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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 487/2018 vom 18.07.2018
Verwaltungsgericht Minden zu Dichtheitsprüfung I
Das VG Minden hat mit Urteil vom 28.06.2018 (Az. 9 K 1573/15) eine Klage abgewiesen, mit welcher die Kläger die Feststellung erreichen wollten, dass sie nicht verpflichtet sind, die Abwasser-Hausanschlussleitung ihres Grundstücks auf Dichtheit zu prüfen. Das Grundstück der Kläger lag im Wasserschutzgebiet der Zone III B und war im Jahr 1904 mit einem Wohnhaus bebaut worden. Im Rahmen einer für das Jahr 2014 geplanten Umgestaltung des Ortskerns und der Erneuerung der Straßenoberflächen untersuchte die beklagte Gemeinde die vorhandene öffentliche Mischwasserkanalisation und einen Teil der Anschlussleitungen und stellte dabei neben Schäden an den Leitungen einen teilweise deutlich erhöhten Fremdwasseranteil fest.
Zur Sanierung wollte die Gemeinde auf ein öffentliches Trennkanalsystem (Schmutzkanal und Regenkanal) umstellen, in dem neben dem vorhandenen und als Regenwasserkanal weiter genutzten bisherigen Mischwasserkanal jeweils ein neuer Schmutzwasserkanal verlegt wird. Im Hinblick darauf, dass die Umstellung auf ein öffentliches Trennkanalsystem auch eine Trennung der Anschlussleitungen auf den angeschlossenen Grundstücken notwendig machen würde, für die unter bestimmten Voraussetzungen Fördermittel des Landes NRW gewährt werden, beschloss die beklagte Gemeinde den Erlass einer Satzung über die Durchführung einer Zustand- und Funktionsprüfung (Dichtheitsprüfung) als eine der für eine Förderung zu erfüllenden Voraussetzungen.
Mit der am 12.06.2015 erhobenen Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass sie nicht zur Prüfung und Vorlage einer Bescheinigung verpflichtet sind. Dem ist das VG Minden nicht gefolgt. Zunächst weist das VG Minden darauf hin, dass in Ermangelung einer speziellen Zuständigkeitsregelung in der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz NRW für den Vollzug gemäß § 1 Abs. 3 Zuständigkeitsverordnung die Kreise und kreisfreien Städte als untere Umweltbehörden zuständig sind.
Deshalb könne die Rechtswirksamkeit der angegriffenen Satzung nicht mit einer Anfechtungsklage zwischen den Klägern und der beklagten Gemeinde geklärt werden, weil eine Anordnung zur Durchführung der Zustand- und Funktionsprüfung nicht erlassen worden sei und deshalb nur eine Feststellungsklage in Betracht komme, ob eine entsprechende, satzungsrechtliche Prüfpflicht für private Abwasserleitungen bestehe.
Nach dem VG Minden war der Landes-Verordnungsgeber berechtigt, die Selbstüberwachungsverordnung für öffentliche und private Abwasserleitungen vom 17.10.2013 (SüwVO Abw NRW) zu erlassen, die am 9.11.2013 in Kraft getreten war. Der Bundesgesetzgeber habe in § 61 Abs. 1 und Abs. 2 des Wasserhausgesetzes (WHG) die grundsätzliche Verpflichtung des Betreibers einer Abwasseranlage zur Selbstüberwachung festgelegt. Dabei fallen unter dem Begriff der Abwasseranlage auch private Abwasserleitungen auf privaten Grundstücken. Der Bundesgesetzgeber bzw. Bundesverordnungsgeber habe aber – so das VG Minden – bislang nicht von der Ermächtigung in § 61 Abs. 3 WHG Gebrauch gemacht, wonach durch eine konkretisierende Bundes-Rechtsverordnung die näheren Einzelheiten geregelt werden können.
In § 23 Abs. 3 WGH sei aber die Ermächtigung an die Landesregierung enthalten, durch Rechtsverordnung entsprechende konkretisierende Vorschriften zu erlassen, solange und soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung zum Erlass einer Bundes-Rechtsverordnung über die Überwachung von Abwasseranlagen bzw. Abwasserleitungen keinen Gebrauch macht. Von dieser Ermächtigung habe die Landesregierung Gebrauch gemacht, zumal der Bund keine abschließende Regelung treffen wollte, sondern den Ländern die Regelung des Überwachungsverfahrens überlassen wollte, was sich auch aus den Gesetzesmaterialien entnehmen lasse (vgl. BT-Drs. 16/12275, S.70; BT-Drs. 16/12786, S. 5). Die Ermächtigung der Landesregierung zum Erlass der SüwVO NRW 2013 folge damit aus § 61 Abs. 2 LWG a. F. (jetzt: § 59 Abs. 4 LWG n. F.).
