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Hauptausschuss 2024
Heft April 2012
Krematorium im Gewerbegebiet
Ein Krematorium mit Abschiedsraum ist in einem Gewerbegebiet nicht zulässig. (nichtamtlicher Leitsatz)
BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2012
- Az.: 4 C 14.10 -
Der Kläger wandte sich als Nachbar gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet. Seine Rechtsmittel blieben erfolglos. Das OVG NRW hat das Krematorium als eine in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässige Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO eingeordnet. Dass ein Krematorium aus Gründen der Pietät in ein kontemplatives Umfeld einzubetten sei, widerspreche nicht der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Baugenehmigung aufgehoben. Zwar falle ein Krematorium mit Abschiedsraum, das - wie hier - die Voraussetzungen einer Gemeinbedarfsanlage erfüllt, unter den Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Der Begriff sei ebenso offen angelegt wie der Begriff „Anlagen für kirchliche, soziale und gesundheitliche Zwecke“ und umfasse auch Einrichtungen der Bestattungskultur. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen stelle ein Krematorium mit Abschiedsraum ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar.
Eine solche Anlage vertrage sich aber entgegen der Auffassung des OVG nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Das schließe es nicht aus, dass die Beklagte das betroffene Gebiet im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens unter Beteiligung der Öffentlichkeit überplant und so eine bauplanungsrechtliche Grundlage für das zwischenzeitlich errichtete Krematorium schafft.
Erdrosselnde Wirkung der Spielgerätesteuer
Lässt bereits die Entwicklung der Anzahl der Spielautomatenbetriebe und der dort aufgestellten Spielgeräte seit Erlass der maßgeblichen kommunalen Vergnügungssteuersatzung den hinreichend sicheren Rückschluss zu, dass die Erhebung der Vergnügungssteuer nicht erdrosselnd wirkt, so bedarf es zur Beurteilung dieser Frage keiner weiteren Ermittlungen zur Ertragslage der Aufsteller im Satzungsgebiet. (nichtamtlicher Leitsatz)
BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2011
- Az.: 9 B 16.11 -
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen das vorinstanzliche Urteil des OVG NRW vom 23.11.2010 - 14 A 2442/08 - verworfen. Das BVerwG weist darauf hin, dass die erdrosselnde Wirkung eines Steuersatzes keineswegs ausschließlich auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher und steuerlicher Daten von Unternehmen im Geltungsbereich der Vergnügungssteuersatzung beurteilt werden kann. Vielmehr könne auch der Entwicklung der Anzahl der entsprechenden Betriebe im Gemeindegebiet und der aufgestellten Spielgeräte indizielle Bedeutung zukommen. Es sei eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht, ob im Einzelfall ein solches Indiz auch ohne Hinzutreten weiterer Erkenntnisse über die Ertragslage einzelner Betriebe hinreichend sichere Rückschlüsse auf eine fehlende Erdrosselungswirkung zulasse. Die Frage, wie breit die Datenbasis sein müsse, um repräsentative Aussagen treffen zu können, lasse sich nicht allgemein beantworten, sondern hänge von den konkreten Gegebenheiten im Satzungsgebiet der Gemeinde ab.
Ansprüche von Einzel-Ratsmitgliedern
Ein Ratsmitglied, das keiner Fraktion oder Gruppe angehört, hat gegenüber der Gemeinde grundsätzlich keinen Anspruch auf Bereitstellung eines Raums im Rathaus zwecks Durchführung einer „Bürgersprechstunde“ zur Vorbereitung einer Ratssitzung.
OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2012
Az.: - 15 B 212/12 -
Der Antragsteller, der als Ratsmitglied keiner Fraktion oder Gruppe angehört, begehrte von der Antragsgegnerin vergeblich die Bereitstellung eines Raums im Rathaus, um dort zur Vorbereitung einer Ratssitzung Bürger-Gespräche führen zu können. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb in beiden Instanzen erfolglos.Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch steht ihm insbesondere nicht auf der Grundlage von § 56 Abs. 3 Satz 5 GO NRW zu. Nach dieser Vorschrift hat die Gemeinde einem keiner Fraktion oder Gruppe angehörendem Ratsmitglied in angemessenem Umfang Sach- und Kommunikationsmittel zum Zwecke seiner Vorbereitung auf die Ratssitzung zur Verfügung zu stellen. Es sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass es zur Vorbereitung der Ratssitzung zwingend der vorherigen Durchführung einer „Bürgersprechstunde“ im Rathaus bedürfte. Der Antragsteller meint zwar, die Information eines Einzelmandatsträgers über die Auffassungen, Wünsche und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger liege im öffentlichen Interesse. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ihm im Fall einer verwehrten „Bürgersprechstunde“ im Rathaus die Vorbereitung auf die Ratssitzung, die von ihm als Einzelmandatsträger naturgemäß nur in eingeschränkterem Umfang als etwa von Mandatsträgern innerhalb einer Fraktion geleistet werden kann, in unzumutbarer Weise erschwert würde. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach zu berücksichtigen sei, dass die Bemessung der Zuwendungen, die im Interesse der Gemeinde erfolgten, sich nicht an den individuellen Rahmenbedingungen für die Ratsarbeit der einzelnen Mandatsträger, etwa an den persönlichen Umständen des Antragstellers, zu orientieren habe. Vielmehr dürfe bei der Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen typisierend und pauschalierend vorgegangen werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Ablehnung der Bereitstellung eines Raums im Rathaus nicht zu beanstanden, weil die Ratssitzungen regelmäßig bereits durch die entsprechenden Verwaltungsvorlagen vorbereitet würden. Außerdem habe der Antragsteller die Möglichkeit, in sachlicher oder rechtlicher Hinsicht gegebenenfalls ergänzende Recherchen zu anstehenden Tagesordnungspunkten anzustellen. Es widerspreche auch nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen, dem Antragsteller die Nutzung eines Raums im Rathaus für die Durchführung von „Bürgersprechstunden“ zu verwehren. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung bestimmter Zuwendungen oder Bereitstellung bestimmter Mittel und Ressourcen, sondern nur einen Anspruch auf sachgerechte und ermessensfehlerfreie Verteilung der bereitgestellten Mittel und Ressourcen. Die Gemeinde habe insoweit im Rahmen ihrer Organisationshoheit einen weiten Ermessensspielraum. Dabei habe sie sich nicht am formalisierten Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern am verfassungsrechtlichen Willkürverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz in Ausprägung des Grundsatzes der Chancengleichheit messen zu lassen. Dass den im Rat der Antragsgegnerin vertretenen Fraktionen anders als dem Antragsteller in nicht zu beanstandender Weise Räume im Rathaus zur Verfügung gestellt werden, habe das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die besondere Funktion der Fraktionen ausführlich begründet. Demnach bestehe die Funktion von Fraktionen in der Bündelung und Koordinierung der Arbeit des Rates und seiner Ausschüsse, indem sie - die Fraktionen - die unterschiedlichen Meinungen der in ihr zusammengeschlossenen Mitglieder auf mehrheitlich für richtig befundene Standpunkte zusammenführten. Schließlich könne auch nicht deshalb von einem „diskriminierende[n] Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber einem demokratisch gewählten Mandatsträger“ die Rede sein, weil Räume im Rathaus externen Gruppen für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Eine etwaige Ungleichbehandlung komme schon mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht in Betracht.