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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 521/1996 vom 05.11.1996
Zuweisungen des Landes an Gemeinden und Beteiligung der Gemeinden am Solidarbeitrag
Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund hat an die Mitglieder des Ausschusses für Kommunalpolitik des Landtages Nordrhein-Westfalen folgende Stellungnahme zum Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1997 und zur Regelung des interkommunalen Ausgleichs der finanziellen Beteiligung der Gemeinden am Solidarbeitrag zur Deutschen Einheit im Haushaltsjahr 1997 und zur Änderung anderer Vorschriften (Drucksache 12/1202) abgegeben:
I. Grundsätzliches
1. Katastrophale Verschlechterung der Kommunalfinanzen
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen stehen vor der größten finanziellen Herausforderung in der Nachkriegsgeschichte. Die in vielen Städten und Gemeinden bereits eingetretene krisenhafte Zuspitzung der kommunalen Finanznot gefährdet den Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung. Obwohl die Städte und Gemeinden seit Jahren einen harten Sparkurs fahren, den die Bürgerinnen und Bürger durch schmerzliche Leistungseinschränkungen im gesamten Aufgabenspektrum zu spüren bekommen, sieht sich eine große und wachsende Zahl von Städten und Gemeinden außerstande, die laufenden Personal-, Sach- und Sozialausgaben sowie den Schuldendienst aus laufenden Einnahmen zu decken. Dies ist dramatisch vor dem Hintergrund, daß das Finanzierungsdefizit im Jahr 1995 um rd. 2 Mrd DM auf insgesamt 4,4 Mrd DM angestiegen ist. Bereits heute kann jede zweite Gemeinde keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen und mehr als ein Viertel aller Gemeinden ist gezwungen, Haushaltssicherungskonzepte aufzustellen. Innerhalb des kommunalen Gesamthaushalts hat sich besonders die Situation der kommunalen Verwaltungshaushalte 1995 dramatisch zugespitzt. Ihre Defizite haben sich mit 3,9 Mrd DM (1994: 1,4 Mrd DM) fast verdreifacht.
Die Ursachen für die vehemente Zuspitzung der Kommunalfinanzen in den letzten Jahren sind im wesentlichen in
- den wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen - allein seit 1992 (11,6 Mrd DM) verloren die Gemeinden rd. 2 Mrd DM -,
- in der Stagnation bzw. rückläufigen Einnahmen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer - im Vergleich zu 1993 (11,2 Mrd DM) wird der kommunale Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer 1996 um rd. 500 Mio DM auf 10,7 Mrd DM zurückgehen -,
- dem gleichzeitig weiterhin ungebremsten Anstieg der Sozialausgaben, die sich seit 1982 (7,0 Mrd DM) mehr als verdoppelt haben (1995: 18,4 Mrd DM),
- den Solidarbeiträgen der Städte und Gemeinden zur Finanzierung der Deutschen Einheit (1996 knapp 2 Mrd DM und 1997 2,2 Mrd DM),
- den hohen und steigenden Belastungen aus der Kreisumlage,
- den besonderen kostenintensiven Anforderungen an Abwasserreinigung und Abfallbeseitigung und
- den massiven Zusatzbelastungen der Kommunen durch Bund und Länder ohne finanziellen Ausgleich, insbesondere der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz,
zu sehen.
2. Abwehr neuer Belastungen
Vor dem Hintergrund der alarmierenden Finanzlage der Kommunen und der Tatsache, daß die Anzahl der Kommunen ohne Haushaltsausgleich trotz Ausschöpfung aller Einsparpotentiale in den nächsten Jahren weiter drastisch zunehmen wird, sehen die Städte und Gemeinden mit ernsten Befürchtungen weitere Belastungen auf sich zukommen:
- Die weitere Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens, die zu einer massiven Umverteilung von Finanzmitteln führt, die einseitig zu Lasten des kreisangehörigen Raums geht, muß verhindert und die bisherige Umsetzung muß rückgängig gemacht werden. Es ist unverantwortlich, in Zeiten höchster Finanznot eine Umverteilung zugunsten der Großstädte zu forcieren.
