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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 231/2023 vom 24.03.2023
VG Minden zum Rollen von Abfallgefäßen
Das Verwaltungsgericht Minden (VG Minden) hat mit Beschluss vom 19.01.2023 (Az. 11 L 794/22) einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Gegenstand war die Anordnung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (hier: der Gemeinde) die befüllten Abfallgefäße zu einem ca. 130 m vom Grundstück entfernten Entleerungsort zu rollen, weil nur an dieser Stelle das Müllfahrzeug ohne Rückwärtsfahren und ohne Wendemanöver die Abfallgefäße anfahren konnte.
Das VG Minden lehnte den Antrag ab, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 11 K 3202/22 gegen die Anordnung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wieder herzustellen, weil das Rollen der befüllten Abfallgefäße zu dem bestimmten Entleerungsort und das Zurückholen der entleerten Gefäße auf das Grundstück bei einer Entfernung des Grundstücks zum Sammelplatz von 120 bis 130 m zumutbar sei. Dabei gibt – so das VG Minden - keine starre Grenze dahin, dass eine Transportstrecke, die länger als 100 m ist, bereits als unzumutbar anzusehen ist. Vielmehr sei stets die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dafür entscheidend, welche Transportstrecke zum Bereitstellungsort noch als zumutbar angesehen werden könne (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.02.2022 – Az. 5 MB 42/21).
Ein Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen ist – so das VG Minden – aus straßenverkehrs- und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften nicht möglich, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass andere Verkehrsteilnehmer, aber auch sonstige Dritte – z. B. spielende Kinder oder aus den Grundstücken heraustretende Personen – Schaden nehmen. Beim Rückwärtsfahren und Rangieren von Müllfahrzeugen können – so das VG Minden - Personen erfasst, überrollt oder zwischen dem Fahrzeug und Hindernissen eingequetscht werden, was zu schweren und tödlichen Verletzungen führen kann. Gefährdet seien vor allem Radfahrer, Kinder sowie ältere und behinderte Personen, aber auch die Beschäftigten des Entsorgungsunternehmens.
Das Rückwärtsfahren und das Zurücksetzen von Abfallsammelfahrzeugen stelle derart gefährliche Verkehrsvorgänge dar, so dass sie nach Möglichkeit zu vermeiden seien. Insoweit könne auch dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (Stadt, Gemeinde bzw. den beauftragten Dritten wie z. B. einem privaten Abfallentsorgungsunternehmen) nicht abverlangt werden, gegen Unfallverhütungsvorschriften zu verstoßen und damit Unfälle in Kauf zu nehmen oder dadurch rechtliche Risiken mit nicht abschätzbaren Folgen auf sich zu nehmen (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 29.10.2018 – Az. 20 ZB 18.957 und vom 23.03.2015 – Az. 20 ZB 15.319-; OVG Schleswig Holstein, Beschluss vom 09.12.2022 – Az. 5 MB 42.21-).
Da bei einem durch ein rückwärtsfahrendes Müllfahrzeug verursachten Unfall hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben geschädigt werden können, sei deshalb eine Sammelplatzzuweisung rechtmäßig. Nur in einem absoluten Ausnahmefall, nämlich dann, wenn das Rückwärtsfahren unvermeidlich sei, z. B. bei einem Unfall, bei zugeparkten Straßen und Wendeeinrichtungen oder kurzfristig eingerichteten Baustellen, sei dieses erlaubt (vgl. DGUV Information 214 – 033 „Sicherheitstechnische Anforderungen an Straßen und Fahrwege für die Sammlung von Abfällen“, September 2021, S. 23 und 28). Ein solcher unvorhersehbarer Ausnahmefall lag im entschiedenen Fall– so das VG Minden – nicht vor.
Sofern die Bereitstellung an dem festgelegten Sammelplatz aufgrund von persönlichen Befindlichkeiten wie Alter, Krankheit oder Ortsanwesenheit Schwierigkeiten bereiten sollte, sei der Betroffene notfalls gehalten, die Dienste Dritter in Anspruch zu nehmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.02.2022 – Az. 5 MB 42.21-). Insoweit sei weder die Stadt bzw. Gemeinde und auch nicht das von ihr beauftragte Abfallentsorgungsunternehmen verpflichtet „kräftige Müllwerker“ bereitzustellen, um eine Lösung zu Lasten aller anderen Abfallgebührenzahler anzubieten. Dem beauftragten Entsorgungsunternehmen sei es auch nicht zumutbar, am Ende der Straße zu wenden, wenn zugleich die Hoffläche oder die angrenzenden Felder genutzt werden, denn weder der Stadt bzw. Gemeinde noch dem beauftragten Entsorgungsunternehmen sei es selbst bei einer Zustimmung des jeweiligen Grundstückseigentümers zumutbar, sich einer Haftung für entstehende Schäden an der Hoffläche oder den angrenzenden Feldern auszusetzen.
Az.: 25.0.2.1 qu