Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 297/2001 vom 05.05.2001

Vorrangflächen für Windenergieanlagen

Vor allem in Regierungsbezirk Münster gibt es derzeit große Probleme in bezug auf die Vorrangflächen für Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB). Im Regierungsbezirk Münster wurden die Vorrangflächen ganz bewußt im Gebietsentwicklungsplan (GEP) dargestellt. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bietet für solche Vorrangflächen zwei Möglichkeiten an: entweder Darstellung im GEP oder Darstellung durch die einzelnen Kommunen im gemeindlichen Flächennutzungsplan (FNP). Der Bezirksplanungsrat für den Regierungsbezirk Münster hat die GEP-Lösung u.a. deshalb gewählt, weil durch eine Gesamtlösung für den ganzen Regierungsbezirk eine systematischere Abstimmung möglich war, die nicht an den Gemeindegrenzen haltmachte.

Der Bezirksplanungsrat wollte entsprechend der Formulierung des § 35 abs. 3 Satz 3 BauGB erreichen, daß Windenergieanlagen außerhalb dieser Vorangflächen grundsätzlich nicht zulässig sind. Das damals für die Genehmigung des GEP zuständige Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft hat den GEP genehmigt, aber darauf hingewiesen, daß es Zweifel daran hat, ob durch die GEP-Vorrangflächen alle Windenergieanlagen außerhalb der Vorrangflächen grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Im neu gefaßten Windenergieerlaß vom 03. Mai 2000 unter der Federführung des Ministeriums für Bauen und Wohnen (MinBl. 2000, S. 690) ist unter Nr. 2.2 folgendes geregelt:

In den Gebeitsentwicklungsplänen können regionale Ziele zur Förderung und Steuerung der Windenergienutzung oder für die landesplanerische Überprüfung von Darstellungen für die Windenergienutzung in Flächennutzungsplänen textlich und zeichnerisch festgelegt werden. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB können durch eine positive Standortausweisung in einem Plangebiet für Anlagen zur Nutzung von Windenergie die übrigen Flächen weitgehend freigehalten werden. Das Steuerungsinstrument der Postitivausweisung mit der damit in der Regel verbundenen Ausschlußwirkung bezieht sich nur auf raumbedeutsame Vorhaben. Ab einer Anzahl von drei Windenergieanlagen ist in der Regel von einem raumbedeutsamen Vorhaben auszugehen. Im Einzelfall kann auch bereits eine Windenergieanlage als raumbedeutsam eingestuft werden. Die Raumbedeutsamkeit kann sich dabei ergeben aus:

- dem besonderen Standort der Anlage (z.B. weithin sichtbare Kuppe eines Berges),

- den Auswirkungen der Anlage auf eine bestimmte, planerisch als Ziel gesicherte Raumfunktion (z.B. für den Fremdenverkehr) oder

<DIR>

- der Höhe der Anlage (größer als 100 m)."

</DIR>

Aus dieser Formulierung ist die Ansicht der Ministerien herauszulesen, daß durch die im GEP festgelegten Vorranggebiete für Windenergieanlagen nur die sog. raumbedeutsamen Anlagen außerhalb der Vorranggebiete im Regelfall ausgeschlossen sind. Zulässig wären nach dieser Rechtsansicht im gesamten gemeindlichen Außenbereich außerhalb der GEP-Vorrangflächen alle Windenergieanlagen, die nicht raumbedeutsam sind.

Als Folge dieser Formulierungen und Auslegungshinweise werden z.Zt. im Gebiet des Regierungsbezirks Münster auf breiter Front Baugesuche für Windenergieanlagen auch außerhalb der GEP-Vorrangflächen eingereicht. Die außerhalb dieser Vorrangflächen beantragten Windenergieanlagen bleiben knapp unter einer Gesamthöhe von 100 m, weil die Antragsteller die Ansicht vertreten, die Ausschlußwirkung der GEP-Vorrangflächen gelte für solche "kleineren" Windenergieanlagen nicht, weil sie nicht raumbedeutsam seien.