- Falls die im Jahressteuergesetz 1997 vorgesehene Abschaffung der Vermögenssteuer umgesetzt werden sollte, wird der Druck auf das Land Nordrhein-Westfalen erhöht, zusätzliche Einschnitte im kommunalen Finanzausgleich vorzunehmen. Rein faktisch sind die Städte und Gemeinden nicht in der Lage, weitere Kürzungen zu verkraften.
- Die Städte und Gemeinden vermissen im übrigen im Jahressteuergesetz 1997 die erforderlichen Überlegungen für die dringend notwendige umfassende Gemeindefinanzreform. Die Städte und Gemeinden weisen darauf hin, daß eine Zustimmung zu dem im Jahressteuergesetz 1997 vorgesehenen Wegfall der Gewerbekapitalsteuer insbesondere wegen
-- der noch fehlenden verfassungsmäßigen Absicherung der Gewerbeertragsteuer,
-- der noch unzureichenden Höhe des gemeindlichen Umsatzsteueranteils sowie
-- der noch ungeklärten Auswirkungen auf das Umsatzsteueraufkommen der Länder
zur Zeit nicht in Frage kommen kann.
- Die Städte und Gemeinden können die geplanten Verschlechterungen im Zuge der Reform der Arbeitsförderung nicht hinnehmen, da sie zu einem weiteren nicht mehr verkraftbaren Anstieg der Sozialhilfe führen würden.
II. Eckdaten der Gemeindefinanzierung 1997
1. Auswirkungen des West-Ost-Transfers im Rahmen der Deutschen Einheit im Jahr 1997
Der Transferanteil des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Deutschen Einheit beläuft sich im Jahr 1997 auf 5,233 Mrd DM. Die Landesleistungen im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs (3,1 Mrd DM) sowie zum Fonds "Deutsche Einheit" (2,133 Mrd DM) werden - wie im Vorjahr - nicht von den Verbundgrundlagen abgezogen.
Hinsichtlich der kommunalen Refinanzierung des West-Ost-Transfers im Rahmen der Deutschen Einheit ist festzustellen, daß der Solidarbeitrag in Höhe von 2.197,86 Mio DM zu 57 % über die Gewerbesteuerumlage (1.262,00 Mio DM) und zu 43 % (935,90 Mio DM) als Vorwegabzug erbracht wird. Im Ergebnis läuft die überproportionale Gewerbesteuerumlagefinanzierung darauf hinaus, daß die Erbringung der Transferleistungen zunächst zu Lasten der Städte und Gemeinden geht, in denen sich die Wirtschaftstätigkeit und damit die Gewerbesteuer konzentriert. Die steuerstarken Städte und Gemeinden werden somit überproportional belastet.
Hervorzuheben ist weiter, daß die Praxis des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Heranziehung der Kommunen zur Finanzierung des West-Ost-Transfers der Überprüfung bedarf. So wird der Anteil der Gemeinden an den einigungsbedingten Lasten des Landes ohne Begründung von 43 v.H. auf 42 v.H. angepaßt. Im Vorjahr erfolgte eine Anpassung ebenfalls ohne Begründung von 44 v.H. auf 43 v.H. Unserer Auffassung nach setzt diese weitere Anpassung nachvollziehbare Neuberechnungen der Solidarpaktfolgen auf der Basis aktueller Steuer- und Finanzkraftzahlen für die alten und die neuen Länder voraus. Aus diesem Grund fordern wir, daß die offensichtlich veränderten Basisdaten für die Neuberechnung des kommunalen Finanzierungsbeitrages für den West-Ost-Transfer offengelegt werden. Ziel muß sein, daß die Städte und Gemeinden entsprechend unserer langjährigen Forderung nicht mehr überproportional an den Einheitslasten beteiligt werden. Ihr Anteil ist deutlich zu senken.
