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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2004
Abfallentsorgung durch eine Nachbargemeinde
Das Gemeinderecht steht der Abfallentsorgung durch eine Gemeinde im Gebiet einer anderen Gemeinde nicht entgegen.
OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Oktober 2004
- Az.: 15 B 1873/04 und 15 B 1889/04 -
Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat in zwei Eilverfahren rechtsgrundsätzlich entschieden, dass das nordrhein-westfälische Gemeinderecht kommunale Einrichtungen der Abfallentsorgung nicht hindert, in anderen Gemeinden die Abfallentsorgung zu betreiben.
Zwei private Unternehmen der Abfallentsorgung hatten versucht, der Stadt Münster durch einstweilige Anordnung untersagen zu lassen, die Abfallentsorgung im Gebiet der Stadt Emsdetten zu übernehmen. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das OVG mit den beiden o. g. Beschlüssen letztinstanzlich abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Gemeindeordnung sehe für die Abfallentsorgung keine Beschränkungen vor, wie sie für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden im Allgemeinen bestünden. Dies gelte auch, wenn die Abfallentsorgung im Gebiet einer anderen Gemeinde stattfinde. Die vom Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf vertretene Auffassung, die Abfallentsorgungstätigkeit in der fremden Gemeinde (hier in Emsdetten) müsse zugleich den Betrieb der Abfallentsorgung (hier in Münster) fördern, finde keine Grundlage in der Gemeindeordnung.
Parallel zu den hiermit entschiedenen verwaltungsrechtlichen Verfahren versuchen die privaten Abfallentsorgungsunternehmen vor den für Vergaberecht zuständigen Instanzen (Bezirksregierung und ggf. Oberlandesgericht Düsseldorf) die Vergabe des Abfallentsorgungsauftrags an die Stadt Münster zu verhindern.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Haftung der Deutschen Bahn als Zustandsstörerin
Der Deutschen Bahn kann nicht als Zustandsstörerin aufgegeben werden, gegen das Nisten und Brüten von Tauben in einer Bahnunterführung auf ihre Kosten ein Netz spannen zu lassen.
OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2004
- Az.: 13 A 3802/02 -
Nachdem sich der Beklagte seit 1994 zunächst selbst bemüht hatte, der Verschmutzung durch Tauben unter der Bahnunterführung Herr zu werden, erließ er gegen die Klägerin, eine Gesellschaft der Deutschen Bahn, eine auf §§ 10, 13 BSeuchG i. V. m. § 18 OBG NRW gestützte Ordnungsverfügung, mit der er der Klägerin aufgab, an der Bahnunterführung durch das Anbringen einer Netzabspannung „das dauerhafte Ansammeln, Nisten und Brüten von Tauben unter der Brückenkonstruktion zu unterbinden“.
Durch erstinstanzliches Urteil gab das VG der Klage mit der Begründung statt, die Klägerin könne nicht als Störerin herangezogen werden, weil die Gefahr unmittelbar durch das Verhalten der Tauben ausgelöst werde, für das die Klägerin nicht verantwortlich sei.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Beklagte stützt sich als Eingriffsnorm auf § 13 Abs. 1 BSeuchG. Vom Vorliegen der Voraussetzungen dieser inzwischen durch Regelungen des Infektionsschutzgesetzes vom 20.07.2000 (IfSG) abgelösten, aber auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren Vorschrift kann zu Gunsten des Beklagten ausgegangen werden. Die Berechtigung für die Heranziehung der Klägerin entnimmt er § 18 Abs. 1 OBG NRW, was mangels entsprechender Regelung im Bundesseuchengesetz statthaft ist.
§ 18 OBG NRW regelt die Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen wie folgt:
„Geht von einer Sache oder einem Tier eine Gefahr aus, so sind die Maßnahmen gegen den Eigentümer zu richten. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die nachfolgenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden.“
§ 18 Abs. 1 OBG ist jedoch keine ausreichende Grundlage für die Inanspruchnahme der Klägerin. Das ergibt sich daraus, dass die Gefahr, die von dem Taubenkot ausgeht, nicht unmittelbar mit dem Zustand des Brückenbauwerks ursächlich in Verbindung steht.
Nach der Rechtsprechung besteht allerdings die Haftung eines Grundstückseigentümers als sog. Zustandsstörer wegen der sog. Zustandsverantwortung für ein Grundstück auch dann, wenn die Gefahr von in ein Grundstück eingebrachten Sachen, etwa Kampfmitteln, über die der Eigentümer des Grundstücks schon mangels Kenntnis von ihnen keine Sachherrschaft hat, oder wenn die Gefahr wie Felsbruch von einem Naturereignis ausgeht. Der Grund ist, dass sich aus der Sachherrschaft über das Grundstück wegen der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine Pflicht ergibt, in Bezug auf dieses Grundstück für Störungsfreiheit zu sorgen.
