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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 672/2004 vom 18.08.2004
VG Minden zur Verwertung von benutzten Einwegwindeln
Das VG Minden hat mit Urteil vom 14.07.2004 (Az.: 3 K 2815/03, nicht rechtskräftig) entschieden, dass benutzte Einwegwindeln aus Altenheimen einer energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage in Bremen zugeführt werden können. Das in § 6 Abs. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zugrunde gelegte nationalrechtliche Kriteriums des Mindestheizwertes (11.000 kJ/kg) sei bei der Entscheidung der Frage, ob eine energetische Verwertung vorliege oder nicht, unbeachtlich, weil der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 13. Februar 2003 (Az.: C-228/00 und C 458/00) ausgeführt habe, dass eine energetische Verwertung bereits dann vorliege, wenn sog. Primärenergie eingespart werde. Die Ersetzung einer Primärenergiequelle (z.B. Öl. Gas Kohle) sei im zu entscheidenden Fall ausschließlich Hauptzeck der Verbrennung der Abfälle im Müllheizwerk Bremen. Es handele sich beim Müllheizwerk Bremen um ein Mischheizwerk. Sobald keine Abfälle mehr zur Verfügung stünden, müssten aufgrund der bestehenden Energie- und Fernwärmelieferungsverträge Kesselanlagen mit Primärenergie befeuert werden. Die vom Europäischen Gerichtshof insoweit geforderte qualifizierte Ersatzfunktion liege damit vor.
Die Geschäftstelle weist ergänzend auf folgendes hin:
Das Urteil des VG Minden ist nicht rechtskräftig. In Anknüpfung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urt. v. 13.02.2003 Az.: C 228/00 NVWZ 2003, S. 455; EuGH, Urt. v. 13.02.2003 Az.: C 458/00 -, NVWZ 2003, S. 457) hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes mit Urteil vom 22.08.2003 (Az.: 3 R 1/03 3 Q 71/01)) festgestellt, dass nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage nicht möglich ist und deshalb die Entsorgung von ölverschmierten Abfällen in einem Müllheizkraftwerk nur als Maßnahme der Abfallbeseitigung und nicht als Maßnahme der Abfallverwertung eingestuft werden kann. In gleicher Weise hat das VG Stuttgart mit Urteil vom 21.10.2003 (Az.: 13 K 4448/99) entschieden. In diesem Verfahren ist eine Drogeriemarkt-Filiale ohne Rückgriff auf die Gewerbeabfallverordnung verpflichtet worden, ein 120 l-Restmüllgefäß des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Benutzung zu nehmen, weil eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage durch das VG Stuttgart in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als unzulässig eingestuft worden ist.
Anders hat das VG Lüneburg mit Urteil vom 20.11.2003 (Az.: II A 118/02 Mitt. StGB NRW 2004, Nr. 434, S. 197) entschieden. Nach dem VG Lüneburg können benutzte Einwegwindeln (sog. Inkontinenzabfälle) in einem Müllheizkraftwerk in Bremen einer energetischen Verwertung zugeführt werden, weil 99 % der erzeugten Energie aus Abfällen stammen und von der in das Fernwärmenetz eingespeisten Wärmemenge 96 % aus dem Verbrennungsprozess des Müllheizkraftwerkes stammen würden. Zudem bestanden nach dem VG Lüneburg Wärmelieferungsverträge für das Müllheizkraftwerk. Das VG Minden folgt in seinem Urteil vom 14.07.2004 (Az.: 3 K 2815/03) offensichtlich dieser Rechtsprechungslinie des VG Lüneburg. Es ist aber hinzuzufügen, dass das Urteil des VG Lüneburg ebenfalls nicht rechtskräftig ist und dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zur Prüfung und Entscheidung unterbreitet worden ist.
Insgesamt steht die Rechtsprechung des VG Minden sowie des VG Lüneburg jedenfalls im Widerspruch zu den Urteilen des OVG des Saarlandes und des VG Stuttgart, wonach eine energetische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für unzulässig erklärt worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass das VG Lüneburg die von der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall mit Beschluss vom 24./25.09.2003 aufgestellten Kriterien nicht einer Überprüfung unterzogen hat. Zu diesen Kriterien gehört, dass der Einsatz von Primärenergiequellen in einer Müllverbrennungsanlage technisch möglich ist und bestehende Energielieferpflichten den Betrieb der konkreten Müllverbrennungsanlage mit Primärenergiequellen erfordern, so dass keine Abfälle zum Einsatz kommen. Das VG Lüneburg lässt insoweit das Vorliegen einer positiven Energiebilanz und das Bestehen eines Wärmelieferungsvertrages bereits ausreichen.
Insgesamt bleibt daher abzuwarten, ob das OVG in Münster das Urteil des VG Minden bestätigen wird.
Az.: Az.: II/2 31-02 qu/g