2. Abrechnung der in 1996 vorgenommenen Kreditierung bereits 1997
Die in 1996 vorgenommene Kreditierung in Höhe von 301 Mio DM , die auf zusätzliche Belastungen aus der Abwicklung des Länderfinanzausgleichs 1996 zurückzuführen ist, wird bereits 1997 bei der Berechnung der Verbundmasse in Abrechnung gebracht, so daß im 97er Finanzausgleich als Verbundmasse 13.685,3 Mio DM zur Verfügung stehen. Gegenüber dem GFG ist dies eine Reduzierung der Verbundmasse in Höhe von 316,8 MioDM bzw. -2,3 %.
Vor dem Hintergrund der deutlich nach unten korrigierten Daten der jüngsten Steuerschätzung für die Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1996 ist mit einer Vorbelastung für den 98er Finanzausgleich in Höhe von rd. 450 Mio DM zu rechnen. Angesichts dieser schweren Hypothek für das GFG 1998 kann die Abrechnung der in 1996 vorgenommenen Kreditierung bereits im GFG 1997 hingenommen werden. Ansonsten würde sich die Vorbelastung für das GFG 98 auf rd. 750 Mio DM erhöhen.
3. Umsetzung des ifo-Gutachtens zweiter Schritt
Die Umsetzung des zweiten Schrittes des ifo-Gutachtens soll entsprechend der Beschlußlage des Landtags vom 20.03.1996 (LT-Drs. 12/820) im GFG 1997 erfolgen.
Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund fordert, daß die weitere Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens nicht verwirklicht und die bisherige Umsetzung rückgängig gemacht wird. Die Empfehlungen des ifo-Gutachtens hätten nämlich einer gründlichen und sorgfältigen Überprüfung sowohl auf der Ebene der Städte und Gemeinden als auch im Bereich der Landesregierung und des Landtags bedurft. So hat die vom Ausschuß für Kommunalpolitik am 07.02.1996 durchgeführte Anhörung zum ifo-Gutachten ausweislich der Ausführungen im Ausschußprotokoll (vgl. insbesondere im Ausschußprotokoll LT-Drs. 12/162 die Ausführungen von Dr. Martin Junkernheinrich, Institut für Wirtschaftsforschung, Halle, - Seiten 46 - 50, Seite 63; Gerhard Micosatt, Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung, Bottrop - Seiten 50 - 53; Dipl.-Volkswirt Hans Philipp Kommer, Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in NRW, Seiten 14 - 17, Seiten 37 - 39; Prof. Dr. Friedel Brückmann, Gießen, Seiten 53 - 55, Seite 65) sehr unterschiedliche Bewertungen und Meinungsäußerungen der Sachverständigen, insbesondere der Wissenschaftler, erbracht. Die im Rahmen der Anhörung vorgebrachten kritischen Äußerungen gegenüber dem Gutachten des ifo-Instituts hätten dazu zwingen müssen, weitere eingehende gutachtliche Untersuchungen vorzunehmen und eine Entscheidung über Veränderungen der Struktur des Finanzausgleichs nicht schon im Zuge des Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) 1996 zu treffen. So ist von der Mehrzahl der Sachverständigen in der Anhörung deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß die Empfehlungen des Gutachtens aus systematischen und methodischen Gründen sowohl bei der Bedarfsermittlung als auch bei der Steuerkraftermittlung erheblichen Zweifeln unterliegen und aus wissenschaftlicher Sicht keineswegs zwingend, eher ausgesprochen kritisch zu beurteilen sind. Gleichwohl ist im Rahmen der 2. Lesung des GFG 1996 am 14.03.1996 trotz heftigster Proteste aus dem kreisangehörigen Raum die Entscheidung gefallen, in einem ersten Schritt Strukturveränderungen im Finanzausgleichssystem auf der Grundlage des Gutachtens des ifo-Instituts vorzunehmen.
Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund fordert, die weitere Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens, die erneut zu einer massiven Umverteilung von Finanzmitteln führt, die einseitig zu Lasten des kreisangehörigen Raumes geht, zu stoppen und die bisherige Umsetzung mit der Folge rückgängig zu machen, daß für das Gemeindefinanzierungsgesetz 1997 die Strukturen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1995 gelten.
