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StGB NRW-Mitteilung 35/1996 vom 20.01.1996
Weiterbildungskonferenz NRW
Der Landtag hat durch Beschluß vom 25. April 1995 den Ausschuß für Schule und Weiterbildung beauftragt, jährlich, beginnend mit 1995, im Rahmen seiner Tätigkeit eine Weiterbildungskonferenz Nordrhein-Westfalen einzuberufen. In dieser sollen die bisherigen Entwicklungen bilanziert, eine Standortbestimmung auf der Basis aktueller Daten vorgenommen und Empfehlungen für die weitere Arbeit formuliert werden. Die erste Weiterbildungskonferenz hat am 22. November 1995 im Landtag Nordrhein-Westfalen stattgefunden.
Bei dieser Veranstaltung hat Referent Klaus Hebborn, Städtetag Nordrhein-Westfalen, für die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen die folgende Stellungnahme abgegeben:
1. Die kommunalen Spitzenverbände danken dem Landtagsausschuß für die Möglichkeit der Teilnahme und die Gelegenheit zur Abgabe eines eigenen Statements auf dieser 1. Weiterbildungskonferenz. Die Konferenz, die mit ihr verbundenen Zielsetzungen sowie deren jährliche Fortsetzung werden von uns begrüßt. Unser Dank gilt dem Gesprächskreis der Landesorganisationen für die Initiative zu dieser Konferenz.
2. Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung in Nordrhein-Westfalen ist seit jeher gemeinsame Aufgabe von Land und Kommunen. Das Weiterbildungsgesetz weist einerseits den Kommunen die Verpflichtung zur Herstellung einer ortsnahen Grundversorgung an Weiterbildung auf kommunaler Ebene, dem Land andererseits die Verpflichtung einer angemessenen Förderung der Weiterbildung zu. Wesentliches Ziel des Gesetzes war seinerzeit Weiterbildung als gleichberechtigten Bildungsbereich neben schulischer, beruflicher und Hochschulbildung in der Bildungslandschaft zu etablieren (sog. "vierte Säule"). Diese bildungspolitische Zielsetzung besteht fort. Sie ist angesichts der künftig noch zunehmenden Bedeutung von Weiterbildung, gerade in konjunkturell schwieriger Zeit, derzeit aktueller als je zuvor.
Ergänzt wird die gemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen in der Weiterbildung durch eine Vielzahl von Einrichtungen der allgemeinen, beruflichen, kulturellen und politischen Weiterbildung in anderer Trägerschaft. Diese Pluralität trägt zum Gesamtangebot an Weiterbildung maßgeblich bei und unterliegt von daher ebenfalls der öffentlichen Förderung. Sie hat aber auch ihre Kehrseite.
Die bestehende Vielfalt der Träger und Einrichtungen, die sich in den vergangenen zehn Jahren noch erhöht hat (535 Einrichtungen in 1994), führt nicht nur bei den Weiterbildungsinteressierten, sondern bei allen Beteiligten zu einer erheblichen Unübersichtlichkeit bzw. Intransparenz. Der Bedarf an Beratung in der Weiterbildung ist dabei in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Eine Reihe von Kommunen hat darauf mit der Einrichtung kommunaler Weiterbildungsberatungsstellen reagiert. Die Beratungsstellen erfüllen eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Weiterbildungsangebot und Weiterbildungsbedarf in Nordrhein-Westfalen.
3. Durch das Weiterbildungsgesetz ist in den letzten zwanzig Jahren eine weitgehend flächendeckende Infrastruktur an Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen geschaffen worden, die durch die kommunale Pflichtaufgabe zur Errichtung und zum Betrieb von Volkshochschulen als öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen, durch Einrichtungen in anderer Trägerschaft sowie durch die imGesetz verankerte Förderungsverpflichtung des Landes gesichert wird. Insbesondere die kommunalen Volkshochschulen gewährleisten durch eine Grundversorgung gem. § 13 WbG ein ortsnahes, gleichmäßiges und öffentlich zugängliches Angebot an Weiterbildung für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen.
Die kommunalen Spitzenverbände sind der Auffassung, daß sich die gemeinsame Verantwortung von Kommunen und Land in der Weiterbildung in der Vergangenheit bewährt hat. Sie treten für eine Fortsetzung dieser Partnerschaft auch in schwieriger Zeit ein. Das Weiterbildungsgesetz erfüllt in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion, indem es einen Ordnungsrahmen, die Grundversorgung und finanzielle Förderung der Weiterbildung gewährleistet.