Der Städte- und Gemeindebund teilt diese Auslegung des § 35 Abs. 3 Satz 3 und des GEP Münster nicht und rät Gemeinden, die solche Anlagen außerhalb der GEP-Vorrangflächen ablehnen, sich wie folgt zu verhalten:

1. Grundsätzlich ergibt sich zwar aus der Natur eines GEP als Regionalplan, daß dort nur die regional bedeutsamen (raumbedeutsamen) Sachverhalte geregelt werden. Aus der besonderen Formulierung von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist aber zu entnehmen, daß sich ein Regionalplan bei der Ausweisung von Konzentrationsflächen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 nicht zwingend bloß auf die regional bedeutsamen Flächen und Anlagen beschränken muß. Satz 2 von § 35 Abs. 3 beschränkt sich auf "raumbedeutsame Vorhaben". Satz 3 tut dies aber ganz bewußt nicht. Er stellt vielmehr völlig gleichrangig zwei Instrumente zur Ausweisung von Konzentrationsflächen zur Verfügung, nämlich entweder die Darstellung im Flächennutzungsplan oder eine Ausweisung an anderer Stelle (hier: im Regionalplan, also im GEP). Durch diese eindeutige gesetzliche Regelung ist es den Verwaltungsbehörden untersagt, eine im GEP beschlossene umfassende Regelung für alle Windenergieanlagen nachträglich dahingehend umzudeuten, daß nur die sog. großen, raumbedeutsamen Windenergieanlagen von der Festlegung im GEP erfaßt worden seien.

2. Selbst wenn man den Rechtssaufsichtsbehörden das Recht zur nachträglichen einschränkenden Auslegung zwischen "raumbedeutsam" und "bloß örtlich bedeutsam" zugestehen wollte, hätte dies für den GEP des Regierungsbezirks Münster aus dem Jahr 1997 keine einschränkende Auswirkung. Der Bezirksplanungsrat, bestehend ausschließlich aus kommunal gewählten Vertretern, hat ausdrücklich festgelegt, daß alle Windenergieanlagen im Regierungsbezirk (mit Ausnahme der privilegierten Betriebsanlagen eines landwirtschaftlichen Betriebs im Außenbereich) als "raumbedeutsam" angesehen werden. Diese Festlegung durch den Bezirksplanungsrat ist gerade der Kernbereich der Zuständigkeit des Bezirksplanungsrats, in den die Ministerien nicht eingreifen dürfen. Es ist eine geradezu willkürliche Auslegung durch die Ministerien, im Nachhinein festzulegen, daß im allgemeinen nur ein Ensemble von drei Windenergieanlagen raumbedeutsam sei. Ebenso willkürlich ist der weitere Hinweis, daß im Einzelfall bereits auch eine "Windenergieanlage" als raumbedeutsam eingestuft werden könne, wenn sie eine Höhe von mehr als 100 m habe. Solche generalisierenden Festlegungen kann allenfalls der Gesetzgeber treffen, nicht aber Ministerien in einem Erlaß.

Die theoretische Annahme des Windenergieerlasses, daß in der Regel Anlagen bis zu einer Gesamthöhe von 100 m (höchste Höhe, die die Rotorblätter erreichen) nicht raumbedeutsam seien, führt in der Praxis zu nicht mehr tragbaren Ergebnissen. Das hat eine Ortsbesichtigung ergeben, die der Umweltausschuß des Städte- und Gemeindebunds Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner Sitzung vom 22.03.2001 durchgeführt hat. Besichtigt wurde eine Anlage mit einer Nabenhöhe von 67 m und einem Halbmesser der Rotorblätter von ca. 22 m, also einer Gesamthöhe von 89 m. Es ist außerordentlich lebensfremd, eine so große Anlage nicht als raumbedeutsam anzusehen. Wenn dies stimmen würde, könnten solche Anlagen in beliebiger Zahl außerhalb der Vorrangflächen des GEP aufgestellt werden.

3.Wir raten dazu, gegenüber Anträgen auf Baugenehmigung von Windenergieanlagen außerhalb der Konzentrationszonen des GEP wie folgt vorzugehen: Die Gemeinde sollte unter ausdrücklicher Berufung auf die umfassende Regelung im GEP jede Anlage außerhalb von Konzentrationszonen ablehnen und das nach § 35 und § 36 BauGB erforderliche Einvernehmen versagen. Diese Empfehlung geben wir auch für Anlagen mit einer Gesamthöhe unter 100 m.

4. Die unterschiedlichen Rechtsmeinungen machen es nach Ansicht der Geschäftsstelle dringend erforderlich, daß diejenigen Gemeinden, die die Vorrangflächen noch nicht durch Flächennutzungsplan geregelt haben, so rasch wie möglich ihren Flächennutzungsplan ändern und eine systematische Darstellung der Vorrangflächen nach § 35 abs. 3 Satz 3 BauGB in den FNP aufnehmen.

Die Geschäftsstelle hat auf die Problematik in einem umfangreichen Schnellbrief vom 04.04.2001 hingewiesen. Wir bitten, die Details diesem Schnellbrief zu entnehmen.

Az.: II

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