4. Widerspruchsverfahren gegen die Festsetzungsbescheide über die Schlüsselzuweisungen 1996
Mit Blick auf die angestrebte verfassungsgerichtliche Überprüfung der aus der Umsetzung des ifo-Gutachtens resultierenden Strukturveränderungen des GFG 1996 hat der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund seinen betroffenen Mitgliedsstädten und -gemeinden zur Vermeidung von Rechtsnachteilen empfohlen, gegen den Bescheid über die Festsetzung der Schlüsselzuweisungen 1996 Widerspruch mit dem Hinweis darauf einzulegen, daß
- das Verfahren bis zur Entscheidung über die verfassungsgerichtliche Überprüfung des GFG 1996 auszusetzen ist und
- die Zahlungen aufgrund des Bescheides über die Festsetzung der Schlüsselzuweisungen 1996 trotz Einlegung des Widerspruchs unter Vorbehalt zu erbringen sind.
Die Bezirksregierungen sind seitens des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen mit Erlaß vom 19.06.1996 - III B 2 - 51.30.00 - 7588/96 - angewiesen worden, die Widerspruchsverfahren landeseinheitlich durchzuführen.
Die Bezirksregierungen haben zwischenzeitlich die betroffenen Städte und Gemeinden gebeten, ihren Widerspruch zu begründen und analog § 42 Abs. 2 VwGO ihre individuelle Betroffenheit im einzelnen darzulegen.
Die Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens erster Schritt hat zu einer massiven Umverteilung von Finanzmitteln geführt, die sich einseitig zu Lasten des kreisangehörigen Raumes ausgewirkt hat. Die individuelle Betroffenheit/Wider-spruchsbefugnis der betroffenen Städte und Gemeinden liegt trotz der nach § 20 GFG 1996 gewährten Anpassungshilfe aus folgendem Grund vor:
Für die Schlüsselzuweisungen stand im GFG 1996 ein Betrag in Höhe von 8.195,1 Mio DM zur Verfügung. Entscheidend ist, daß für die Anpassungshilfe zum Ausgleich der Strukturveränderungen aufgrund der Umsetzung des ifo-Gutachtens erster Schritt vorab aus der Schlüsselmasse ein Betrag in Höhe von 250 Mio DM abgezweigt worden war. Wäre nun das ifo-Gutachten im Zuge des GFG 1996 nicht in einem ersten Schritt umgesetzt worden, hätte für die Schlüsselzuweisungen 1996 der höhere Betrag von 8.445,1 Mio DM zur Verfügung gestanden, der alsdann nach den für das GFG 1995 geltenden Strukturen verteilt worden wäre.
Hieraus folgt, daß eine "Verlierergemeinde" aufgrund der Umsetzung des ifo-Gut-achtens erster Schritt trotz der Anpassungshilfe in ihren Rechten betroffen ist, weil die Schlüsselmasse 1996 durch Herausschneiden der Anpassungshilfe 1996 um 250 Mio DM reduziert worden ist. Die aus der Umsetzung des ifo-Gutachtens erster Schritt resultierende Umverteilungswirkung zu Lasten der "Verlierergemeinden" liegt objektiv vor.
Aus diesem Grund fordern wir, daß Minister Kniola gegenüber den Bezirksregierungen darauf hinwirkt, daß in allen Widerspruchsverfahren das Ruhen des Verfahrens angeordnet wird, bis durch den Verfassungsgerichtshof NW die Verfassungsmäßigkeit der vom Landtag beschlossenen Umgestaltung des GFG 1996 geprüft worden ist.
5. Stagnation bei den Schlüsselzuweisungen
Die Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden, Kreise und Landschaftsverbände sollen 1997 um 2,0 % (215,4 Mio DM) steigen. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Operation der negative Abrechnungsbetrag aus dem Jahr 1995 in Höhe von 193,7 Mio DM. Wird diese Abrechnung berücksichtigt, ergibt sich bei den Schlüsselzuweisungen eine minimale Steigerung von +0,2 % - praktisch eine Nullrunde.
