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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2017
Aufsichtspersonen für benachbarte Spielhallen
Ist der Betreiber zweier benachbarter Spielhallen mit gemeinsamem Aufsichtsbereich durch Nebenbestimmung in den gewerberechtlichen Erlaubnissen verpflichtet, während des Betriebs die ständige Anwesenheit einer Aufsichtsperson zu gewährleisten, so genügt sie dieser Pflicht durch eine Aufsichtsperson für beide Spielhallen. (amtlicher Leitsatz)
OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 2017
- Az.: 4 A 595/15 -
Die Klägerin betreibt zwei Spielhallen, die sich nebeneinander, in durch eine Mauer getrennten Räumen befinden. Die Spielhallen haben getrennte Eingänge und in der gemeinsamen Wand befindet sich eine Tür. Auf Höhe dieser Tür ist auf beiden Seiten jeweils eine Theke für die Spielhallenaufsicht vorgesehen, so dass man beim Durchschreiten der Tür von einem Aufsichtsbereich zum anderen gelangt. Für den Betrieb hat die Beklagte der Klägerin zwei Erlaubnisse gemäß § 33i Abs. 1 GewO erteilt. Beide Erlaubnisse enthalten die gleichlautende Auflage: „Während des Spielbetriebs hat der Erlaubnisinhaber oder eine Person, die zur Leitung oder zur Beaufsichtigung dieses Betriebs bestellt ist, ständig anwesend zu sein.“
Nach Aufnahme des Betriebs beanstandete die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass für beide Spielhallen nur eine gemeinsame Aufsicht anwesend war, wogegen sich die Klägerin letztlich im Klagewege zur Wehr setzte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in der Auflage sei bestimmt, dass während des Spielbetriebs eine Aufsichtsperson ständig anwesend zu sein habe. Aus dem Wortlaut der Auflage selbst sei zwar nicht zu entnehmen, wo sich die Aufsichtsperson aufzuhalten habe. Dies ergebe sich aber eindeutig aus dem Sachzusammenhang. Da nämlich die Erlaubnis für eine bestimmte Spielhalle erteilt werde, beziehe sich auch das Erfordernis, ständig anwesend zu sein, auf die jeweilige Spielhalle.
Die Berufung der Klägerin zum OVG hatte demgegenüber Erfolg. Die Klägerin - so das Gericht - erfülle die Auflagen auch mit einer gemeinsamen Aufsichtsperson für beide Spielhallen. Das Verwaltungsgericht sei im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass dem Wortlaut der Auflage selbst nicht zu entnehmen sei, wo sich die Aufsichtsperson aufzuhalten hat. Die Formulierung der Auflage erfordere für jede der unmittelbar benachbarten Spielhallen mit einem gemeinsamen Aufsichtsbereich die ständige Anwesenheit des Erlaubnisinhabers oder einer anderen Aufsichtsperson.
Der genehmigte Lageplan weise allerdings einen gemeinsamen Aufsichtsbereich aus, der eine gemeinsame Beaufsichtigung beider Spielhallen durch eine Aufsichtsperson ohne weiteres ermögliche. Gerade mit Blick auf die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einer derartigen baulichen Gestaltung keine zweite Aufsichtskraft zur Abwehr einer konkreten Gefahr von Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz erforderlich ist, sei nach dem für die Auslegung der bestandskräftigen Auflagen maßgeblichen Empfängerhorizont weder dem auch nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts insoweit unklaren Wortlaut der in Rede stehenden Auflage noch dem Sachzusammenhang zu entnehmen, dass die Klägerin mit einer gemeinsamen Aufsicht, die ständig anwesend ist, gegen die Auflage verstoße.
Insoweit fehle es an der von der Beklagten behaupteten bestandskräftig gewordenen verbindlichen Festlegung einer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung rechtswidrigen, weil nicht erforderlichen, Festlegung des Inhalts, dass für jede Spielhalle trotz gemeinsamer Beaufsichtigungsmöglichkeit je eine Aufsichtspersonen ständig anwesend zu sein habe. Schon durch eine Aufsichtsperson sei die geforderte ständige Anwesenheit bezogen auf beide unmittelbar aneinandergrenzenden und durch eine offen stehende Tür verbundenen Spielhallen gewährleistet.
