Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2001
Beseitigung einer Werbetafel
Die Straßenbaubehörde kann nach § 22 Satz 1 StrWG NRW die Beseitigung einer ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis angebrachten Werbetafel grundsätzlich auch dann anordnen, wenn für diesen Werbeträger eine Baugenehmigung erteilt worden ist (nichtamtlicher Leitsatz).
- OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2001
– Az.: 11 A 1084/96 -
Die Klägerin brachte an einer Einfriedungsmauer, die ein Privatgrundstück von einem öffentlichen Gehweg trennt, zwei Werbetafeln in Euroformat an, für die eine bauaufsichtliche Genehmigung erteilt worden war. Die Baugenehmigung enthält den Hinweis, sie werde "unbeschadet der aufgrund anderer Vorschriften bestehenden Verpflichtungen zum Einholen von Genehmigungen, Bewilligungen, Erlaubnissen und Zustimmungen oder zum Erstatten von Anzeigen" erteilt.
Etwa ein Jahr später gab der Beklagte der Klägerin die Beseitigung der Werbetafeln mit der Begründung auf, es liege infolge der Inanspruchnahme öffentlichen Straßenlandes eine Sondernutzung vor. Die hiergegen gerichtete Klage sowie die Berufung blieben erfolglos. Gemäß § 22 Satz 1 StrWG NRW kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird. Die Werbetafeln der Klägerin ragen in den Luftraum über einer öffentlichen Straße hinein und stellen somit eine Sondernutzung dar. Bei dieser Sachlage durfte der Beklagte der Klägerin die Beseitigung der Werbetafeln aufgeben.
Die zwischen den Beteiligten maßgeblich streitige Frage, ob die Entfernung der Werbetafeln verfügt werden kann, obwohl sie baurechtlich genehmigt wurden, ist zu bejahen. Der Baugenehmigung kommt in NRW keine Konzentrationswirkung zu, d. h. sie ersetzt nicht eine fehlende Sondernutzungserlaubnis. Aufgrund anderer Vorschriften bestehende Verpflichtungen zum Einholen von Genehmigungen, Bewilligungen, Erlaubnissen und Zustimmungen oder zum Erstatten von Anzeigen ließ die Baugenehmigung unberührt.
Prüfungsmaßstab bei Erteilung der Baugenehmigung ist das gesamte öffentliche Recht, soweit die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren über das Vorhaben entscheiden muß. Übersieht die Bauaufsichtsbehörde die für das Vorhaben erforderliche Genehmigung anderer Behörden, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigungen, weil die anderweitige Genehmigung weiterhin erforderlich bleibt.
Bevorzugung von Frauen
Bei der Gewährung der so genannten Meistergründungs-Prämie dürfen Frauen gegenüber Männern nicht pauschal bevorzugt werden (nichtamtlicher Leitsatz)
- OVG NRW, Urteil v. 31.10.2001
– Az.: 4 A 2239/99 -
Nach einer Richtlinie aus dem Jahre 1995 gewährt die Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordhrein-westfälischen Handwerks e. V. Personen, die die Meisterprüfung in einem Handwerk abgelegt haben, eine sog. Meistergründungsprämie in Höhe von DM 20.000,-, die die Existenzgründung erleichtern und Arbeitsplätze schaffen soll. Nach der bisherigen Verwaltungspraxis wird Handwerkmeistern nur dann eine Prämie gewährt, wenn sie sich innerhalb von zwei bzw. heute drei Jahren nach Ablegung der Meisterprüfung selbständig gemacht haben. Bei Handwerkmeisterinnen beträgt diese Frist hingegen fünf Jahre.
Der Kläger, der die Meisterprüfung im Mai 1991 abgelegt hatte, beantragte im August 1996 die Meistergründungsprämie. Diesen Antrag lehnte die o.g. Förderungsstelle mit der Begründung ab, für ihn als Mann gelte die zweijährige Antragsfrist, die überschritten sei. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er dürfe nicht schlechter behandelt werden als weibliche Handwerksmeister. Diese Klage hatte nunmehr auch im Berufungsverfahren Erfolg. Zur Begründung hat das OVG ausgeführt:
Die pauschale Bevorzugung von Frauen gegenüber Männern bei der Gewährung der sog. Meistergründungsprämie sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Zwar sei es grundsätzlich zulässig, faktische Nachteile auszugleichen, die typischerweise Frauen treffen, wie z. B. Mehrfachbelastungen durch Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Beruf. Einer Typisierung seien aber Grenzen gesetzt, weil sie dazu führe, daß Frauen bevorzugt würden, die die beschriebenen Nachteile nicht hätten und umgekehrt Männer benachteiligt würden, die solche Belastungen bewältigen müßten. Diese Grenzen habe die Förderungsstelle nicht beachtet. Sie hätte ohne weiteres in eine individuellere Prüfung eintreten können, indem sie etwa von den Bewerbern, die die 5-Jahres-Frist in Anspruch nehmen wollten, Heiratsurkunden und Geburtsurkunden ihrer Kinder verlangt hätten. Die Förderungsstelle muß nunmehr den Kläger erneut bescheiden und dabei eine Entscheidung treffen, wie sie die bestehenden Ungerechtigkeiten beseitigen will.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Grundsatz der Kostendeckung bei Meldeauskünften
Bei der Berechnung einer Verwaltungsgebühr ist zur Wahrung des Kostendeckungsgrundsatzes der auf die gebührenpflichtige Leistung entfallende Arbeitskraftanteil des Gemeindebediensteten in nachvollziehbarer Weise zu ermitteln und darzulegen (nichtamtlicher Leitsatz).
