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 11.07.2017 (– Az.: 7 C 35.15 –) ausdrücklich klargestellt, dass die Sammlung von Alttextilien zur Abfallentsorgungspflicht einer Stadt/Gemeinde gehört (§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 1 KrWG i. V. m. § 5 Abs. 6 LKrWG NRW), weil es sich bei den Alttextilien um Abfälle aus privaten Haushaltungen handelt. Weiterhin ist in dem seit dem 29.10.2020 geänderten Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes (KrWG = Bundesabfallgesetz; BGBl. I 2020, S. 2232 ff.) in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KrWG ausdrücklich die Pflicht der Stadt/Gemeinde und Kreise als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger bundesgesetzlich verankert worden, Alttextilien im Rahmen der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung getrennt sammeln und einer Verwertung zuführen zu müssen. Diese Pflicht gilt ab dem 01.01.2025 (§ 20 Abs. 2 Satz 2 KrWG), so dass bis dahin ein einsatzbereites Erfassungssystem im Rahmen der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung geschaffen sein muss. Vor diesem Hintergrund muss auch diese abfallrechtliche Pflichtenstellung im öffentlichen Straßenrecht Berücksichtigung finden, weil Städte und Gemeinden ebenfalls öffentliche Flächen benötigen, um Alttextilien-Container aufstellen zu können, weil sie anderenfalls ihre hoheitlichen Aufgaben im Bereich der Abfallentsorgung gesetzeskonform nicht erfüllen können, was der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 28.08.2014 – Az.: 2 BvR 2639/09) zum Schutz des öffentlichen-rechtlichen Abfallentsorgungssystems nicht entsprechen würde.

Az.: 25.0.2.1 qu

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