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Hauptausschuss 2024
Heft Januar-Februar 2017
Steuersatz für gefährliche Hunde
Ein Steuersatz i. H. v. 1.200 Euro im Jahr für einen gefährlichen Hund ist auch bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.10.2004 9 C 8.13) nicht überhöht. (Amtlicher Leitsatz)
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.06.2016
- Az.: 2 LB 34/15 -
Der Kläger ist Halter einer 14 Jahre alten Deutsch-Drahthaar-Hündin, die qua Ordnungsverfügung als gefährlicher Hund eingestuft worden war. Gemäß Hundesteuersatzung der Gemeinde beträgt die (erhöhte) Hundesteuer für gefährliche Hunde für den ersten Hund 1.200 Euro, der allgemeine Steuersatz demgegenüber lediglich 75 Euro. Der Kläger wendete sich gegen die Höhe des Steuersatzes, monierte eine erdrosselnde Wirkung und machte geltend, die Hundesteuer für gefährliche Hunde dürfe die jährlichen Belastungen durch die Haltungskosten nicht überschreiten, die nur ca. 600 Euro pro Jahr betrügen.
Das OVG Schleswig-Holstein hielt - wie zuvor bereits die erste Instanz - die Besteuerung demgegenüber für rechtmäßig und ließ eine Revision nicht zu. Nach einhelliger Rechtsprechung sei es zulässig, mit Regelung höherer Steuersätze für bestimmte Hunderassen einen Lenkungszweck zu verfolgen. Die Erhebung einer Steuer dürfe neben dem Finanzierungszweck selbst auch einem Lenkungszweck dienen, solange sie nicht in ein sachregelndes Verbot umschlage oder einem solchen gleichkomme. Eine solche reine Lenkungsabgabe liege hier jedoch deshalb nicht vor, weil bei einem Jahressteuerbetrag von 1.200 Euro die monatliche Belastung noch so gering sei, dass ein Umschlagen der Kampfhundesteuer in ein Verbot der Kampfhundehaltung nicht vorliege.
Vergleiche mit Steuersätzen anderer Gemeinden seien unerheblich. Eine Gemeinde habe ihre Entscheidungen auf dem Gebiet des kommunalen Abgabenrechts in eigener Verantwortung zu treffen und dabei lediglich die abgabenrechtlichen Vorgaben zu wahren. Ebenso unerheblich seien Überlegungen zu einem Vielfachen des „Normal“-Steuersatzes. Ein Steuersatz werde nicht durch seine Relation zu anderen Steuersätzen „erdrosselnd“, sondern allein durch seine objektive Höhe. Ein Vergleich des besonderen Steuersatzes für gefährliche Hunde mit dem für „normale“ sei ebenso wenig ergiebig, da dieser niedrigere Steuersatz aus den unterschiedlichsten Gründen von den Gemeindevertretungen auf unterschiedlichste Höhe festgesetzt worden sein könne.
Offen bleiben könne vorliegend außerdem, ob der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 15.10.2014 9 C 8.13 hinsichtlich der absoluten Höhe der Hundesteuer zuzustimmen sei. Ein Steuersatz i. H. v. 1.200 Euro sei auch bei Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Regel, dass der Betrag die durchschnittlichen jährlichen Unterhaltungskosten eines Hundes nicht übersteigen dürften, nicht derart überhöht, dass von einer erdrosselnden Wirkung gesprochen werden könnte. Dieser Betrag halte sich nämlich durchaus im Rahmen dessen, was bei einem normalen Familienhund bei artgerechter Haltung und Wahrung aller sinnvollen Vorkehrungen aufzuwenden sei.
Die Berechnungen des Klägers zu den durchschnittlichen Unterhaltungskosten eines Hundes stellten die Rechtmäßigkeit seiner Heranziehung nicht in Frage. Die von ihm eingesetzten Daten seien unrealistisch, zumal er auf die Einzelposten der Unterhaltung nicht eingehe. Nach Rechnung des Gerichts ergeben sich ohne jeglichen Sonderaufwand bereits Unterhaltungskosten i. H. v. fast 750 Euro pro Jahr. Zusätzlicher Sonderaufwand sei aber selbst nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts neben den allgemeinen Kosten für die Hundehaltung einzurechnen und bliebe keineswegs im Bereich des Vernachlässigbaren, auch dann nicht, wenn man ihn auf die wahrscheinliche Lebensdauer des Hundes umrechne. Nach Berechnungen des Gerichts könne sich der Sonderaufwand durchaus auf 450 Euro summieren, sodass der geforderte Steuersatz die üblichen Unterhaltungskosten insgesamt nicht übersteige.
