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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2007
Sozialhilfe zur Teilnahme am integrativen Schulunterricht
Der Sozialhilfeträger hat individuelle Integrationshilfekosten auch dann zu übernehmen, wenn schulrechtlich Wahlfreiheit zwischen einer integrativen Unterrichtung und dem Besuch der öffentlichen Förderschule besteht und diese Kosten beim Besuch einer Förderschule nicht anfielen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2007
- 5 C 34.06 und 35.06 –
Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Verfahren entschieden, dass die Stadt Chemnitz verpflichtet ist, die Kosten eines Integrationshelfers (Unterstützungsperson beim Schulbesuch) für ein schulpflichtiges behindertes Kind - hier: für die integrative Unterrichtung an einer Montessori-Grundschule bzw. an einer Montessori-Mittelschule - zu übernehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits früher ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers für den Besuch einer integrativ unterrichtenden Grundschule, der das Kind schulrechtlich zugewiesen ist, besteht, obwohl solche Kosten sonst nicht angefallen wären. In den vorliegenden Verfahren war nunmehr weitergehend zu klären, ob individuelle Integrationshilfekosten auch dann zu übernehmen sind, wenn schulrechtlich Wahlfreiheit besteht und diese Kosten beim Besuch einer Förderschule nicht anfielen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat einen solchen Anspruch bejaht. Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG in Verbindung mit § 12 Nr. 1 der Eingliederungshilfeverordnung) umfassen die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung Maßnahmen zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn sie erforderlich und geeignet sind, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts vor, nachdem das Schulamt den betroffenen Kindern bzw. ihren Eltern die Wahl zwischen einer integrativen Unterrichtung an der Montessori-Schule und dem Besuch der öffentlichen Förderschule überlassen hatte. Der Sozialhilfeträger musste angesichts der dem Kind bzw. den Eltern eingeräumten Wahlfreiheit deren Entscheidung für eine integrative Beschulung respektieren.
Erhebung von Studienbeiträgen in NRW
Die Erhebung von Studienbeiträgen, die seit dem Wintersemester 2006/2007 auch für das Erststudium eingeführt sind, ist rechtmäßig (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2007
- Az.: 15 A 1596/07 -
Der 15. Senat des OVG NRW hat entschieden, dass die Erhebung von Studienbeiträgen, die seit dem Wintersemester 2006/2007 auch für das Erststudium eingeführt sind, rechtmäßig ist. Geklagt hatte die Studierendenschaft der Universität Paderborn gegen die Universität Paderborn. Die Klägerin machte den an sie abgetretenen Rückforderungsanspruch einer Studentin geltend, die den Studienbeitrag von 500 Euro für das Semester zwar gezahlt, aber unter Hinweis auf die nach ihrer Meinung gegebene Nichtigkeit des Studienbeitragsgesetzes zurückgefordert hatte. Mit Urteil vom 26.03.2007 hatte das Verwaltungsgericht Minden die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist nunmehr vom OVG NRW zurückgewiesen worden.
In der mündlichen Urteilsbegründung wurde ausgeführt: Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz berechtige die Universität zur Erhebung von Studienbeiträgen. Höherrangiges Recht stehe dieser Regelung nicht entgegen. Das gelte namentlich für den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt). Artikel 13: (1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an [...] (2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts [...] c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss.
Der UN-Sozialpakt enthalte zwar eine Vertragsbestimmung über den unentgeltlichen Zugang zum Hochschulunterricht, auch habe die Bundesrepublik dem Pakt durch Gesetz zugestimmt. Gleichwohl sei die Vertragsbestimmung weder darauf angelegt noch geeignet, innerstaatlich als unmittelbar geltendes Recht angewandt zu werden. Auch sei das Land Nordrhein-Westfalen nicht verpflichtet gewesen, mit Rücksicht auf etwaige sich aus den Vertragsbestimmungen ergebende Verpflichtungen des Bundes von der Einführung von Studienbeiträgen abzusehen. Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz verstoße auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das Recht der freien Wahl der Ausbildungsstätte. Durch die begleitenden Darlehensregelungen des Gesetzes sei nämlich sichergestellt, dass weiterhin allen dazu Befähigten ein Studium in zumutbarer Weise möglich sei.