Standort von Altkleidercontainern
1. Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit nach § 14 Abs. 1 OBG NRW bezweckt das Abstellen von Altkleidersammelcontainern - unter Berücksichtigung des jeweiligen Aufstellungsortes - in der Regel die Befüllung des Containers, nicht aber das bei der Befüllung (unter Umständen) auftretende verkehrswidrige Verhalten der Benutzer.
2. Ein Austausch der Rechtsgrundlage ohne Wesensänderung scheidet bei § 14 Abs. 1 OBG NRW und § 61 Abs. 1 BauO NRW in der Regel aus, weil sowohl unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen als auch dementsprechend verschiedene Ermessenserwägungen anzustellen sind. (amtliche Leitsätze)
OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2017
- Az.: 11 A 353/17 -
Die Klägerin sammelt Altkleider und stellt dazu öffentlich zugängliche Sammelcontainer auf. Einer dieser Container befindet sich neben einem gepflasterten Bereich auf einem Privatgrundstück. Der gepflasterte Bereich grenzt direkt an einen Geh-und Fahrradweg, und ist auch durch Überquerung dieses Weges zu erreichen. Der Stellplatz des Altkleidercontainers liegt direkt neben der Ausfahrt eines Parkhauses. Per Ordnungsverfügung forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Altkleidercontainer zu entfernen und diesen nicht mehr dort aufzustellen.
Zur Begründung wurde angegeben, dass das Befüllen des Containers nur möglich sei, indem der getrennte Geh-/Radweg im Einmündungsbereich der Ausfahrt zum Parkhaus des angrenzenden Supermarktes überfahren werde. Hier liege eine besondere Gefährdung des Straßenverkehrs vor, weil die Sicht und die Ausfahrt aus dem Parkhaus des Kauflandgebäudes ständig beeinträchtigt würden. Weiterhin sei die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgänger- und Radfahrverkehrs nicht gewährleistet. Die Klagebegründung hält den Bescheid dagegen für rechtswidrig. Straßenrecht komme nicht als Rechtsgrundlage in Betracht, weil der fragliche Container auf einer privaten Grundstücksfläche abgestellt worden sei.
Außerdem liege eine Verkehrsgefährdung tatsächlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klage bereits unzulässig sei, weil die Klägerin kein subjektives Recht geltend machen könne, das sie zur Aufstellung des Containers berechtige. Die Klage sei außerdem unbegründet. Die angefochtene Ordnungsverfügung sei rechtmäßig und könne auf § 61 Abs. 1 BauO NRW gestützt werden. Der Container gefährde als öffentliche Anlage den öffentlichen Straßenverkehr im Sinne von § 19 Abs. 2 BauO NRW.
Der Container fordere ein verkehrsgefährdendes Verhalten der Nutzer heraus, welches auch durch das Aufstellen des Containers und die Pflasterung der anliegenden Fläche herausgefordert worden sei. Zudem werde der Geh- und Radweg durch die Benutzer des Containers über den Gemeingebrauch hinaus genutzt. Maßnahmen nach § 22 StrWG NRW seien auch gegenüber demjenigen möglich, der das Verhalten der Verkehrsteilnehmer herausgefordert habe.
Der hiergegen gerichteten Berufung gab das OVG indes statt. Die streitbefangene Beseitigungsverfügung könne weder auf die von der Beklagten gewählte ordnungsrechtliche Grundlage noch auf die vom Verwaltungsgericht in den Blick genommenen baurechtlichen Vorschriften oder auf straßenrechtliche Regelungen gestützt werden. Zunächst lägen die Voraussetzungen der von der Beklagten für die Beseitigungsanordnung herangezogenen Vorschrift des § 14 Abs. 1 OBG NRW als Ermächtigungsgrundlage nicht vor.