Soweit ersichtlich hatte der Erdrosselungseinwand bislang nur in zwei Entscheidungen zur Hundesteuer Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.06.2005 - 6 C 10308/05) hat einen Jahreshundesteuersatz von 1.000 Euro je gefährlichem Hund, das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.10.2014 - 9 C 8/13) einen Hundesteuersatz von 2.000 Euro jährlich für einen Kampfhund für erdrosselnd gehalten.
Eintrittspreise für Bürger/innen ortsnaher Gemeinden
In privatrechtlichen Organisationsformen geführte Unternehmen, die vollständig im Eigentum des Staates stehen (öffentliche Unternehmen), sind unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Für eine bloß mittelbare Berücksichtigung der Grundrechte im Verhältnis öffentlicher Unternehmen zu Grundrechtsberechtigten im Privatrechtsverkehr ist daher kein Raum. (Orientierungssatz)
BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.07.2016
- 2 BvR 470/08 -
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich. Im September 2005 besuchte er ein Freizeitbad in Bayern, das von einer GmbH betrieben wird, deren Alleingesellschafter ein Fremdenverkehrsverband ist. Mitglieder dieses Zweckverbands - einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - sind der örtliche Landkreis sowie fünf Gemeinden des Landkreises. Einwohnern dieser fünf Gemeinden wurde ein Nachlass auf den regulären Eintrittspreis gewährt.
Der Beschwerdeführer sieht in dieser Preisgestaltung eine unzulässige Benachteiligung. Seine hiergegen vor deutschen Instanzgerichten erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht gab der nachfolgenden Verfassungsbeschwerde hingegen wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) statt und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das AG zurück.
Die Annahme der Fachgerichte, die Grundrechte des Beschwerdeführers seien vorliegend nicht anwendbar oder jedenfalls nicht verletzt, lasse sich unter keinem Blickwinkel nachvollziehen. In privatrechtlichen Organisationsformen geführte Unternehmen, die vollständig im Eigentum des Staates stehen (öffentliche Unternehmen), seien unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt gelte auch unabhängig von den gewählten Handlungsformen und den Zwecken, zu denen das Unternehmen tätig wird.
Für die in der Zivilrechtsprechung, vereinzelt auch in der Verwaltungsrechtsprechung früher verbreitete Auffassung, wonach die in privatrechtlichen Handlungsformen jenseits des so genannten Verwaltungsprivatrechts „fiskalisch“ tätig werdende öffentliche Hand grundsätzlich keiner Grundrechtsbindung unterliege, sei daher kein Raum. Im Übrigen wären öffentliche Unternehmen auch nach dieser Auffassung zumindest an das in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegte Willkürverbot gebunden, sodass Ungleichbehandlungen auch durch sachgerechte Gründe gerechtfertigt sein müssten.
erstoße das Unternehmen durch einen Vertragsschluss gegen Grundrechte, sei der Vertrag daher - gegebenenfalls teilweise - nichtig. Nach den bisherigen Feststellungen der Fachgerichte verletze die differenzierende Preisgestaltung den Beschwerdeführer auch in seinem Grundrecht aus Art. 3 GG. Zwar sei es Gemeinden nicht von vornherein verwehrt, ihre Einwohner bevorzugt zu behandeln. Die darin liegende Ungleichbehandlung müsse jedoch durch Sachgründe gerechtfertigt sein. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei geklärt, dass der Wohnsitz allein kein eine Bevorzugung legitimierender Grund sei.
Jedoch sei nicht ausgeschlossen, eine Ungleichbehandlung an Sachgründe zu knüpfen, die mit dem Wohnort untrennbar zusammenhängen. Verfolge eine Gemeinde durch die Privilegierung Einheimischer etwa das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, könne dies mit Art. 3 Abs. 1 GG daher vereinbar sein. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte vorliegend solche legitimen Ziele tatsächlich verfolgt habe. U. a. sei das Bad gerade auf Überregionalität angelegt.
Wirkung einer Steuer auf Geldspielgeräte
Ein Sachverständigengutachten zur erdrosselnden Wirkung einer Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte kann sich auf den tatsächlichen Durchschnitt der von einem Teil der Geldspielgerätebetreiber im Gemeindegebiet erhobenen Daten stützen, solange bei ihnen kein unwirtschaftliches Verhalten feststellbar ist, ihre Zahl sowie die ihrer Geräte und der Betrachtungszeitraum ausreichend groß sind und die Art der untersuchten Unternehmen hinreichend sicher auf den durchschnittlichen Geldspielgerätebetreiber im Gemeindegebiet schließen lässt.
