Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 896/2003 vom 20.11.2003

VG Minden zur Schätzung von zusätzlichen Wassermengen

Das VG Minden hat sich in einem Urteil vom 17. Juli 2003 (Az.: 9 K 2985/02) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Gemeinde berechtigt ist, die aus privaten Wasserversorgungsanlagen und nicht aus der öffentlichen Frischwasserversorgungsanlage entnommenen Wassermengen bei der Abwassergebühr durch Schätzung zu berücksichtigen, wenn die aus der privaten Wasserentsorgungsanlage entnommenen Wassermengen nicht durch einen zusätzlichen Wasserzähler ermittelt worden sind.

Das VG Minden kommt zu dem Ergebnis, dass eine Schätzung in diesem Fall zulässig ist. Das VG Minden weist darauf hin, dass für das Grundstück, für das Abwassergebühren erhoben wurden, 6 Personen mit Hauptwohnsitz und für das Jahr 2001 zusätzlich 3.386 Übernachtungen im Pensionsbetrieb zu verzeichnen waren. Aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage seien aber lediglich 216 cbm Frischwasser abgenommen worden. Nach den derzeit zugänglichen Zahlen (vgl. etwa die Übersicht zum Wasserge- und verbrauch unter www.Wasser.de) lag der durchschnittliche Wasserverbrauch (Wassergebrauch) im Jahr 1999 pro Person und Tag bei 126 Litern, also bei knapp 46 cbm im Jahr. Es spricht nach dem VG Minden viel dafür, dass der private Wasserverbrauch in den letzten Jahren weiter zurückgegangen ist, möglicherweise auch auf die von der beklagten Gemeinde nur zugrunde gelegten 40 cbm pro Person und Jahr. Damit aber hätten schon die 6 auf dem Grundstück gemeldeten Personen aus der Familie des Klägers vermutlich mehr Wasser verbraucht als die Abnahmemenge aus der öffentlichen Frischwasserversorgungsanlage von 216 cbm.

Keinesfalls könne das abgenommene Wasser aber auch für die 3.386 Übernachtungsgäste im Pensionsbetrieb des Klägers ausgereicht haben. Die Behauptung des Klägers, seine Gästeschaft unterscheide sich deutlich von der anderer Beherbergungsbetriebe, weil die Gäste während ihres Aufenthalts in seiner Pension lediglich etwa 35 Liter Wasser am Tag verbrauchten, ist nach dem VG Minden offensichtlich aus der Luft gegriffen und in keiner Weise nachvollziehbar. Aufgrund dieses Vortrags des Klägers sei das Gericht nicht gehalten, der Frage, ob dem Grundstück des Klägers zusätzlich Frischwasser aus einer privaten Quelle zugeführt wird, durch eine förmliche Beweisaufnahme nach zu gehen. Vielmehr sei ohne Weiteres davon auszugehen, dass eine private Wasserversorgungsanlage ohne (zusätzlichen) Wassermesser genutzt werde, mit der Folge, dass die beklagte Gemeinde berechtigt sei, die aus dieser Anlage zugeführten Wassermengen zu schätzen.

In diesem Zusammenhang stehe der beklagten Gemeinde ein Schätzungsspielraum zu, der, ähnlich einer Prognoseentscheidung, gerichtlich nur beschränkt überprüfbar sei. Das Gericht könne und müsse aber überprüfen, ob sich die Schätzung im Rahmen dessen halte, was der Schätzungsspielraum als rechtlich vertretbar zulasse.

Insoweit bestünden hier aber keine Bedenken. Nicht zu beanstanden sei zunächst, dass die beklagte Gemeinde ihrer Schätzung für jede auf dem Grundstück des Klägers mit Hauptwohnsitz gemeldete Person und für jeden - rechnerisch durch die Teilung der Übernachtungszahlen durch die Anzahl der Tage im Jahr ermittelten - „Dauergast“ einen durchschnittlichen Jahresverbrauch von 40 cbm zugrunde gelegt habe. Bei diesem Wert handele es sich nach den Angaben der beklagten Gemeinde um den durchschnittlichen (privaten) Wasserverbrauch jedes Einwohners in der Gemeinde. Dieser Wert sei nach den obigen Ausführungen, wonach 1999 der durchschnittliche private Wasserverbrauch bundesweit bei 126 Litern pro Person und Tag, also knapp 46 cbm pro Person und Jahr lag, nachvollziehbar und plausibel. Für die Schätzung des Verbrauchs der Familienmitglieder des Klägers müsse auch nicht gesondert berücksichtigt werden, dass von den 6 mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen eine Person ausbildungsbedingt überwiegend abwesend sei, zwei berufstätig seien und es sich bei der sechsten Person um ein Kind handele. Denn bei der herangezogenen Zahl von 40 cbm handele es sich um den durchschnittlichen privaten Trinkwasserverbrauch in der Gemeinde, also ein Mittelwert, in welchen Besonderheiten wie z.B. berufliche Abwesenheit und Alter der Verbraucher bereits eingeflossen seien. Derselbe Wert dürfe auch für die „Dauergäste“ des Hotels zugrunde gelegt werden. Das Gericht halte an den ursprünglich geäußerten Zweifeln, ob für Hotelgäste nicht ein niedrigerer Wert heranzuziehen sei, aus folgenden Gründen nicht fest:
Nach der oben zitierten Aufstellung zum durchschnittlichen Wasserverbrauch pro Person/Jahr entfielen vom durchschnittlichen Verbrauch (von 126 Litern) nur ca. 13 Liter auf solche Positionen, die für einen Hotelgast vermutlich herauszurechnen wären (Trinken, Kochen, Geschirrspüler, Autowäsche, Blumengießen, Gartenbewässerung), während die übrigen Verbrauchsstellen mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 113 Litern auch bei Hotelgästen anzusetzen seien. Ein täglicher Verbrauch von 113 Liter entspreche einem jährlichen Verbrauch von 41,245 cbm, der - ähnlich wie der übliche Wasserverbrauch in Privathaushalten - in den letzten Jahren noch etwas zurückgegangen sein dürfte.

Selbst wenn aufgrund der dargestellten Zahlen -durchschnittlicher Wasserverbrauch im Jahr 1999: 46 cbm, im Jahr 2001 (in der beklagten Gemeinde: 40 cbm) von einem Rückgang des privaten Wasserverbrauchs von 13 % ausgegangen werde, gebe es keine zwingenden Gründe dafür, einen Rückgang in dieser Höhe auch für den Hotelbereich anzunehmen. Denn es handele sich bei allen nur um geschätzte und angenäherte Werte, die auf Hotels nicht unmittelbar übertragbar seien. Überdies bestehe für Hotelgäste, denen der Wasserverbrauch nicht gesondert in Rechnung gestellt werde, kein Grund, mit dem zur Verfügung gestellten Wasser besonders sparsam umzugehen. Im übrigen würden die Berechnungen der beklagten Gemeinde durch die Angaben des Klägers getragen. Der Kläger habe angegeben, dass im Jahr 2001 3.386 Gäste in seinem Haus übernachtet hätten. Daraus würden sich ( 3396: 365 = ) 9,277 „Dauergäste“ errechnen, denen die 6 Personen aus der Familie des Klägers hinzurechnen seien (9,277 + 6 = 15,227). Für diese Personenzahl könne dann multipliziert mit den 40 cbm/Jahr der jährliche Frischwasserverbrauch berechnet werden, der bei der Berechnung der Abwassergebühren zugrunde gelegt werden könne.

Az.: II/2 24-21 qu/g

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