Ein Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang zwischen der Aufstellung des Altkleidersammelcontainers auf dem Privatgrundstück und dem ordnungswidrigen Abstellen der Fahrzeuge auf dem Geh- und Radweg durch die Benutzer des Containers sei nicht in der Weise gegeben, dass die (Mit-)Veranlassung der Antragstellerin und der von der Antragsgegnerin behauptete (Gefahren-)Erfolg als natürliche Einheit angesehen werden könnten. Die Antragsgegnerin bezwecke die Befüllung ihres Containers, nicht aber das bei der Befüllung (unter Umständen) auftretende verkehrswidrige Verhalten der Benutzer.
Die Heranziehung des § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW als Ermächtigungsgrundlage scheitere bereits an dem Umstand, dass die Beklagte den streitbefangenen Verwaltungsakt auf § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt habe und dass ein Austausch der Ermächtigungsgrundlage hier nicht in Betracht komme. Denn ein Austausch der Begründung könne nicht ohne Wesensänderung der streitbefangenen Regelung vorgenommen werden.
Schließlich komme auch die Regelung des § 22 Satz 1 StrWG NRW nicht als Rechtsgrundlage für die Entfernungsanordnung in Betracht. Der Container müsse nicht von der öffentlichen Verkehrsfläche aus befüllt werden, sondern die Befüllung finde ausschließlich auf dem im Privateigentum stehenden Grundstück statt. Verkehrsordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge mögen dem Container zwar zuzurechnen sein. Dies führe aber nicht dazu, dass aus der Benutzung des Containers, der auf einem Privatgelände stehe und auch nur von dort aus zu befüllen sei, eine straßenrechtliche Sondernutzung werde.
Widmungsrecht
Zu einer mangels schützenswerter Rechtsposition beim Anliegergebrauch erfolglosen Anfechtung einer Widmung
OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2017
- Az.: 11 A 2438/16 -
Geklagt wurde von Anliegerseite gegen die Widmung einer Straße. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Anfechtungsklage gegen die Widmung als Allgemeinverfügung bereits unzulässig sei, weil dem Kläger die erforderliche Klagebefugnis fehle. Die Befugnis, sich gegen eine Widmungsverfügung i. S. d. § 6 StrWG NRW mit einer Anfechtungsklage zu wehren, stehe nur einem beschränkten Personenkreis zu, zu dem unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anlieger zu zählen seien. An die Widmungsverfügung knüpfe die Rechtsordnung für die Anlieger Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten, die als Ausfluss des durch die Widmung geschaffenen öffentlich-rechtlichen Status der Straße anzusehen seien und aus denen eine Klagebefugnis des Anliegers abgeleitet werden könne.
Eine derart pauschale Abgrenzung des Kreises der Rechtschutzberechtigten nach bestimmten Personengruppen sei im vorliegenden Fall jedoch nicht sachgerecht. Der Kläger greife die Widmung nämlich nicht wegen der sich aus der Widmung ergebenden Pflichten als Anlieger oder wegen einer Beeinträchtigung seines Anliegergebrauchs an, sondern weil dem Verfahren unter Berücksichtigung des Streitstandes in bereits zuvor anhängig gewesenen Verfahren zugrunde liege, dass der Kläger einen Bereich der nun gewidmeten Teilfläche für die Lagerung von Holz genutzt habe und auch weiter nutzen wolle. Dies sei keine schützenswerte Rechtsposition, die eine Klagebefugnis für eine Anfechtung einer Widmung begründen könne. Zudem wäre die Klage jedenfalls unbegründet, weil die angegriffene Widmung keine subjektiven Rechte des Klägers verletze.
Das OVG hat diese Wertung bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Senats sei die für eine Widmung maßgebliche Bestimmung des § 6 Abs. 1 und 3 StrWG NRW keine Vorschrift, die dem Anlieger der zu widmenden Straße subjektive Rechte vermittele. Unbeschadet dessen, dass bei einer Widmung die Interessen der Eigentümer der an eine Straßenfläche grenzenden Grundstücke im Rahmen der behördlichen Entscheidung in aller Regel mit berücksichtigt würden, nehme die Beklagte bei der Widmung ausschließlich eine öffentliche Aufgabe wahr, bei der sie sich nicht von individuellen Belangen einzelner, sondern von übergeordneten straßenrechtlichen Erwägungen zu leiten lassen habe.
