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StGB NRW-Mitteilung 299/1996 vom 20.06.1996
Zuständigkeit der Gemeinden für Gefahrenabwehr im Wald
Das OVG NW hat mit Urteil vom 27. Februar 1996 (AZ: 5 A 2856192) entschieden, daß eine Gemeinde nicht befugt ist. gegen die Gefahr eines Umfallens einer Pappel auf einem Nachbargrundstück einzuschreiten, wenn auf diesem Nachbargrundstück Wald vorzufinden ist. In diesem Fall ist gern. 53 52, 53 Landesforstgesetz die Zuständigkeit der Forstbehörde oder der Forstbeauftragten nach Auffassung des OVG NW gegeben. Vor diesem Hintergrund hat das OVG einen auf 5s 59, 77 VwVG in Verbindung mit 5 11 Abs. 2 Nr. 7 Kostenordnung gestützten Kostenbescheid der Gemeinde gegen die Eigentümerin des bewaldeten Grundstückes aufgehoben. Mit diesem Kostenbescheid hatte die Gemeinde die Erstattung der Kosten geltend gemacht, die ihr durch die Beseitigung der umsturzgefährdeten Pappel entstanden waren.
Im einzelnen hat das OVG NW ausgeführt:
"Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; der angefochtene Leistungsbescheid ist rechtswidrig.
Der Bescheid kann nicht auf §§ 59, 77 VwVG i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 7 Kost0 gestützt werden. Kostenerstattungen nach dieser Vorschrift setzen eine rechtsmäßig durchgeführte oder veranlaßte Ersatzvornahme voraus. Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat ohne vorausgehenden, dem Pflichtigen das geforderte Verhalten aufgebenden Grundverwaltungsakt gehandelt, so daß nur eine Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzuges gemäß 9 55 Abs. 2 VwVG in Betracht kommt. Zulässig ist der Verwaltungszwang nach dieser Vorschrift nur, wenn er zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Beklagte war nicht befugt, gegen die Gefahr eines Umfallens der Pappel auf das Nachbargrundstück einzuschreiten. Gemäß $5 52,513 Landesforstgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980 (GV NW S. 546) - LForstG waren hierfür die Forstbehörden oder Forstbeauftragten zuständig. Nach 5 53 Abs. 1 LForstG obliegt der Forstschutz der Forstbehörde und den Forstbeauftragten. Forstschutz.im Sinne des LForstG umfaßt nach § 52, 3. Alternative LForstG u.a. die Aufgabe, "Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Wald" zu beseitigen. Hiernach kam der Forstbehörde die Kompetenz zu, als Sonderordnungsbehörde, wegen der Besorgnis, die schrägstehende Pappel könne auf das. Benachbarte Hausgrundstück fallen. einzuschreiten. Die Pappel war Teil einer ca. 2800 qm großen baumbestandenen Fläche, die als Wald im Sinne des § 2 BWaldG i. V. m. § 1 LForstG zu qualifizieren ist, wie das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts im einzelnen zutreffend dargelegt hat. Auf diese Ausführungen, die von den Beteiligten im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt worden sind, kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden 5 130 b VwGO).
Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Wald" nach 5 52 LForstG ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein darauf gerichtet, den Wald vor Schädigenden Einwirkungen zu schützen, sondern erfaßt auch andere Schutzgüter als den Wald und die seinen Funktionen dienenden Einrichtungen. Schon der Wortlaut spricht gegen das enge Verständnis des Beklagten, weil Schutzgut der 3. Alternative die Sicherheit "im Wald" und nicht "des Waldes" ist. Insbesondere steht aber die Systematik der Vorschrift der vom Beklagten vertretenen Auslegung entgegen. Träfe es zu, daß sich die 3. Alternative auf die Abwehr von Störungen für den Wald. beschränkt, hatte es dieser Alternative nicht
bedurft, weil bereits die 1. und 2. Alternative die Forstbehörde zum Einschreiten gegen "Gefahren, die dem Wald und den seinen Funktionen dienenden Einrichtungen
drohen", berechtigen.
Die 3. Alternative des 9 52 LForstG weist der Forstbehörde allerdings nicht die Beseitigung jedweder Störung der öffentlicher Sicherheit oder Ordnung zu, sondern nur solche Forstschutzmaßnahmen, die einen Bezug zum Wald haben, wie sich aus der einschränkenden Formulierung "im Wald" ergibt. Es dürfte insoweit zwar nicht genügen,
daß sich die Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung lediglich im Wald ereignet.