In diesen Fällen wird aus der Sachqualität des Grundstücks und der Sachherrschaft über das Grundstück die Unmittelbarkeit der Gefahr in Bezug auf das Grundstück abgeleitet.
Ob die Unmittelbarkeit - wie in den vorstehenden Fällen - noch gegeben ist, ist von Fall zu Fall in wertender Betrachtung festzustellen. Der Zustand einer Sache und die Sachherrschaft über sie können im Verhältnis zu der Gefahr oder dem Schaden auch eine nur entferntere, mittelbare Ursache darstellen; solche mittelbaren Ursachen lösen die polizeiliche Zustandshaftung jedoch nicht aus. So liegt der Fall etwa, wenn die Gefahr oder der Schaden unmittelbar durch eine Missbrauchshandlung eines Dritten ausgelöst wird, mag von der Sache auch ein gewisser Anreiz für diesen Missbrauch ausgehen. Deshalb ist etwa der Betreiber eines Flughafens nicht aus allgemeinen Gründen der Gefahrenabwehr verpflichtet, (auf eigene Kosten) Schutz vor terroristischen Anschlägen zu schaffen.
Im Rahmen der wertenden Betrachtung ist entscheidend, dass die Verwirklichung der Gefahr von wilden Tieren ausgeht, das Brückenbauwerk aber - anders als in den beiden Fällen der Kampfstoffe und der Felsabgänge - die Gefahr nicht in sich selbst trägt. Um eine tatsächliche Verbindung zu der Brücke herzustellen, muss auf die Nistplätze in dem Brückenbauwerk abgestellt werden, von denen selbst aber ebenfalls keine Gefahr ausgeht. Unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Nähe der Tiere zu dem Brückenbauwerk weiter dadurch relativiert, dass sich zwar die Tiere häufig, aber nicht notwendigerweise dort entleeren. Die fehlende Unmittelbarkeit wird auch dadurch deutlich, dass es im Bereich des Beklagten - aktenkundig - nicht nur unter der fraglichen Brücke (und möglicherweise unter weiteren Brücken) Verunreinigung durch Tauben gibt, sondern auch anderenorts und in Großstädten allgemein eine Taubenplage festzustellen ist.
Das Problem würde sich durch die angeordnete Netzabspannung allenfalls örtlich, aber nicht grundsätzlich verändern. Die Gefahr würde sich nämlich verlagern, da kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Verhinderung des Nistens im Bereich der Brücke zu einer insgesamt geringeren Taubenbelastung führen würde.
Die fehlende Unmittelbarkeit ergibt sich in Bezug auf das Brückenbauwerk ferner dadurch, dass nicht die Belästigung durch den von den Tauben abgegebenen Kot schon die Gefahr bildet, sondern erst der Umstand, dass dieser auf der Straße trocknet und als Staub von Menschen eingeatmet werden kann.
Diese zu dem Umstand, dass die Tauben wilde Tiere sind, hinzukommenden Gesichtspunkte machen den Fall entgegen dem Vorbringen des Beklagten auch unvergleichbar mit der Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers wegen Ratten, die regelmäßig darin besteht, dass ihm das Auslegen von Rattengift auf seinem Grundstück aufgegeben wird.
Wenn der Beklagte meint, bei der Auslegung des VG würde § 13 Abs. 1 BSeuchG ins Leere gehen, da grundsätzlich niemand als Störer in Anspruch genommen werden könne, ist dem schon wegen der Fallgruppe der Handlungsstörer nicht zu folgen. Außerdem ist grundsätzlich auch eine Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers als Zustandsstörer nicht ausgeschlossen, wenn die Gefahr und das Grundstück hinreichend eng (unmittelbar) in Beziehung stehen, was z. B. im Zusammenhang mit Ratten oftmals durch Lagerung von Unrat oder Abfall oder durch sonstige dem Grundstück eigene Anziehungspunkte der Fall ist. Gegebenenfalls kommt ferner eine Inanspruchnahme sogar nicht verantwortlicher Personen nach § 19 OBG NRW in Betracht. Nicht immer, wenn eine Gefahr zu beseitigen ist, muss auch ein anderer in Anspruch genommen werden können. Ein weiterer Anwendungsbereich des § 13 BSeuchG wäre im Übrigen gegeben, wenn sich der Beklagte, nachdem er seit zehn Jahren mit anderen Mitteln versucht, des Taubenproblems Herr zu werden, entschließen würde, die Tiere zu töten, weil die Behörde nach § 13 BSeuchG wie nach § 17 IfSG nämlich wirksam zu handeln hat. Wie auch die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, würde ihm dann gegenüber den Regelungen des Tierschutzgesetzes ebenfalls § 13 BSeuchG bzw. die Nachfolgeregelung § 17 IfSG zur Seite stehen.
© StGB NRW 2004