Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 73/2016 vom 22.12.2015
VGH Bayern zum Abwehranspruch gegen Asylbewerberunterkunft
Der VGH Bayern hat sich mit Beschluss vom 21.08.2015 — Aktenzeichen 9 CE 15.1318 — mit der Frage befasst, ob es einen baurechtlichen Abwehranspruch gegen eine Asylbewerberunterkunft gibt. Dabei hat er entschieden, dass es im Allgemeinen nicht Aufgabe des öffentlichen Baurechts ist, soziale Konflikte — wie etwa Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern — zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern entstehen können. Solchen Belangen kann nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden.
Zwei Nachbarn begehren ein bauaufsichtliches Einschreiten der Behörde gegen eine Nutzung von zwei Wohnhäusern für die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Nachbarn fürchten, dass das Wohnverhalten der Asylbewerber nicht den mitteleuropäischen Gepflogenheiten entspricht und ihr Grundstück durch die Unterbringung ganz erheblich im Wert gemindert wird.
Der VGH Bayern sieht keine Beeinträchtigung von Nachbarinteressen. Durch die Nutzung als Asylbewerberunterkunft wird das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den Nachbarn nicht verletzt. Unerheblich ist, ob das Grundstück der Nachbarn durch die beabsichtigte Nutzung eine Wertminderung erfahren wird. Die im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots geforderte Interessenabwägung hat sich am Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten. Da jede — auch eine legale — Nachbarbebauung sich auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann, kommt einer Wertminderung allenfalls eine Indizwirkung für die Interessenabwägung zu. Ein Abwehranspruch kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ist (BVerwG, IBR 1997, 294).
Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Soweit dort auf Streitigkeiten zwischen den Asylbewerbern verwiesen wird, ist der erforderliche Grundstücksbezug weder vorgetragen noch ersichtlich. Die von der baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen sind nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige Belange sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern entstehen können. Solche Belange sind Gegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts.
Der VGH Bayern hat erkannt, dass das allgemeine Bauplanungsrecht keinen "Milieuschutz" gewährleisten kann und soll. Zudem handelt es sich bei Geräuschimmissionen wie zum Beispiel Gesprächen, Zurufen, Abspielen von Phonogeräten und Kochen bei offenem Fenster auch um in reinen oder allgemeinen Wohngebieten grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche.
Az.: II gr-ko