- VG Freiburg, Urteil v. 20.03.2000
- Az.: 3 K 2780/99 -
Das VG hat den in der Gebührensatzung der beklagten Gemeinde festgelegten Satz von DM 30,- für eine einfache Meldeauskunft für nichtig erklärt. Die Klägerin hatte sich mit der Begründung gegen die Gebühr gewandt, bei 90 % aller Gemeinden liege die Gebühr für derartige Auskünfte nur bei DM 10,-.
Die Gebühr von DM 30,- für eine einfache Meldeauskunft verstoße gegen den Kostendeckungsgrundsatz. Eine Gebühr sei so zu bemessen, daß das geschätzte Gebührenaufkommen den auf die Amtshandlungen entfallenden durchschnittlichen Personal- und Sachaufwand für den betreffenden Verwaltungszweig nicht übersteigt. Auf den entstehenden Verwaltungsaufwand für einzelne Vorgänge komme es dabei nicht an. Entscheidend sei das Gesamtgebührenaufkommen im Verhältnis zum Gesamtaufwand. Das Kostendeckungsprinzip könne nur dadurch verletzt werden, daß Haushaltsschätzung und Tarifgestaltung nicht auf das Ziel einer Beschränkung der Gebühreneinnahmen auf die Höhe des Verwaltungsaufwandes ausgerichtet sind, z. B. weil sie von nicht zu berücksichtigenden Haushaltsanschlägen beeinflußt sind oder weil von vornherein ein Gebührenüberschuss angestrebt wurde.
Konkret bemängelte das VG die Art und Weise der bei der Kalkulation des Gebührensatzes vorgenommenen Ermittlung des auf die Bearbeitung von Meldeauskünften entfallenden Anteils der Arbeitskraft der Mitarbeiter im Einwohnermeldeamt. Die Beklagte war davon ausgegangen, der Bedienstete sei zwei Nachmittage pro Woche mit Meldeauskünften beschäftigt. Die sich aus dieser Berechnung der Beklagten im Zusammenhang mit der Gesamtzahl der Meldeauskünfte ergebende durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 24 Minuten für eine einfache Meldeauskunft erscheine bei Nutzung einer EDV-Anlage unvertretbar hoch.
Kürzung der Sozialhilfe bei eigenem Pkw
Allein die Tatsache, dass ein Sozialhilfeempfänger ein Kraftfahrzeug hält, erlaubt es nicht, ein fiktives Einkommen anzurechnen und die Sozialhilfe demgemäß zu kürzen (nichtamtlicher Leitsatz).
- VG Mainz, Beschluss vom 17.08.2001
– Az.: 1 L 753/01 MZ -
Dem Fall lag eine Behördenpraxis zugrunde, bei Sozialhilfeempfängern, die im Besitz eines eigenen Kraftfahrzeuges sind und die über kein anrechnungsfreies Einkommen verfügen, grundsätzlich einen Betrag von DM 150,- als fiktives Einkommen anzurechnen und die Sozialhilfe entsprechend zu kürzen.
Nach Auffassung des Gerichts findet diese behördliche Praxis im Gesetz keine Grundlage. Im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeughaltung durch einen Sozialhilfeempfänger gelte vielmehr nur Folgendes: Die Fahrzeughaltung sei in der Regel geeignet, die Hilfebedürftigkeit in Zweifel zu ziehen. Dies berechtige die Sozialämter zunächst aber nur, dem Hilfeempfänger unter Fristsetzung aufzugeben, detailliert und mit Nachweisen versehen darzulegen, wie er die Kosten der Kfz-Haltung aufbringe. Komme der Hilfeempfänger dem innerhalb der Frist nicht nach, könne das Sozialamt wegen des Verstoßes gegen die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht die Hilfeleistung bis auf weiteres einstellen. Lege der Hilfeempfänger dagegen nachvollziehbar dar, daß er das Kfz durch Einsparungen aus den erhaltenen Sozialhilfeleistungen finanziere, was gerade bei einer sog. Bedarfsgemeinschaft wie einer mehrköpfigen Familie aufgrund der zur Verfügung stehenden höheren Barmittel eher möglich sei, so sei eine Kürzung oder eine völlige Einstellung der Hilfegewährung unzulässig. Die Grenze sei nur dort zu ziehen, wo sich die Kfz-Haltung als unwirtschaftliches Verhalten darstelle. Dies könne jedoch nur im jeweiligen Einzelfall festgestellt werden.
Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Hilfeempfänger die Mittel zur Finanzierung des Kfz von dritter Seite zugewandt bekomme. Dann lägen anrechenbare Einkünfte vor, die zu einer Kürzung der Sozialhilfeleistungen führten. Gleiches gelte für eine als Sachbezug zu wertende unentgeltliche Gebrauchsüberlassung eines Kfz durch einen Dritten.
© StGB NRW 2001