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Hauptausschuss 2024
Heft April 2006
Verleihung von Rechten an Zeugen Jehovas
Das Land Berlin muss den Zeugen Jehovas endgültig die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verleihen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 2006
- Az.: 7 B 80.05 -
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen, durch das das Land Berlin verpflichtet worden ist, der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Damit hat ein seit über zwölf Jahren währender Rechtsstreit seinen Abschluss gefunden.
Im Zuge dieser gerichtlichen Auseinandersetzung hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2000 entschieden, der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas seien die begehrten Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie nach ihrem gegenwärtigen und zu erwartenden Verhalten die Gewähr dafür bietet, die fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Zur Klärung dieser Frage war der Rechtsstreit an das OVG zurückverwiesen worden.
Das OVG hat in seinem Urteil vom 24. März 2005 festgestellt, es bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas nicht rechtstreu verhalte, insbesondere die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte oder die fundamentalen Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts verletze oder gefährde. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen, weil keine Gründe für die Zulassung der (erneuten) Revision vorlägen. Das Urteil des OVG ist damit rechtskräftig.
Steuerbefreiung von Wirtschaftsförderungs-Gesellschaften
Eine Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft, deren hauptsächliche Tätigkeit sich darauf erstreckt, Grundstücke zu erwerben, hierauf Gebäude nach den Wünschen und Vorstellungen ansiedlungswilliger Unternehmen zu errichten und an diese zu verleasen, kann aufgrund des steuerrechtlichen Grundsatzes der Wettbewerbsgleichheit nicht steuerbefreit i. S. d. Körperschaftsteuergesetzes sein (nichtamtlicher Leitsatz).
BFH, Urteil vom 3. August 2005
- Az.: 1 R 37/04 -
Die Klägerin ist eine kommunale Wirtschaftsförderungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Sie beschaffte in den Streitjahren u. a. Grundstücke von Gemeinden und von gewerblichen Anbietern, errichtete auf diesen Grundstücken Gebäude nach den Wünschen und Vorstellungen der als künftige Nutzer vorgesehenen Unternehmen und verleaste diese im Rahmen des Public-Leasing-Verfahrens an die Unternehmen. Die Leasingverträge sind so gestaltet, dass der jeweilige Leasingnehmer während einer Grundmietzeit die Leasingsumme zu 100 v. H. tilgt. Die während der Leasingdauer geleisteten Sonderzahlungen, Vormieten und Leasingraten enthalten neben den Investitionskosten der Klägerin einen Aufschlag von 0,6 bis 1 v. H. auf Finanzierungskosten der Klägerin. Nach Ablauf der Grundmietzeit erwirbt das jeweilige Unternehmen das Leasingobjekt für einen symbolischen Preis.
Die Klägerin wurde für die Streitjahre zur Körperschaftsteuer veranlagt. Strittig zwischen der Klägerin und dem Finanzamt war, ob die Wirtschaftsförderungsgesellschaft als steuerbefreite Körperschaft i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 18 Körperschaftsteuergesetz 1991/1996 einzustufen ist. Streitpunkt hierbei waren dabei die von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft betriebenen Public-Leasing-Aktivitäten.
Der BFH lehnt eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG 1991/1996 für die Public-Leasing-Aktivitäten der Klägerin ab. Zur Begründung führt der BFH aus, dass Steuerbefreiungen einzelner Steuersubjekte oder einzelner Tätigkeiten nur dann zulässig seien, wenn Gründe des Gemeinwohls die ungleiche Behandlung rechtfertigten. Dies gelte grundsätzlich nur in dem Umfang, in dem sie nicht zu nachhaltigen Wettbewerbsverzerrungen führten, und zwar aus Gründen der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts.
Von diesem Grundsatz mache der Gesetzgeber u. a. in § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG 1991/1996 insofern eine Ausnahme, falls er wirtschaftliche Tätigkeiten selbst begünstigt. Mit dieser Steuerbefreiung rücke der Gesetzgeber aber nicht vom Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit ab und erkläre jedwede wirtschaftliche Tätigkeit der Wirtschaftsförderungsgesellschaften auch zulasten bereits bestehender Unternehmen für steuerbefreit. Vielmehr begünstige er nur Tätigkeiten der Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die nach Inhalt und gefördertem Personenkreis allenfalls zu einer geringen Wettbewerbsbeeinträchtigung führen und die durch die damit einhergehende Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Struktur einer Region hinzunehmen sei.
Auf Grundlage dieser Ausführungen kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Public-Leasing-Aktivitäten der Wirtschaftsförderungsgesellschaft sich nicht von den wirtschaftlichen Tätigkeiten privater Leasingunternehmen unterscheiden würden. Wäre die Klägerin steuerbefreit, verfüge sie gegenüber anderen Leasingunternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, über einen Wettbewerbsvorteil, der durch den Zweck der Vorschrift nicht gefördert werde. § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG 1991/1996 begünstige keine wirtschaftlichen Leistungen (zu marktüblichen Preisen) von Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die auch von privaten Anbietern erbracht werden und daher von ansiedlungswilligen Unternehmen ohne weiteres in Anspruch genommen werden können.
Dies gelte grundsätzlich auch insoweit, als die Klägerin die Gebäude ansiedlungswilligen Unternehmen zu nicht marktüblichen Preisen überlasse. Hierdurch wende sie den Leasingnehmern unabhängig von deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dauerhaft materielle Vorteile zu, die über die Beratung oder notwendige Hilfestellung bei der ersten Ansiedlung oder Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte hinausgingen und die daher ebenfalls geeignet seien, den Wettbewerb zulasten bereits existierender Unternehmen zu beeinträchtigen.