Vgl. Pierlow/Drees/Hochäuser, Forstrecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1982, § 52 LForstG Anm. 5; vgl. auch die Begründung der Landesregierung zur Erweiterung des 5 52 LForstG um Abs. 2: "Es besteht keine Alleinzuständigkeit der Forstbehörden im Wald" (LT-Drs. 11/8331, S. 24).
Welcher Art der Bezug zum Wald im einzelnen zu sein hat, bedarf jedoch anläßlich des vorliegenden Falles keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls sind Gefahren für sonstige Schutzgüter insoweit erfaßt, als die Gefahrenursache vom Wald selbst ausgeht. Denn nach der Intention des Landesforstgesetzes soll die Abwehr derartiger waldspezifischer Gefahren den hierfür besonders sachkundigen Forstbehörden obliegen. Geht die Gefahr vom Wald aus, ist es auch unerheblich, ob sich das zu schützende Gut im Wald oder - wie hier - auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück befindet. In beiden Fällen handelt es sich um eine waldspezifische Gefahr.
Die Aufgabenzuweisung nach § 52, 3. Alternative LforstG ist nicht auf die Beseitigung bereits eingetretener Störungen beschränkt, sondern erfaßt auch - entgegen dem insoweit mißverständlichen Wortlaut - die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Ein anderes Verständnis würde zu sinnwidrigen, vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnissen führen. So liegt es auf der Hand, daß die Forstbehörde nicht erst dann zu einschreiten befugt ist, wenn ein umgestürzter Baum Personen- oder Sachschäden verursacht hat, sondern bereits dann, wenn sie die drohende Gefahr erkannt hat, zumal in der Regel nicht das Erkennen einer eingetretenen Störung, sondern das frühzeitige Erkennen von Gefahren die besondere Sachkunde der Forstbehörde erfordert. Die einzelnen Alternativen der Aufgabenzuweisung nach § 52 LForstG stellen mithin nicht entscheidend auf die Differenzierung zwischen (drohenden) Gefahren und (eingetretenen) Störungen ab, sondern orientieren sich an den zu schützenden Gütern und waldspezifischen Gefahren.
Der Beklagte war auch nicht befugt, aufgrund einer außerordentlichen Zuständigkeit nach § 6 OBG die Befugnisse der Forstbehörde auszuüben. eine Notkompetenz nach dieser Vorschrift ist nur bei Gefahr im Verzug gegeben, wenn also ein rechtzeitiges Eingreifen der zuständigen Behörde zur Gefahrenabwehr nicht mehr möglich ist und ohne ein sofortiges Eingreifen der an sich zuständigen Stelle der Erfolg der notwendigen Maßnahmen erschwert oder vereitelt würde. Die Verwaltungsvorschrift zu § 6 OBG (6.11) weist zutreffend darauf hin. daß sich angesichts der heutigen umfassenden Möglichkeiten schneller und direkter Nachrichtenübertragung die Notwendigkeit, Befugnisse der an sich zuständigen Behörde im Rahmen der außerordentlichen Zuständigkeit auszuüben, bei einer sofortigen Unterrichtung der zuständigen Behörde in der Regel nicht ergeben wird.
Auch wenn im vorliegenden Fall unterstellt wird, daß ein Fällen des Baumes noch am 12. August 1991 notwendig war, bestehen kleine Anhaltspunkte für die Annahme, die Forstbehörde habe die erforderlichen Maßnahmen nicht selbst unverzüglich ergreifen können. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte auch nur den Versuch unternommen hätte, die Forstbehörde telefonisch zu informieren. Vielmehr hat der vor Ort anwesende Gärtnermeister lediglich mit der eigenen Stadtverwaltung telefonischen Kontakt aufgenommen.
Der Beklagte hat nicht darlegen können, warum ein Einschreiten der Forstbehörde nicht möglich gewesen sein sollte. Offenbar hat der bei Durchführung der erforderlichen Maßnahmen irrig angenommen, ihm stehe eine eigene originäre Eingriffskompetenz zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO. (3 708 Nr. 10,s 711, !j 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen ( § 132 Abs. 2 VwGO)."
Az.: IV/2 80-03 Mitt. NWStGB vom 20.6.1996