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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2006
Umsatzsteuersatz für „Essen auf Rädern“
Bei dem so genannten Essen auf Rädern und bei einem „Menü-Service“ überwiegt das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen das Lieferelement. Der für die Lieferung bestimmter Lebensmittel ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % gilt daher weder für Leistungen im Rahmen des so genannten Essens auf Rädern noch im Rahmen eines „Menü-Service“ in einer Schule. (Nichtamtliche Leitsätze)
BFH, Urteile vom 10. August 2006
- Az.: V R 55/04 und V R 38/05 -
Für die Lieferung bestimmter Lebensmittel wie z. B. Backwaren (auch so genannte Lebensmittelzubereitungen) gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %. Diese Begünstigung ist auf den Handel mit Lebensmitteln zugeschnitten. Werden dagegen Speisen und Getränke mit Dienstleistungen gastronomischer Art abgegeben, ist die gesetzliche Voraussetzung der bloßen „Lieferung“ regelmäßig nicht mehr gegeben. Diese Umsätze unterliegen dem Regelsteuersatz von z. Zt. 16 % (ab 01.01.2007: 19 %). Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH liegt dann eine Dienstleistung vor, wenn im jeweiligen Fall das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen das Lieferelement qualitativ überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung dürfen nur solche Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Allerdings kommt den zusätzlichen Leistungen aller Art regelmäßig ausschlaggebendes Gewicht zu. Betroffen sind insbesondere Imbisseinrichtungen aller Art, sog. Caterer und andere mobile Essensdienste.
Das so genannte „Essen auf Rädern“ war Gegenstand des Urteils mit dem Aktenzeichen V R 55/04. Ein Mahlzeitendienst gab fertig zubereitete Mittagessen portioniert auf eigenem Geschirr ohne Besteck an Einzelabnehmer in deren Wohnung aus. Der BFH bestätigte die Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht, dass die Leistungen des Mahlzeitendienstes nicht als Lieferungen, sondern als sonstige Leistungen (Dienstleistungen) anzusehen und deshalb mit dem Regelsteuersatz zu besteuern seien. Der Mahlzeitendienst hatte nicht nur die Speisen nach Hause geliefert, sondern darüber hinaus auf eigenen Tellern bereitgestellt sowie die Teller wieder abgeholt und gereinigt.
Das Urteil V R 38/05 betraf einen „Menü-Service“, der die Kinder mehrerer Schulen mit Mittagessen versorgte. Der Menü-Service brachte die in seiner Großküche zubereiteten Speisen heiß in Transportbehältern in die Schulen und gab sie durch seine Mitarbeiter portioniert auf Schulgeschirr in Schulräumen an die Kinder
aus. Geschirr, Besteck und Mobiliar wurden anschließend durch den Menü-Service gereinigt. Auch hier bestätigte der BFH die Beurteilung der Vorinstanz, dass das - durch diese Zusatzleistungen gebildete - Dienstleistungselement die Essensausgabe prägte. Die Umsätze unterlagen dem Regelsteuersatz.
Anspruch auf Sitzplatz im Schulbus
Die Amts- und Fürsorgepflichten des Trägers der Schülerbeförderung zwingen diesen nicht dazu, gesonderte Schulbusse mit Sitzplätzen für jeden Schüler anzubieten. Vielmehr können ohne Pflichtverletzung Omnibusse des öffentlichen Personennahverkehrs zur Nutzung angeboten werden. Der Träger der Schülerbeförderung hat lediglich sicherzustellen, dass der jeweils eingesetzte Bus die für die Anzahl der zu befördernden Schüler notwendige Betriebserlaubnis für den öffentlichen Personennahverkehr besitzt. (Nichtamtliche Leitsätze)
Landgericht Verden, Urteil vom 7. September 2005
- Az.: 7 O 167/2005 -
Die 9-jährige Klägerin fuhr mit dem Schulbus zur Grundschule. Die Fahrtstrecke beträgt 7 km. Die Klägerin musste im Mittelgang des Busses stehen und sich an Haltegriffen festhalten, wie ca. 20 bis 25 andere Kinder auch, weil die vorhandenen Sitzplätze belegt waren. Als der Busfahrer verkehrsbedingt gezwungen war zu bremsen, verlor die Klägerin den Halt und stürzte. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung habe eine besondere Fürsorgepflicht, die dahin gehe, sicherzustellen, dass die Schülerbeförderung für alle Schulkinder möglichst gefahrlos gestaltet werde. Dies sei in keiner Weise der Fall, wenn Kinder im Stehen in einem Bus befördert würden. Es bestehe die Pflicht des Beklagten, zumindest für jeden Grundschüler einen Sitzplatz zu garantieren.