Auch die von der Gemeinde erlassene Satzung auf der Grundlage des § 53 Abs. 1 e Satz 1 LWG NRW alte Fassung (jetzt: § 46 Abs. 2 Satz 1 LWG neue Fassung) ist – so das VG Minden – nicht zu beanstanden. Die Regelung der beklagten Gemeinde, wonach einheitlich für alle Grundstücke im Geltungsbereich der Satzung unabhängig von dem Jahr der Verlegung der privaten Abwasserleitungen eine Frist für die Prüfung und Vorlage der Bescheinigung bis zum 31.12.2015 festgelegt wurde, sei von der Regelungsbefugnis in § 53 Abs. 1 e Satz 1 LWG NRW a. F. (jetzt: § 46 Abs. 2 Satz 1 LWG n. F.) gedeckt.
Zwar weiche die satzungsrechtliche Regelung insoweit von der Selbstüberwachungsverordnung SüwVO Abw NRW ab, als in § 8 Abs. 3 SüwVO Abw NRW nur für häusliche Abwasserleitungen, die vor dem 01.01.1965 errichtet wurden, eine Frist bis zum 31.12.2015 festgelegt worden sei und für alle später verlegten Leitungen eine Frist bis zum 31.12.2020 eingeräumt werde. Der Gemeinde sei es aber durch § 8 Abs. 4 Satz 4 SüwVO Abw NRW zugestanden, dass sie die in der Verordnung gesetzten Fristen durch Satzung verkürzen könne. Denn die Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Satzung gelte nicht nur für den Erlass von Regelungen für Anschlussleitungen außerhalb von Wasserschutzgebieten, sondern auch für Leitungen innerhalb dieser Gebiete.
Die Gemeinde habe das ihr durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage eingeräumte Satzungsermessen (§ 53 Abs. 1 e Satz 1 Nr. 1 LWG a. F. - jetzt: § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a. F.) auch ordnungsgemäß ausgeübt. Sie habe im Aufstellungsverfahren schlüssig dargelegt, dass das Ergebnis der Voruntersuchung und die dabei festgestellte Fremdwasserproblematik in den konkret festgestellten Satzungsgebiet detaillierte Überprüfungen auch der privaten Abwasserleitungen unabhängig von ihrem Alter notwendig machen würden, um sachgerecht ein Fremdwassersanierungskonzept aufstellen und um die geplanten Sanierungsmaßnahmen umsetzen zu können. Diesem Ziel diene auch die in der Satzung festgelegte Frist zur Vorlage der Prüfbescheinigung mit der Zustandsdokumentation.
Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt die Satzung auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Publizitätsgebot. Zwar werde in der Satzung hinsichtlich der Zustand- und Funktionsprüfung auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik, namentlich die DIN 1987 Teil 30 und die DIN EN 1610 verwiesen. Diese DIN-Vorschriften habe der Landes-Verordnungsgeber aber in § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 4 SüwVO Abw NRW ausdrücklich benannt und damit bestimmt, dass diese DIN-Vorschriften die als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten sollen.
In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Rechtsprechung zur Publizität von DIN-Vorschriften weitaus überwiegend zur Bekanntmachung von Bebauungsplänen ergangen sei, in denen sich die Zulässigkeit bestimmter Bauvorhaben erst aus der Kombination der Festsetzung des Bebauungsplans mit den in Bezug genommenen DIN-Vorschriften ergebe. Der Regelungsgehalt der DIN-Vorschriften sei in diesen Fällen konstitutiv für das Recht, eine bauliche Anlage zu errichten. In der Selbstüberwachungsverordnung für öffentliche und private Abwasserleitungen NRW und der gemeindlichen Fristensatzung würden demnach die dort benannten DIN-Vorschriften lediglich die zu beachtenden allgemeinen anerkannten Regeln der Technik beschreiben.
Nach dem VG Minden ist es den Klägern auf der Grundlage der Regelung der Selbstüberwachungsverordnung für öffentliche und private Abwasserleitungen und der gemeindlichen Fristensatzung ohne Kenntnis der DIN-Vorschriften möglich zu erkennen, ob ihr Grundstück von der Verpflichtung zur Überprüfung betroffen sei. Sei dieses der Fall, könnten sich die Kläger an die Gemeinde wenden, um die näheren Einzelheiten zum Prüfverfahren zu erfahren.
Nach § 53 Abs. 1 e Satz 3 LWG a. F. (jetzt: § 46 Abs. 2 Satz 3 LWG n. F.) sei die Gemeinde sogar verpflichtet, die Grundstückseigentümer über ihre Pflichten nach den §§ 60 und 61 WHG zu unterrichten und zu beraten. Auch die beklagte Gemeinde biete in ihrer Fristensatzung ausdrücklich Hilfestellung durch Beratung und Unterrichtung an. Hierzu gehöre auch die Möglichkeit, bei ihr die DIN-Vorschriften einzusehen, ohne dass dies in der Satzung ausdrücklich geregelt werden müsste.
Az.: 24.1.1 qu