Hinsichtlich einer bereits in der vergangenen Legislaturperiode diskutierten Novellierung des Weiterbildungsgesetzes vertreten die drei kommunalen Spitzenverbände teils gemeinsame, teils unterschiedliche Positionen:
Einigkeit besteht darin, das Weiterbildungsgesetz als Ordnungs- und Förderungsgesetz grundsätzlich zu erhalten. Festgehalten werden sollte ebenfalls an der kommunalen Pflichtaufgabe Weiterbildung mit ihren Elementen der Sicherung einer ortsnahen Grundversorgung und der Volkshochschule als zentrale öffentliche und demokratische Einrichtung der Weiterbildung. Die kommunalen Spitzenverbände treten ebenfalls gemeinsam für eine Überprüfung des Gesetzes im Hinblick auf Abschaffung der kommunalen Verpflichtung zur Weiterbildungsentwicklungsplanung bzw. Koordinierungsplanung sowie für Verfahrensvereinfachungen bei den Regelungen zu Fördervoraussetzungen und Förderungsverfahren ein.
Unterschiedliche Positionen bestehen zwischen den Verbänden hinsichtlich der Überprüfung der im Gesetz enthaltenen Personalstandards. Hierzu gibt es von seiten des Landkreistages Nordrhein-Westfalen sowie des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes weitergehende Vorschläge. Auf diese soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden: ggf. besteht hierzu Gelegenheit in der nachfolgenden Diskussion
Der Städtetag Nordrhein-Westfalen tritt für eine Beibehaltung der im Weiterbildungsgesetz geregelten Hauptamtlichkeit als wesentlichem Kriterium für Qualität und Kontinuität in der Weiterbildung ein und hält damit an der bisherigen Grundkonstruktion des Gesetzes fest.
4. Bei der finanziellen Lastenverteilung in der Weiterbildung hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund der bekannten Entwicklungen eine Verschiebung zuungunsten der Kommunen und der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen ergeben. Der Landesanteil an der Finanzierung der Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen hat sich, wie die vorab übermittelten Unterlagen ausweisen, seit Anfang der 80er Jahre prozentual stetig vermindert, so daß er heute nur noch 20 % der Gesamtaufwendungen ausmacht. Gleichzeitig hat sich insbesondere der kommunale Anteil auf mittlerweile rd. 50 % erhöht. Angesichts der sog. "Decklung" des Weiterbildungsetats im Landeshaushalt schreitet diese Entwicklung weiter fort. Ein Blick auf die Kostenverteilung bei der Finanzierung einer Unterrichtsstunde an einer Volkshochschule verdeutlicht dies sehr anschaulich: Von den durchschnittlichen Kosten einer Unterrichtsstunde in Höhe von 126 DM werden von seiten des Landes 32 DM, durch Teilnehmerbeiträge 30 DM und durch die Trägerkommune 64 DM aufgebracht.
Besonders problematisch erscheint die Entwicklung der Personalausgaben an Volkshochschulen, die zwischen 1981 und 1994 von 42,8 Mio. DM auf 91,4 Mio. DM gestiegen sind und sich damit mehr als verdoppelt haben. Die entsprechende Zunahme bei den anerkannten Einrichtungen in anderer Trägerschaft fällt dagegen nur etwa halb so groß aus (1981: 90,4 Mio. DM/1994: 146,1 Mio DM).
Ebenfalls problematisch ist die stetige Erhöhung der Teilnehmerentgelte, deren Anteil an den Gesamtaufwendungen inzwischen rd. ein Drittel beträgt. Bereits heute gerät durch diese Entwicklung die soziale Funktion der Volkshochschule, die als öffentliche Einrichtung jedermann zugänglich sein soll, in Gefahr.
5. Die kommunalen Spitzenverbände von Nordrhein-Westfalen fordern keine Erhöhung der Weiterbildungsförderung des Landes insgesamt. Eine solche Forderung paßte nicht in die politische Landschaft und hätte im übrigen vor dem Hintergrund der Haushaltsmisere keinerlei Chancen auf Realisierung. Wir gehen allerdings davon aus, daß die bisher im Landeshaushalt veranschlagten Mittel für Weiterbildung von insgesamt rd. 250 Mio. DM auch in Zukunft erhalten bleiben.
Ob die jetzt vorgesehene Überführung der Weiterbildungsmittel für die kommunalen Weiterbildung in das Gemeindefinanzierungsgesetz hierfür der richtige Weg oder nicht vielmehr der Einstieg in den Ausstieg des Landes aus der Weiterbildung ist, erscheint fraglich und bleibt abzuwarten.