Die in der Koalitionsvereinbarung getroffene Festlegung, wonach die Chancen der kommunalen Gebietskörperschaften, ihre Haushaltsprobleme zu lösen, u.a. dadurch verbessert werden sollen, daß "eine den Ausgaben des Landeshaushalts entsprechende Entwicklung der Schlüsselzuweisungen" sichergestellt wird, stellt eine Mindestgarantie dar. Die Schlüsselzuweisungen müssen real zumindest entsprechend der Entwicklung der Ausgaben des Landeshaushalts steigen. Angesichts der hohen Fehlbeträge in den Verwaltungshaushalten ist eine Verstärkung der Schlüsselzuweisungen um mindestens 200 Mio DM unabdingbar, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1997 zu sichern bzw. um den drohenden finanziellen Kollaps abzuwehren.
Die Umsetzung der vom Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebund erhobenen Forderung, die Struktur des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1997 der Struktur des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1995 anzupassen, hätte zur Folge, daß die Mittel der vorgesehenen Anpassungshilfe in Höhe von 150 Mio DM und des Strukturfonds in Höhe von 50 Mio DM voll der Schlüsselmasse zugeschlagen werden könnten. Somit würde zumindest die Negativwirkung aus der Abrechnung des Steuerverbundes aus dem Jahr 1995 im Zuge des Finanzausgleichs 1997 voll aufgefangen.
6. Entfrachtung des Steuerverbundes 1997
Die Rückführung der im Zuge des GFG 1996 vorgenommenen Befrachtung der Zweckzuweisungen bzw. Entfrachtung des Landesetats entspricht einer Forderung des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes.
Mit Blick auf die katastrophale Finanzlage der Kommunen und des um 582,6 Mio DM niedrigeren verfügbaren Verbundbetrages 1997 gegenüber 1996 fordert der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund, daß der Zuweisungstatbestand zur Gefährdungsabschätzung und Sanierung von Altablagerungen und Altstandorten in Höhe von 29,8 Mio DM im Landesetat verbleibt und keine neue Befrachtung vorgenommen wird. Die vorgesehenen Mittel sind der Investitionspauschale zuzuschlagen.
7. Schmälerung der Zweckzuweisungen
Da die Reduzierung der Verbundmasse wegen der deutlich nach unten korrigierten Daten aufgrund der jüngsten Steuerschätzung und des gegenüber 1996 gestiegenen Vorwegabzuges für die Einheitslasten unvermeidbar ist, müssen die Kürzungen bei den Zweckzuweisungen vorgenommen werden.
Auf Kritik stößt jedoch die überproportionale Kürzung der Abwasserinvestitionspauschale um 60 % gegenüber dem GFG 1996 im Vergleich zur Kürzung der allgemeinen Investitionspauschale um 55 % und der Investitionspauschale für Sozialhilfeträger um 10 % gegenüber dem GFG 1996. Diese überproportionale Kürzung bei der Abwasserinvestitionspauschale trifft den ländlichen Raum besonders hart. Die strengen Anforderungen an die Kommuen zur Verbesserung der Abwasserbeseitigung steigt vor allem im ländlichen Bereich ins Uferlose wie zugleich auch die Abgabepflichten der Städte und Gemeinden nach dem Abwasserabgabengesetz, obwohl die Kläranlagen inzwischen weitgehend dem letzten Stand (3. Reinigungsstufe) entsprechen. Zudem sind mit Jahresbeginn 1996 die neuen Regelungen der Selbstüberwachungsverordnung Kanal in Kraft getreten, die für die Städte und Gemeinden zusätzlich mit einem enormen Finanzaufwand verbunden sind.
Aus diesem Grund fordert der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund, daß eine lineare Kürzung bei der allgemeinen Investitionspauschale, der Investitionspauschale für die Sozialhilfeträger und der Abwasserinvestitions-pauschale vorgenommen wird. Wir schlagen insoweit eine entsprechende Umschichtung der Mittel aus der allgemeinen Investitionspauschale und der Investitionspauschale für die Sozialhilfeträger in die Abwasserinvestitionspauschale vor.