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil dem Beklagten eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG nicht zur Last falle. Denn eine Verletzung von Amts- und Fürsorgepflichten durch den Beklagten als Träger der Schülerbeförderung sei nicht gegeben. Gemäß § 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis bestehe ein Anspruch auf Beförderung gem. dem Niedersächsischen Schulgesetz im Rahmen der Regelung dieser Satzung. In § 4 Abs. 1 der Satzung heiße es, „Die Schülerin bzw. der Schüler hat das vom Landkreis bestimmte Beförderungsmittel zu benutzen. Die Beförderung wird – soweit möglich – im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durchgeführt, sofern der Landkreis nicht eigene Beförderungsleistungen zur Verfügung stellt. Es besteht kein Anspruch auf die Beförderung mit einem besonderen Beförderungsmittelpunkt.“
Das Gericht hat weiter ausgeführt, der Beklagte lasse die Schülerbeförderung über den ÖPNV durchführen, was aufgrund der Satzung zulässig sei. Einen Anspruch auf gesonderte Schulbusse mit Sitzplätzen für jeden Schüler bzw. Grundschüler werde gerade nicht eingeräumt, vielmehr seien die von dem Beklagten zur Verfügung gestellten KOM des ÖPNV zu benutzen. Der Beklagte habe lediglich sicherzustellen, dass der jeweils eingesetzte Schulbus die für die Anzahl der zu befördernden Schüler notwendige Betriebserlaubnis für den ÖPNV besitze. Dies sei aber der Fall, weil der eingesetzte Schulbus mit 45 Sitz- und 46 Stehplätzen amtlich zugelassen sei.
Unter Ausnutzung der vorhandenen Stehplätze hätte jeder der 60 bis 63 Schüler einen Platz, so dass der Schulbus nicht überfüllt gewesen sei. Von daher sei der Beklagte seinen Amtspflichten nachgekommen. Ferner weist das Gericht darauf hin, das Verlangen der Klägerin, für jeden Grundschüler einen Sitzplatz zu garantieren, sei nicht durchführbar. Denn es sei davon auszugehen, dass ältere Schüler den Grundschülern die Sitzplätze nicht von sich aus anbieten würden, so dass dies vielmehr durch den Beklagten mit unverhältnismäßig hohem Personalaufwand sichergestellt werden müsse. Dies aber wäre wirtschaftlich nicht zumutbar.
Soweit die Klägerin auf eine Statistik zum Schülerunfallgeschehen verweise, die auf das gesamte Bundesgebiet ausgelegt sei, ergäbe sich ausweislich der Tabelle 4, dass die Schulart Grundschule 11,9 % der angezeigten Schulwegunfälle betreffe. Ausweislich der Tabelle 12 sei die große Anzahl der Schulwegunfälle auf private Verkehrsmittel zurückzuführen, während die Schülerbeförderung im Rahmen des ÖPNV insoweit lediglich mit 0,7 % ausgewiesen wäre, wobei auf Seite 22 der Statistik ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass sich erhöhte Schulbusunfallzahlen mit der Erweiterung des versicherten Kollektivs in den neuen Bundesländern erklären ließen. Daher erscheine es unverhältnismäßig, weil wirtschaftlich nicht vertretbar, von dem Beklagten fordern zu wollen, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Schüler einen Sitzplatz in einem Schulbus einnehmen könne.
Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in dm-Drogerien
Dm-Drogerien dürfen einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Zusammenarbeit mit einer Versandhandelsapotheke unterhalten. (Nichtamtlicher Leitsatz)
OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006
- Az.: 13 A 1314/06 -
Im Juni 2004 hatte die Firma dm in Kooperation mit einer Versandhandelsapotheke in Venlo, Niederlande, in acht Testfilialen in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Viersen einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel eingerichtet: Der Kunde füllte den in der dm-Filiale ausliegenden Bestellschein aus, steckte ihn - bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln zusammen mit dem Rezept - in eine Bestelltasche und warf diese in eine Bestellbox. Spätestens 72 Stunden später konnte der Kunde das Paket mit den aus Venlo gelieferten Arzneimitteln in der dm-Filiale abholen.
Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf sah darin einen Verstoß gegen das Arzneimittelrecht, das eine Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel nur in einer Apotheke oder im genehmigten Versandhandel durch eine Apotheke vorsehe, und untersagte den Service. Die Firma dm und die Versandhandelsapotheke setzten daraufhin ihre Kooperation aus. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hatte die Firma dm weder vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf noch im Beschwerdeverfahren vor dem OVG NRW Erfolg. Im Hauptsacheverfahren wurde ihre Klage vom VG Düsseldorf mit Urteil vom 15.02.2006 abgewiesen. Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Firma dm hat das OVG nunmehr mit dem o. g. Urteil stattgegeben. In der mündlichen Urteilsbegründung hieß es:
Das Vertriebskonzept der Firma dm und der Venloer Apotheke verstoße weder gegen das Arzneimittelrecht noch gegen das Apothekenrecht. Seit 2004 lasse dieses den Versandhandel mit Arzneimitteln durch Apotheken zu. Auch niederländische Apotheken könnten Arzneimittel nach Deutschland versenden. Der Sache nach entspreche das Vertriebskonzept zwar nicht dem herkömmlichen Bild des Versandhandels, bei dem eine Ware an eine vom Besteller angegebene Anschrift geliefert werde. Der vom Gesetz verwendete Begriff des Versandhandels sei aber für neue Formen des Versandhandels offen.
Zwischenzeitlich hätten sich vermehrt Formen des Versandhandels entwickelt, bei denen der Besteller die Ware von Abholpunkten, etwa in Gewerbebetrieben mit langen Öffnungszeiten wie Tankstellen oder Videotheken, oder in Paketstationen rund um die Uhr abholen könne. In solchen Formen würden auch Arzneimittel vertrieben. Das Vertriebskonzept von dm und der Venloer Apotheke sei nicht anders zu bewerten, es berge eher weniger Gefahren für die Arzneimittelsicherheit in sich als der Vertrieb von Arzneimitteln im Versandhandel herkömmlichen Stils oder mit anderen Abholstationen.
Die Firma dm unterhalte mit dem Bestellservice auch keine verbotene Rezeptsammelstelle. Dem Inhaber einer Präsenzapotheke sei eine Rezeptsammelstelle außerhalb der Apothekenräume grundsätzlich untersagt. Demgegenüber sei das Sammeln von Rezepten außerhalb der Apothekenräume für eine Versandhandelsapotheke geradezu typisch. Mit der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln sei darum auch das Sammeln von Rezepten in Briefkästen oder wie hier in Bestellboxen in den dm-Filialen zugelassen.
Unabhängig davon, dass damit die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Oberbürgermeisters der Stadt Düsseldorf gefehlt hätten, sei die gegen die Firma dm ergangene Untersagungsverfügung auch deshalb aufzuheben, weil die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht gesehen und betätigt habe. Die Behörde sei zu Unrecht von einer Pflicht zum Einschreiten ausgegangen. Auch habe sie nicht in Erwägung gezogen, ob nicht anstelle oder neben der Firma dm die Venloer Apotheke hätte in Anspruch genommen werden können.
Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Zwar habe die Frage, ob ein Vertriebskonzept wie das zwischen dm und der Venloer Apotheke vereinbarte arzneimittel- und apothekenrechtlich zulässig sei, grundsätzliche Bedeutung; diese Frage sei aber nicht allein entscheidungserheblich. Der weiterhin entscheidungserhebliche Ermessensnichtgebrauch rechtfertige nicht die Zulassung der Revision. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
© StGB NRW 2006