Es entspreche daher der ganz überwiegenden Auffassung, dass dem Einzelnen, vorbehaltlich anderweitiger Bindungen, kein im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzendes Recht auf eine Widmung eines wie auch immer gearteten Widmungsbegehrens zustehe. Dasselbe gelte im Hinblick auf die hier vorliegende Anfechtungssituation. Der Kläger sei als Anlieger der nunmehr gewidmeten Straße nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt. Insofern komme allein eine Beeinträchtigung seines Anliegergebrauchs in Betracht. Doch auch mit Blick darauf würden die Rechte des Klägers als Anlieger der gewidmeten Straße durch die Widmung nicht berührt.
Düsseldorfer „Licht-aus!“-Aufruf rechtswidrig
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des sog. „Licht-aus!“-Aufrufs des Düsseldorfer Oberbürgermeisters und die nachfolgende tatsächliche Abschaltung an öffentlichen Gebäuden bestätigt und zugleich auch die Bitte, an einer Gegendemonstration teilzunehmen, für unzulässig erklärt. (Orientierungssatz)
BVerwG, Urteil vom 13. September 2017
- Az.: 10 C 6.16 -
Die Klägerin meldete für den 12. Januar 2015 eine Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ an. Anlässlich dieser Versammlung stellte der Düsseldorfer Oberbürgermeister im Vorfeld auf der städtischen Internetseite die Erklärung „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ ein. Darin wurde angekündigt, dass ab Demonstrationsbeginn an verschiedenen öffentlichen Gebäuden der Stadt die Beleuchtung ausgeschaltet werde. Zugleich rief er die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute auf, die Beleuchtung an ihren Gebäuden ebenfalls auszuschalten, um ein „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen. Ferner bat er in der Erklärung um die Teilnahme an einer Gegendemonstration. Während der Versammlung wurde die Beleuchtung am Rathaus sowie an weiteren städtischen Gebäuden ausgeschaltet.
In der Ausgabe Dezember 2016 der Zeitschrift Städte- und Gemeinderat wurde bereits über die vorinstanzliche Entscheidung des OVG NRW berichtet, das den Aufruf sowie das tatsächliche Abschalten des Lichts an öffentlichen Gebäuden für unzulässig, die Bitte zur Teilnahme an einer Gegendemonstration jedoch für zulässig gehalten hat. Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nunmehr entschieden hat, war auch die Bitte des Oberbürgermeisters, an einer Gegendemonstration teilzunehmen, rechtswidrig.
Der Oberbürgermeister sei als kommunaler Wahlbeamter zwar grundsätzlich befugt, sich im Rahmen seines Aufgabenbereichs zu Themen der örtlichen Gemeinschaft öffentlich zu äußern. Diese Befugnis unterliege jedoch Grenzen. Aus dem Demokratieprinzip folge, dass sich ein Amtsträger am politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung beteiligen, ihn aber nicht lenken und steuern dürfe. Ebenso seien ihm Äußerungen nicht gestattet, die die Ebene des rationalen Diskurses verlassen oder die Vertreter anderer Meinungen ausgrenzen.
Danach seien die in Rede stehenden Maßnahmen des Düsseldorfer Oberbürgermeisters als rechtswidrig zu bewerten. Der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration habe in unzulässiger Weise den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung beeinflusst. Mit dem Aufruf, das Licht auszuschalten, und dem tatsächlichen Ausschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden würden die Grenzen der Äußerungsbefugnis, sich in sachlicher und rationaler Weise mit den Geschehnissen in der Stadt Düsseldorf auseinanderzusetzen, überschritten und der Bereich politischer Kommunikation durch diskursive Auseinandersetzung verlassen.