8. Strukturfonds
Die vom Landtag beschlossene Einführung eines Strukturfonds (LT-Drs. 12/820) zur Milderung vorhandener Strukturdefizite aufgrund der Umsetzung des ifo-Gutachtens soll mit dem GFG 1997 verwirklicht werden. Hierfür ist ein Betrag in Höhe von 50 Mio DM vorgesehen.
Nach den vorliegenden Informationen sollen die Mittel des Strukturfonds nach folgenden Kriterien verteilt werden:
- Der Grundbetrag der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B liegt mindestens 30 v.H. unter dem Landesdurchschnitt.
- Der Anteil der arbeitslosen Aussiedler macht mindestens 25 v.H. an der örtlichen Arbeitslosenquote aus.
- Der Arbeitsplatzverlust über 3 Jahre (1993 bis 1995) liegt über 3,5 v.H.
Erfüllt eine Gemeinde eines dieser Auswahlkriterien, nimmt sie an der Verteilung der Mittel des Strukturfonds teil. Der vorgesehene Verteilungsmechanismus hat zur Folge, daß von den 159 Gemeinden, die am Strukturfonds teilnehmen, 15 Gemeinden zu den "Gewinnergemein-den" und 144 Gemeinden zu den "Verlierergemeinden" aufgrund der Umsetzung des ifo-Gutachtens zählen. Von den zu verteilenden 50 Mio DM würden 17,3 Mio DM in den kreisfreien und 32,7 Mio DM in den kreisangehörigen Raum fließen.
Zu der vorgesehenen Aufteilungswirkung und den vorgesehenen Auswahlkriterien stellen wir folgendes fest:
8.1 Aufteilungswirkung
Die Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens führt zu einer massiven Umverteilung von Finanzmitteln, die sich einseitig zu Lasten des kreisangehörigen Raums auswirkt. Nach den Berechnungen des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik bewirken die in drei Stufen zu vollziehenden Änderungen eine Umverteilung von rd. 670 Mio DM allein im Zeitraum von 1996 bis 1998 aus dem kreisangehörigen Raum zugunsten des kreisfreien Raums. Mit schlimmsten Befürchtungen sehen wir die negativen Auswirkungen insbesondere auf die Struktur der Finanzsituation der Mittelstädte, die bis weit in das Jahr 2000 hinein die Zeche für die Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens zu zahlen haben. Aus diesem Grund halten wir es für unverantwortlich, daß
- "Gewinnergemeinden" am Strukturfonds partizipieren und
- ausweislich der uns vorliegenden Berechnungen die großen "Verlierergemeinden" - die Mittelstädte - bis auf vier Ausnahmen nicht beteiligt werden.
8.2 Auswahlkriterien
Es begegnet höchsten Bedenken, als Auswahlkriterium für die Verteilung der Mittel des Strukturfonds die Steuerkraft heranzuziehen. Über die Wirkungen des Finanzausgleichs findet bereits ein Ausgleich der Steuerkraftunterschiede statt, so daß das Merkmal "Steuerkraft" in diesem Zusammenhang sachfremd ist. Im Ergebnis läuft dieser Verteilungsmechanismus darauf hinaus, daß ein doppelter Finanzausgleich stattfindet. Aus diesem Grund ist das Kriterium "Steuerkraft" abzulehnen.
Hinsichtlich des Kriteriums "25%iger Anteil der arbeitslosen Aussiedler an der örtlichen Arbeitslosenquote" ist festzustellen, daß im Bedarfsbemessungssystem die Aussiedler als Einwohner und die Dauerarbeitslosigkeit durch den Nebenansatz "Soziallastenansatz" berücksichtigt sind. Das kombinierte Merkmal "Aussiedler im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit" findet im Finanzausgleich keine Berücksichtigung.