Von der Bestandsentwicklung der Geldspielgeräte und -betreiber im Gemeindegebiet lässt sich nicht hinreichend sicher auf eine fehlende Erdrosslungswirkung der Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte schließen, wenn die Gemeinde wegen laufender Anfechtungsverfahren die Vergnügungssteuer bei vielen Betreibern zu 70 % außer Vollzug setzt. (Amtliche Leitsätze)
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 24.02.2016
- Az.: 5 A 251/10 -
Die Klägerin, die sog. Spielotheken in Leipzig betreibt, wendet sich gegen die Erhebung von Vergnügungssteuer auf Spielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit (Geldspielgeräte) für Oktober bis Dezember 2006 und konnte über die Revision zum Bundesverwaltungsgericht eine erneute Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungswege erreichen, mit der der Klage im Wesentlichen stattgegeben wird.
Angesichts eines eingeholten Gutachtens sei die in der Revision offen gebliebene Frage, ob die Erhebung der Vergnügungssteuer mit einem Steuersatz von 7,5 % auf den Spieleinsatz bzw. das Dreifache des Einspielergebnisses im Streitzeitraum erdrosselnd wirkte und deshalb gegen Art. 12 GG verstößt, zu bejahen. In dieser Höhe mache es die Vergnügungssteuerbelastung im Streitzeitraum für sich genommen unmöglich, den Beruf des Geldspielgerätebetreibers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen, weil infolge der Vergnügungssteuerbelastung der bei kostensparender und marktgerechter Betriebsführung durchschnittlich von den Aufstellern erzielte Bruttoumsatz die durchschnittlichen und in der Regel erforderlichen Kosten unter Berücksichtigung aller anfallenden Steuern einschließlich eines angemessenen Betrags für Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn nicht abdecken konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 10. Dezember 2009 - 9 C 12.08 -, juris Rn. 44/45).
Die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten sei deshalb, soweit sie Geldspielgeräte betrifft, unwirksam. Die vom Sachverständigen nach umfangreicher Datenerhebung gewonnenen Ergebnisse ließen den hinreichend sicheren Schluss auf eine erdrosselnde Wirkung der Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte im Streitzeitraum zu. Auf die sonst grundsätzlich als wesentliches Indiz für eine fehlende Erdrosselungswirkung berücksichtigungsfähige positive Bestandsentwicklung der Geldspielgeräte im Stadtgebiet seit Inkrafttreten der Vergnügungssteuersatzung komme es danach nicht mehr an. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Für Nordrhein-Westfalen ist in diesem Zusammenhang gesondert auf einen Beitrag von Schneider (KStZ 2016, 185), Vorsitzender des für Steuerrecht zuständigen 14. Senats des Oberverwaltungsgerichts NRW, hinzuweisen. Darin werden drei Methoden zur Ermittlung einer Erdrosselungswirkung diskutiert. Der im o. g. Verfahren letztlich vom Bundesverwaltungsgericht angelegte Maßstab (Vergleich von Bruttoumsatz und durchschnittlichen Kosten) stellt dabei nur einen der möglichen Wege dar.
Schneider stellt klar, dass das Oberverwaltungsgericht NRW dieser betriebswirtschaftlichen Prüfmethode frühzeitig entgegengetreten sei, weil es - in Anlehnung an eine Bewertung des Bundesfinanzhofs - das Abstellen auf einen durchschnittlichen Aufsteller für eine realitätsfremde Fiktion halte. In diesem Zusammenhang werden auch die o. g. Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts und das einbezogene Gutachten kritisch hinterfragt.
Die demgegenüber vom Oberverwaltungsgericht NRW entwickelte - und ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht gebilligte - Bestandsentwicklungsmethode sei wegen der gewerbe- und glücksspielrechtlichen Novellierungen - insbesondere des Verbots von Mehrfachkonzessionen und des Mindestabstands zu anderen Spielhallen, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe - zwar kaum mehr zukunftsfähig. Zur Vermeidung der mit der bundesverwaltungsgerichtlichen Methode verbundenen Nachteile wird als Alternative aber die Prüfung vorgeschlagen, ob die Betriebe in der Gemeinde im Regelfall den rechtlich zulässigen Höchstpreis für das Glücksspiel ausschöpfen (mussten) oder nicht (Höchstpreismethode; vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.07.2014 - 14 A 692/13; „im Grundsatz“ ebenfalls gebilligt durch BVerwG, Urteil vom 14.10.2015 - 9 C 22/14).