Der BFH lässt ausdrücklich offen, ob die Leistungen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft dann begünstigt sein können, wenn sie ausschließlich darauf abzielen, wirtschaftliche Tätigkeiten zu ermöglichen, die ohne die Hilfeleistung entweder in der Region überhaupt nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen ausgeübt werden können. Denn im konkreten Fall sei nicht ersichtlich, dass sich die Public-Leasing auf finanzschwache Existenzgründer beschränke, denen der Weg in die Selbstständigkeit durch Beratung gewiesen und die zu Beginn ihrer Tätigkeit zeitlich begrenzt gefördert werden sollten.
Hausrecht der Schulleitung
1. Das Hausrecht der Schulleiterin oder des Schulleiters nach § 59 Abs. 2 Satz 3 SchulG NRW dient der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgabe der Schule, Schüler zu erziehen und zu bilden (§ 2 Abs. 1 SchulG NRW).
2. Die Schulleiterin oder der Schulleiter übt das Hausrecht nach § 59 Abs. 2 Satz 3 SchulG NRW eigenverantwortlich aus und handelt insoweit nicht im Auftrag oder in Vertretung des Schulträgers.
3. Das Hausrecht des Schulträgers bleibt unberührt, soweit sich dieses auf nicht zu den schulischen Aufgaben gehörende Veranstaltungen auf dem Schulgrundstück erstreckt.
OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2005
- Az.: 19 B 1473/05 -
Der Antragsteller ist Vater zweier Schüler, die eine Grundschule in S. besuchen. Die Antragsgegnerin ist Leiterin dieser Grundschule. Sie sprach gegenüber dem Antragsteller wegen abfälliger Äußerungen über eine Lehrerin am Elternsprechtag vor Eltern und Schülern ein Hausverbot aus. Den Widerspruch des Antragstellers wies der Bürgermeister der Gemeinde S. zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Hausverbots an. Den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage lehnte das VG ab, seine Beschwerde wies das OVG zurück.
Gegenstand der rechtlichen Prüfung war das Hausverbot in derjenigen Fassung, die es durch den Widerspruchsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. erhalten hat. In dieser Fassung erstreckt es sich auf das Betreten des Schulgeländes „während des Schulbetriebs sowie sonstiger schulischer Veranstaltungen“.
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das so verstandene Hausverbot offensichtlich rechtswidrig ist. Das Hausverbot der Antragsgegnerin ist eine Maßnahme aufgrund des Hausrechts, das der Schulleiterin zur Erfüllung der schulischen Aufgaben durch Gesetz zur Wahrnehmung zugewiesen ist. Gemäß § 20 Abs. 2 des bis zum 31.7.2005 geltenden Schulverwaltungsgesetzes (SchVG) ebenso wie nunmehr ab 1.8.2005 gemäß § 59 Abs. 2 SchulG NRW leitet die Schulleiterin die Schule, trägt sie die Verantwortung für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und nimmt sie das Hausrecht wahr. Wie allgemein das öffentliche Hausrecht dient das Hausrecht der Schulleiterin der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des sicheren und geordneten Schulbetriebs als zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe der Schule, Schüler zu erziehen und zu bilden (§§ 1, 2 SchulG NRW). Es verdrängt insofern das Hausrecht des Schulträgers als des Eigentümers oder Besitzers des Schulgeländes, das im Übrigen unberührt bleibt, soweit es sich auf nicht zu den schulischen Aufgaben gehörende Veranstaltungen auf dem Schulgrundstück erstreckt.
Dieser enge funktionelle Zusammenhang mit dem Schulbetrieb hat zur Folge, dass die Schulleiterin das Hausrecht nicht im Auftrag oder in Vertretung des Schulträgers, vielmehr eigenverantwortlich ausübt. Seine Wahrnehmung ist daher auch nicht Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG, so dass mit Blick auf das Widerspruchsverfahren der Bürgermeister der Gemeinde S. nicht als Selbstverwaltungsbehörde sachlich zuständig war, den Widerspruchsbescheid zu erlassen; hierzu war er auch nicht als nächsthöhere Behörde im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO zuständig, weil nächsthöhere Behörde die untere Schulaufsichtsbehörde ist.
Zur Wahrnehmung des Hausrechts gehört nach Ermessen der Schulleiterin auch der Erlass eines Hausverbots. Es ist etwa dann ermessensgerecht, wenn aufgrund bereits eingetretener Störungen des Schulbetriebs die Gefahr besteht, dass sich derartige Störungen wiederholen. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller den Schulbetrieb erheblich gestört hat, indem er vor Eltern und Schulkindern die betroffene Lehrerin massiv herabgesetzt, ihr die Eignung für den Beruf, zumal unter Berufung auf die Schulaufsichtsbehörde, ohne sachlichen Grund und ehrverletzend abgesprochen und so die grundlegenden Anforderungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele der Schule (nunmehr § 2 Abs. 2, § 42 Abs. 1 SchulG NRW) missachtet hat.
Das nach Maßgabe des Widerspruchsbescheides für sechs Monate ab Zustellung des Bescheides ausgesprochene Hausverbot ist schließlich auch nicht wegen seiner Dauer offensichtlich unverhältnismäßig. Die Einwände gegen die vom VG vorgenommene Interessenabwägung greifen nicht durch. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Störungen des Schulbetriebs durch den Antragsteller überwiegt dessen Interesse daran, das Schulgelände während des Schulbetriebs und sonstiger schulischer Veranstaltungen zu betreten. Die vom VG angenommene Wiederholungsgefahr besteht. Angesichts des vom Antragsteller bisher in der Schule an den Tag gelegten Verhaltens besteht die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich eine vergleichbare Eskalation wiederholt.
© StGB NRW 2006