Notwendig erscheint nach unserer Auffassung eine Diskussion über Schwerpunktsetzungen und Strukturveränderungen bei der Landesförderung in diesem Rahmen sowie über die zukünftige Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen in der Weiterbildung. Dies sollte nach unserer Auffassung ein Schwerpunkt der in Aussicht genommenen Evaluation sein.
Konkrete Eckpunkte einer solchen Diskussion könnten sein:
- Von den rd. 250 Mio. DM Landesförderung für Weiterbildung im Landeshaushalt erhalten die Kommunen für die Erfüllung der Pflichtaufgabe Weiterbildung gem. WbG etwa 90 Mio. DM. Angesichts der Bedeutung der Volkshochschulen für die Sicherstellung einer ortsnahen Grundversorgung mit Weiterbildung erscheint es notwendig, die Kommunen durch Umschichtungen im Landeshaushalt künftig zu stärken.
Umschichtungen sind beispielsweise durch Konzentration der Landesförderung auf Einrichtungen mit einer bestimmten Mindestgröße möglich. Die Kommunen befürworten ausdrücklich Pluralität in der Weiterbildung; die Entwicklung im letzten Jahrzehnt hat allerdings zu einer ausufernden Zahl bwz. Zersplitterung bei Trägern und Einrichtungen geführt. Nach unserer Kenntnis werden derzeit über 100 Kleinsteinrichtungen aus dem Landeshaushalt gefördert. Die Größe der förderungswürdigen Einrichtungen sollte sich nach unserer Auffassung künftig an der Größe der kleinsten Volkshochschule orientieren.
Ein weiteres Potential für Umschichtungen können ggf. Kosten für die Internatsunterbringung bei Weiterbildungsveranstaltungen darstellen. Hier könnte die Förderung auf die Unterrichtsstunden konzentriert werden. Übernachtungs- und Verpflegungskosten könnten ganz oder teilweise von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern übernommen werden. Hierdurch würde auch eine klare Priorität für eine ortsnahe Weiterbildung gesetzt.
- In der Frage der Absicherung von Hauptamtlichkeit in der Weiterbildung vertreten die kommunalen Spitzenverbände unterschiedliche Positionen:
Der Städtetag Nordrhein-Westfalen vertritt die Auffassung, daß die Hauptamtlichkeit wegen ihrer Bedeutung sowie angesichts der aufgezeigten Kostenentwicklung in diesem Bereich künftig stärker zu Lasten der Unterrichtsstunden gefördert werden sollte.
Landkreistag Nordrhein-Westfalen und Nordrhein-Westfälischer Städte- und Gemeindebund hingegen halten an der gegenwärtigen Förderungsstruktur fest.
- Angesichts der Bedeutung von Weiterbildung für die Struktur- und Zukunftsentwicklung sollte die bislang unter den verschiedenen Fachressorts der Landesregierung wenig abgestimmte und teilweise konkurrierende Weiterbildungsförderung künftig zu einer Weiterbildungspolitik des Landes gebündelt werden, um die knappen Ressourcen effizienter einsetzen zu können. Dies trifft insbesondere für die veranschlagten Ermessensmittel für Weiterbildung über die Landesmittel nach dem WbG hinaus zu. Diese Mittel sollten künftig bei dem federführenden Ministerium für Schule und Weiterbildung gebündelt werden.
- Die bestehende Unübersichtlichkeit in der Weiterbildung macht es erforderlich, der Weiterbildungsberatung künftig verstärkte Beachtung und Stellenwert zuzuweisen. Das Land sollte die Einrichtung von Informations- und Beratungszentren stärker als bisher unterstützen.
6. Zur Frage der Novellierung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes möchten wir an dieser Stelle keine Stellungnahme abgeben. Einigkeit besteht darin, eine baldige Novellierung mit dem Ziel größerer Rechtssicherheit und Klarheit anzustreben. Dabei sollte aber zunächst das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Sendler, Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes a. D., abgewartet werden.
Abschließend möchten wir unserer Hoffnung Ausdruck geben, daß die in Aussicht genommene Evaluation als offener Dialog zwischen allen Beteiligten gestaltet wird. Die kommunalen Spitzenverbände sind bereit, an diesem Dialog konstruktiv im Sinne der Weiterbildung in unserem Land mitzuwirken.
Az.: II/1 330-16