Mit Blick auf das Kriterium "Arbeitsverlust über drei Jahre" ist zu hinterfragen, ob insoweit auf die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten oder die Gesamtbeschäftigtenzahl zurückgegriffen wird. Sollten diesem Kriterium die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde liegen, ist festzustellen, daß im Bedarfsbemessungssystem die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten durch den Nebenansatz "Zentralitätsansatz" Berücksichtigung finden. Im Gegensatz zum "Zentralitätsansatz" würde in diesem Fall jedoch nicht die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, sondern gegenläufig eine erhebliche negative Veränderung gewertet.
Die beiden Auswahlkriterien "25%iger Anteil der arbeitslosen Aussiedler an der örtlichen Arbeitslosenquote" und "Arbeitsplatzverlust über drei Jahre" begegnen trotz der aufgezeigten Verflechtungen mit der Bedarfsbemessung im Finanzausgleich keinen durchgreifenden Bedenken.
9. Verbesserung der Umlagegrundlagen im Zuge des GFG 1997
Im Zuge der Umsetzung des GFG 1997 werden wie im Vorjahr bei den Umlagegrundlagen für die Landschaftsumlage und die Kreisumlage erhebliche Verbesserungen eintreten, die auf folgende Faktoren zurückzuführen sind:
- Berücksichtigung der Kompensationszahlungen an die Städte und Gemeinden für Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im Jahr 1997, obwohl sich diese Zahlungen im Jahr 1997 nicht in der für das GFG 1997 gültigen Referenzperiode 01.07.1995 - 30.06.1996 auswirken und
- Mitnahmeeffekt bei den Umlagegrundlagen, falls das ifo-Gutachten in einem zweiten Schritt umgesetzt wird.
9.1 Berücksichtigung der Kompensationszahlungen an die Städte und Gemeinden für die Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs
Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund fordert, daß die Berücksichtigung der Kompensationszahlungen an die Städte und Gemeinden für Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im Jahr 1997 nicht in die Umlagegrundlagen 1997 einbezogen werden. Die durch die Systemumstellung beim Familienleistungsausgleich weggefallenen gemeindlichen Einkommensteueranteile wären nämlich nach der im GFG 1997 maßgeblichen Referenzperiode erst zur einen Hälfte im Jahr 1998 und zur anderen Hälfte im Jahr 1999 für die Berechnung der Umlagegrundlagen herangezogen worden.
In diesem Zusammenhang dürfen wir darauf hinweisen, daß die Kompensationszahlungen im Gegensatz zur Gesetzesbegründung des GFG 1996 und trotz Intervention des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes bereits im Haushaltsjahr 1996 zu den Grundlagen der Kreisumlagen und der Landschaftsumlagen hinzugerechnet worden sind. Die Kreise und Landschaftsverbände haben an dem Verlustausgleich des § 45 GFG 1996 partizipiert, ohne daß den Kommunalverbänden Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs entstanden wären.
Um sicherzustellen, daß sich die Kompensationsleistungen an die Gemeinde für die Verluste durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs nach § 43 GFG 1997 erst für die Berechnung der Umlagen im Jahr 1998 auswirkt, halten wir folgende Klarstellung für unumgänglich:
In § 32 Abs. 1 GFG 1997 wird am Ende des Absatzes der letzte Spiegelstrich "die Zahlungen nach § 43" gestrichen.
Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, daß Entsprechendes auch für die Berechnung der Landschaftsumlage mit der Folge gilt, daß in § 33 Abs. 1 GFG 1997 am Ende des Absatzes der letzte Spiegelstrich "die Zahlungen nach § 43" gestrichen werden.
9.2 Mitnahmeeffekt bei den Umlagegrundlagen im Zuge der Umsetzung des ifo-Gutachtens
Infolge der Umsetzung der Empfehlungen des ifo-Gutachtens in einem ersten Schritt im Rahmen des GFG 1996 ist über die Anhebung der fiktiven Hebesätze bei den Grundsteuern A und B sowie der Gewerbesteuer eine höhere Steuerkraft der kreisangehörigen Städte und Gemeinden unterstellt worden. Dies hat für die Umlagegrundlagen der Kreise und Landschaftsverbände erhebliche Mitnahmeeffekte zur Folge.