Das OVG NRW hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist die Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Erhöhte Hundesteuer für Rottweiler
1. Ein Abwägungsdefizit bei der Aufnahme der Hunderasse „Rottweiler“ in die Liste unwiderleglich vermuteter „gefährlicher Hunde“ in der Hundesteuersatzung besteht nicht, wenn die Gemeinde an die Hunderasselisten des § 3 Abs. 2 S. 2 und § 10 Abs. 1 Landeshundegesetz NRW anknüpft und sich damit den im Gesetzgebungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen zum abstrakten Gefährdungspotenzial der Hunderasse „Rottweiler“ anschließt.
2. Hunde der Rasse „Rottweiler“ dürfen entsprechend der örtlichen Hundesteuersatzung als so genannte gefährliche Hunde mit einem erhöhten Hundesteuersatz belegt werden, obwohl diese Hunderasse in der Rasseliste der „Hunde bestimmter Rassen“ des § 10 Abs. 1 und nicht der des § 3 Abs. 2 S. 2 Landeshundegesetz NRW („gefährliche Hunde“) aufgeführt ist.
VG Münster, Urteil vom 8. August 2007
- Az.: 9 K 3426/04 -
Hunde der Rasse „Rottweiler“ dürfen als so genannte gefährliche Hunde in Gescher entsprechend der örtlichen Hundesteuersatzung mit dem erhöhten jährlichen Steuersatz von 240,00 Euro statt 36,00 Euro belegt werden.
Die Kläger, Halter eines Rottweilers, hatten in ihrer Klage darauf verwiesen, die in der Hundesteuersatzung erfolgte Aufnahme der Hunderasse „Rottweiler“ in eine Liste von Hunden, deren Gefährlichkeit unwiderleglich vermutet werde, verstoße gegen den auch im Steuerrecht zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz. Der Rat habe sich bei Erlass der Hundesteuersatzung an dem im Jahre 2003 in Kraft getretenen Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen orientiert. Dieses definiere vier Hunderassen in seinem § 3 als „gefährliche Hunde“, zu denen der Rottweiler nicht gehöre. Diese Rasse sei vielmehr in die Rasseliste des § 10 Landeshundegesetz, die „Hunde bestimmter Rassen“ betreffe und für die weniger einschneidende Verpflichtungen bei der Haltung vorgesehen seien, aufgenommen. Eine solche Differenzierung, wie sie das Landeshundegesetz aufweise, fehle in der Hundesteuersatzung der Stadt Gescher.
Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht. Es hat im Wesentlichen dargelegt: Mit der Hundesteuer dürfe die Gemeinde u. a. auch das Ziel verfolgen, in ihrem Gebiet generell und langfristig das Halten solcher Hunde zurückzudrängen, die auf Grund ihrer durch Züchtung geschaffenen typischen Eigenschaften in besonderer Weise die Eignung aufwiesen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln, sei es auch erst nach Hinzutreten anderer Faktoren. Diesem mit der Hundesteuer verfolgten Lenkungszweck entspreche es, wenn die Stadt Gescher in ihre Hundesteuersatzung die in § 3 und § 10 Landeshundegesetz genannten Hunderassen einschließlich des dort aufgeführten Rottweilers der erhöhten Hundesteuer für einen gefährlichen Hund unterwerfe. Die Halter der Hunde beider Rasselisten unterlägen im Wesentlichen gleichen Verpflichtungen und Auflagen nach dem Landeshundegesetz.
Auch aus dem Gesetzgebungsverfahren des Landeshundegesetzes, dem sich die Stadt Gescher mit ihrer Satzung habe anschließen dürfen, ergebe sich, dass der Rottweiler zu den Hunderassen mit einem abstrakten Gefährdungspotenzial gehöre, an das die Hundesteuersatzung allein anknüpfe. Ein Abwägungsdefizit bei der Aufnahme der Hunderasse „Rottweiler“ in die Liste sei daher nicht erkennbar. Überdies habe der Rat der Stadt bei Fassung des Beschlusses über die Hundesteuersatzung entsprechende eigene Erwägungen zum abstrakten Gefährdungspotenzial der Hunderasse „Rottweiler“ angestellt. Sie würden durch die so genannten Beißstatistiken der Jahre 2003 bis 2006 im Übrigen bestätigt, in denen der Rottweiler bei Beißvorfällen mit Verletzungen am Menschen regelmäßig im oberen Drittel auffällig gewordener Hunderassen vorzufinden sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Kläger haben Berufung beim OVG NRW eingelegt.
© StGB NRW 2007