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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 443/1999 vom 05.07.1999
VGH Baden-Württemberg zur Abfallüberlassung
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluß vom 31. Mai 1999 (Az.: 10 S 2766/98) entschieden, daß ein Gaststättenbetrieb die in einem 1.100 Liter-Container gesammelten angeblichen "Abfälle zur Verwertung" als "Abfall zur Beseitigung" der Kommune als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger überlassen muß, weil er nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, daß es sich bei den gemischt gesammelten Abfällen um "Abfälle zur Verwertung" handelt.
Der Gaststättenbetrieb sammelte in einem 1.100 Liter-Behälter, der von einem privaten Entsorgungsunternehmen zur Verwertung abgefahren werden sollten, ein übel riechendes und feuchtes Abfallgemisch aus Zigarettenkippen und Zigarettenschachteln, verschmutzten Servietten, Papier, Kartonagen, Folien und Lebensmittelresten (z.B. Salatblätter, Eierschalen). Die abfallentsorgungspflichtige Kommune gab den Gaststättenbetrieb durch Ordnungsverfügung (§ 21 Abs. 1 KrW-/AbfG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG i.V. mit der Abfallentsorgungssatzung) auf, die in dem 1.100 Liter-Behälter gesammelten Abfälle als "Abfall zur Beseitigung" der kommunalen Entsorgungseinrichtung zu überlassen. Diese Verfügung erging, nachdem der Gaststättenbetrieb auch nach schriftlicher Aufforderung durch die abfallentsorgungspflichtige Kommune keine nachvollziehbare und schlüssige Erklärung dazu abgegeben hat, weshalb es sich bei den Abfällen in dem 1.100 Liter-Container um "Abfälle zur Verwertung" handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg weist ausdrücklich darauf hin, daß ein Abfallgemisch nicht schon deshalb "Abfall zur Verwertung" sei, weil der Abfallbesitzer dies aus seiner Sicht heraus meine. Entscheidend für die rechtliche Zuordnung eines Abfallgemisches sei vielmehr der objektive (Kontroll-)maßstab des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG. Danach liege eine stoffliche Verwertung im Rechtssinne nur, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise - unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen - der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Dabei kommt es auf eine konkrete Betrachtungsweise in Ansehung des Abfallgemisches an. Bei der stofflichen Abfallverwertung steht damit die Nutzung des Abfalls im Vordergrund. Davon kann nach dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nur gesprochen werden, wenn ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen aus den Eigenschaften des Abfall gezogen wird. Dies setzt voraus, daß bei der Entsorgungsmaßnahme die Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Materials zu einem bestimmten Zweck im Vordergrund steht und nicht die Beseitigung.
Ausgehend hiervon sah der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nicht die Voraussetzung als gegeben an, daß der Gaststättenbetrieb als Abfallbesitzer konkrete Verwertungsmaßnahmen benannt hat oder zumindest die Möglichkeit einer zeitnahen Verwertung schlüssig und nachvollziehbar aufgezeigt hat. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, daß der in dem 1.100 Liter-Behälter gesammelte Abfall kein "Abfall zur Verwertung" sei. Allein die Zusammensetzung des Abfalls des Gaststättenbetriebes und die von der Kommune hervorgehobene und durch Lichtbilder belegte Verschmutzung des Abfallgemisches sowie die Umstände des Abfalltransports - zusammen mit Abfall anderer Gewerbebetriebe - in einem komprimiertem Zustand durch eine Entsorgungsfirma spreche dafür, daß es sich um ein "Abfall zur Beseitigung" handele. Im übrigen fehlten konkrete Angaben dazu, wie bei dem Abfallgemisch Verunreinigungen, etwa durch Speisereste, von etwaigen verwertbaren Abfallbestandteilen getrennt werden sollen, so daß der Hauptzweck der Maßnahme typischerweise in der Beseitigung des Abfalls liege. Der Gaststättenbetrieb habe insoweit eine Verwertungsmaßnahme nicht nachvollziehbar bzw. plausibel gemacht. Deshalb steht bei Abfällen solcher Art (aus Hotel- und Gaststättenbetrieben) und vergleichbarer Kenntnislage nach dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg der Verdacht im Raum, daß die Verbringung außerhalb des Verbandsgebietes des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nur zu einer "Scheinverwertung" mit bloßer oberflächlicher Sortierung und anschließender kostengünstiger Ablagerung geschieht (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 13.01.1999 - 8 B 12627/98 - BA S. 13). Es obliegt hier so Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - allein dem Abfallbesitzer schlüssige und nachvollziehbare Erläuterungen dahingehend zu geben, daß es sich bei dem Abfallgemisch um "Abfall zur Verwertung" handelt. Derartige Erläuterungen habe der Gaststättenbetrieb bislang nicht gegeben. Er habe keine Fakten genannt, die nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise hauptsächlich auf eine Verwertung des bei ihm anfallenden Abfallgemisches hinweisen. Insoweit erinnert der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auch daran, daß der Gaststättenbetrieb unstreitig einen besonderen Behälter für DSD-Abfälle vorhält und auch andere Wertstoffe wie Papier, Kartonagen und Glas getrennt erfaßt. Die zweimalige behördliche Betriebsprüfung durch die Kommune deute darauf hin, daß das Abfallgemisch keine oder kaum Wertstoffe enthalte. Es sei daher z.Zt. nicht erkennbar, welcher stofflichen Verwertung ein üblich riechender und teilweise feuchtes Abfallgemisch aus Zigarettenkippen und -schachteln, verschmutzten Servietten, Papier, Kartonagen, Folien und Lebensmittelresten (z.B. Salatblätter, Eierschalen) zugeführt werden soll.
Die Geschäftsstelle weist darauf hin, daß dieser Beschluß des Verwaltungsgerichtes Baden-Württemberg zeigt, daß mit einer grundlegenden Aufklärung des Sachverhaltes auch Abfallüberlassungspflichten nach § 21 KrW-/AbfG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG in Verbindung mit der Abfallentsorgungssatzung bei Abfallbesitzern, die nicht private Haushaltungen sind (z.B. Industrie- und Gewerbebetriebe), durchgesetzt werden kann. Die Geschäftsstelle verweist insoweit nochmals auf ihre Empfehlungen in den Mitteilungen des NWStGB 1998, Nr. 677, S. 377 f.. Bezeichnend ist außerdem, daß eine grundlegende Aufklärung des Sachverhaltes durch die Gemeinde auch deshalb erforderlich ist, um zu vermeiden, daß ein Gericht eine Ordnungsverfügung nach § 21 KrW-/AbfG nicht bestätigt. In diesem Zusammenhang wird auf den Beschluß des OVG vom 18. September 1998 (Az.: 22 B 1856/98) verwiesen, in dem es ebenfalls um vermischte Gaststättenabfälle ging und das OVG NW die Verfügung zur Überlassung des Abfallgemisches des Gaststättenbetriebes nicht bestätigt hatte, weil die Gemeinde zuvor den Sachverhalt nicht grundlegend ausermittelt hatte.
Az.: II/2 31-02-7