Die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen unterstützt in ihrem Schreiben vom 10.06.1996 an den Innenminister mehr als deutlich unsere wiederholt vorgetragene Kritik an der Tatsache, daß die Gutachter die Problematik der Anhebung der Umlagegrundlagen unter dem Gesichtspunkt des Mitnahmeeffektes bei der Kreisumlage und Landschaftsverbandsumlage nicht angesprochen haben. Im Ergebnis kommt die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen zu dem Schluß, daß die kreisangehörigen Städte und Gemeinden keineswegs einen vollen Ausgleich ihrer Verluste aus der Umsetzung des ifo-Gutachtens im Zuge des GFG 1996 erhalten haben, da sie mit mehr als 100 Mio DM knapp die Hälfte der Anpassungshilfe 1996 in Höhe von 208,3 Mio DM via Umlagen an die Kreise und Landschaftsverbände gezahlt haben. Zutreffend weisen sie auch darauf hin, daß sich dieser Negativeffekt im nächsten Jahr verdoppeln, im übernächsten Jahr verdreifachen und sich in dieser Höhe dann für die Zukunft Jahr für Jahr fortsetzen wird, wenn in den Jahren 1997 und 1998 der fiktive Hebesatz für die Berechnung der Steuerkraft der Gemeinden bis 150.000 Einwohnern jeweils um 10 % bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer angehoben wird.
10. Härteregelung für den durch den Truppenabzug bedingten Rückgang der Einwohnerzahl im Finanzausgleich 1997
Für den Finanzausgleich 1997 wird die Einwohnerzahl zum 31.12.1995 maßgeblich sein. Aus dem Kreis der Garnisonsstädte und -gemeinden sind wir darüber informiert worden, daß trotz des Freiwerdens von Wohnungen aufgrund des Abzugs der Streitkräfte keine weitere Zuwanderung von Einwohnern erfolgt. Es hat lediglich eine Umverteilung der Einwohner stattgefunden, indem z. B. die bereits ansässigen Aussiedler und Übersiedler das Wohnungsangebot nutzen. Infolgedessen konnte der Verlust der A- und D-Einwohner nicht abgefangen werden.
Dies hat für die betroffenen Garnisonsstädte und -gemeinden gravierende Einbußen bei den Schlüsselzuweisungen zur Folge.
Aus diesem Grund halten wir es für unabdingbar, die Berechnung der Einwohnerzahl in den Standortgemeinden, die aufgrund der dargestellten Sachlage im Rahmen des Finanzausgleichs 1997 mit Einnahmeverlusten zu rechnen haben, entsprechend der Regelung nach § 39 Abs. 2 Satz 3 GFG 1996 im Sinne einer Härteregelung vorzunehmen.
III. Solidarbeitrag
Der Entwurf der Bestimmungen über den Solidarbeitrag 1997 stellt eine Fortschreibung der gültigen Regelung des Solidarbeitragsgesetzes 1996 dar. Der Solidarbeitrag 1997, der wegen der gestiegenen Lasten des Landes im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gegenüber dem Solidarbeitrag 1996 um knapp 250 Mio DM ansteigt, stellt mit knapp 2,2 Mrd DM eine erhebliche zusätzliche Belastung für die Städte und Gemeinden dar. Gleichwohl ist dies eine zwangsläufige Zahlung, die auch die Städte und Gemeinden im Zuge des Einigungsprozesses mittragen müssen.
IV. Änderung sonstiger Vorschriften
Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund begrüßt die in Art. III des Referentenentwurfs vorgesehenen notwendigen Anpassungen und redaktionellen Ergänzungen des Kommunalabgabengesetzes (KAG) für das Land Nordrhein-Westfalen.
Abschließend bitten wir, die vorstehenden Überlegungen bei der endgültigen Gestaltung des Entwurfs des Gemeindefinanzierungsgesetzes für 1997 und des Solidarbeitragsgesetzes für 1997 zu berücksichtigen.
Az.: V/1-902-17/0