Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 157/2013 vom 31.01.2013
Winterdienstübertragung auf Geh- und Fußwegen
Mit Urteil vom 3. Dezember 2012, Az. 9 A 282/10, hat das Oberverwaltungsgericht NRW die satzungsrechtliche Winterdienstübertragung hinsichtlich eines Fußwegs, der eine innerörtliche Straße mit einem geschotterten sog. Rundwanderweg verbindet, wegen Unzumutbarkeit im konkreten Fall für unzulässig befunden. Der Fußweg ist etwa 50 m lang und in einer Breite von 1,50 m gepflastert.
Die Gemeinde hatte in ihrer Satzungsformulierung pauschal den Winterdienst für alle Gehwege übertragen. Das OVG hält die Auferlegung des Winterdienstes für diesen Weg unter Berücksichtigung der konkreten satzungsrechtlichen Anforderungen für unverhältnismäßig. Den Anliegern werde eine Räumpflicht auch zu Tageszeiten auferlegt, zu denen nicht ernstlich mit einer Benutzung des Wegs zu rechnen sei, weil dieser als reiner Spazierweg keine normale, d.h. sonstigen Wegen vergleichbare, Verkehrsfunktion habe und wegen des Fehlens einer Beleuchtung und des Vorhandenseins zahlreicher Stufen jedem vernünftigen Fußgänger klar sein müsse, dass dieser Weg für eine Benutzung bei Dunkelheit und winterlichen Verhältnissen nicht geeignet sei:
„Die im Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung, von der Möglichkeit, die Reinigung von Gehwegen zu übertragen, Gebrauch zu machen, hat - wie jedes staatliche Handeln - den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Rechnung zu tragen. Der Gedanke der Zumutbarkeit stellt gleichsam eine Art ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dar. Die Übertragung von Reinigungs- und Winterdienstpflichten erfordert daher eine sorgfältige Prüfung der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse. Eine solche Prüfung ist auch deswegen erforderlich, weil sich die Differenzierung zwischen bestimmten Gebieten und Straßen auch an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen muss.
Eine Unzumutbarkeit der Lastenübertragung und damit ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich auch dann ergeben, wenn der Umfang der Reinigungspflicht maßgeblich durch Umstände geprägt ist, die mit der normalen Erschließungsfunktion der Straße und einem darauf stattfindenden Verkehr nichts zu tun haben, so dass die Durchführung der Straßenreinigung eine vorwiegend im Allgemeininteresse liegende Aufgabe ist, hinter der die grundstücksbezogenen Interessen der Anlieger zurücktreten.
Bei dieser Sachlage kann kein potentieller Nutzer - soweit mit einer Benutzung durch Spaziergänger während der Dunkelheit überhaupt realistischerweise zu rechnen sein sollte - ernstlich erwarten, dass er diesen unbeleuchteten, wegen der zahlreichen Treppenstufen selbst ohne Schnee oder Eis nur unter Inkaufnahme einer gewissen Eigengefährdung zu benutzenden Treppenweg bereits morgens um 7.00 Uhr bei Dunkelheit geräumt vorfindet. Wenn die Beklagte gleichwohl ein Allgemeininteresse an der Sicherung dieses Treppenwegs während der dunklen Tagesstunden sieht, mag sie ihn durch eigene Kräfte räumen lassen. Den Anliegern erhebliche tatsächliche oder finanzielle Belastungen aufzuerlegen, ohne dass die den satzungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Erfüllung des Winterdienstes einem er-kennbaren legitimen Zweck dient, widerspricht aber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.“
Damit bestätigt das OVG die Rechtsauffassung der Geschäftsstelle, wonach die Zumutbarkeitsprüfung der Übertragungsregelung für jeden Gehweg und jede Straße gesondert erfolgen muss. Die Mustersatzung Straßenreinigung 2006 sieht aus diesem Grund vor, dass eine Kommune die Übertragung nicht pauschal vornimmt, sondern mittels einer Matrix im Straßenverzeichnis für jede Straße und jeden Gehweg eine Sonderentscheidung trifft.
Az.: III/1 642-33-4