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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 760/2006 vom 16.11.2006
Zehn Thesen zur Privatisierung der Abwasserbeseitigung
Anlässlich der gegenwärtigen Debatte um die Privatisierung der Abwasserbeseitigung hat der Ausschuss für Finanzen und Kommunalwirtschaft des DStGB auf seiner Sitzung am 26.11.2006 in Berlin Zehn Thesen zur Privatisierung der Abwasserbeseitigung beschlossen.
Das Thesenpapier wird im Folgenden wiedergegeben:
Zehn Thesen zur Privatisierung der Abwasserbeseitigung
Angesichts der gegenwärtigen Debatte um die Privatisierung der Abwasserbeseitigung stellt der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) Folgendes fest:
1. Die hoheitliche Organisation der Abwasserbeseitigung ist Ausfluss des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung und ein zentraler Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge im Sinne der Bürger.
2. Die kommunale Verantwortung bei der Abwasserbeseitigung in Deutschland hat sich bewährt. Sie wird flächendeckend in hoher Qualität und zu einem fairen Preis erbracht. 75 % bis 85 % der in die Gebühren einzurechnenden Gesamtkosten sind unveränderliche Fixkosten. Die Gewässerreinheit in Deutschland befindet sich schon jetzt auf einem auch im internationalen Vergleich hohen Niveau.
3. Es darf keinen Zwang zu Privatisierung geben! Privatisierungsentscheidungen sind immer Einzelfallentscheidungen vor Ort. Sie beruhen stets auf einer Abwägung unterschiedlichster örtlicher Faktoren und berücksichtigen insbesondere die zu erwartende Preisentwicklung für die Bürgerinnen und Bürger. Voll- und Teilprivatisierungen im Rahmen von Public Private Partnership sind daher im Zusammenhang mit Strukturveränderungen im Bereich der kommunalen Abwasserbeseitigung nur eine Möglichkeit und keinesfalls der Königsweg.
4. Mit der Privatisierung geht die Besteuerung der Abwasserbeseitigung einher. Dies hat nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesfinanzministeriums Gebührensteigerungen von bis zu 12,25 % und nach Berechnungen des Bayerischen kommunalen Prüfungsverbandes sogar bis zu 18 % zur Folge.
5. Um die effektiven und kostengünstigen Strukturen der kommunalen Abwasserbeseitigung in Deutschland zu erhalten, ist von einer (Umsatz-)Besteuerung abzusehen. Die mit einer Besteuerung der kommunalen Abwasserbeseitigung zwangsläufig verbundenen Gebührenerhöhungen sind den Bürgern nicht zuzumuten!
6. Eine gute Alternative zur Privatisierung ist die interkommunale Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden. Diese darf nicht behindert, sondern muss gefördert werden.
7. Insbesondere darf die interkommunale Zusammenarbeit nicht durch eine von den EU-Institutionen vorgegebene Ausschreibungspflicht ausgehöhlt werden. Folge dieser EU-Vorgaben ist ein faktischer Zwang zur Privatisierung kommunaler Aufgaben.
8. Zur weiteren Gewährleistung der interkommunalen Zusammenarbeit muss im EU-Recht dringend klargestellt werden, dass die reine Aufgabenübertragung funktional als Inhouse-Geschäft (Eigenleistung) anzusehen ist und damit eine dem Organisationsrecht der Städte und Gemeinden unterfallende Materie darstellt. Sie beinhaltet gerade keinen den EU-Vergaberichtlinien unterfallenden Beschaffungsvorgang.
9. Die steuerliche Einordnung der Abwasserbeseitigung ist aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation der Städte und Gemeinden im Vergleich zu privaten Wettbewerbern gerechtfertigt!
10. Die Städte und Gemeinden sind anders als private Wettbewerber gesetzlich dazu verpflichtet, die Abwasserbeseitigung für die Bürger dauerhaft zu gewährleisten auch dort, wo dies weniger lukrativ ist. Außerdem verfolgen die Städte und Gemeinden bei der Abwasserbeseitigung keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Gebühren dienen lediglich zur Deckung der bei der Abwasserbeseitigung entstehenden Kosten.
Az.: IV/1 920-05