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Heft Januar-Februar 2018
Vergnügungssteuer-Satzungen von Salzgitter, Garrel und Dörpen
Niedersächsisches OVG bestätigt Vergnügungssteuersatzung. (Orientierungssatz)
Nds. OVG, Urteile vom 5. Dezember 2017
- Az.: 9 KN 208/16, 9 KN 226/16 und 9 KN 68/17 -
Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit drei Urteilen Normenkontrollanträge gegen Vergnügungssteuersatzungen abgelehnt, auf deren Grundlage die jeweiligen Antragsteller als Spielhallenbetreiber beziehungsweise Aufsteller von Spielgeräten zu monatlichen Spielgerätesteuern für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nach einem Prozentsatz in Höhe von 18 Prozent beziehungsweise 20 Prozent vom Einspielergebnis herangezogen werden.
Im Verfahren 9 KN 208/16 hatte sich der Antragsteller gegen die 3. Änderung der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Salzgitter gewandt. Mit dieser hatte die Stadt den vorherigen Steuersatz von 15 Prozent für Geldspielgeräte mit und ohne Gewinnmöglichkeit zum 1. Juli 2016 auf 20 Prozent des Einspielergebnisses erhöht. Gegenstand des Normenkontrollverfahrens 9 KN 226/16 war die Neufassung der Vergnügungssteuersatzung der Gemeinde Garrel, mit der die Gemeinde zum 1. Januar 2016 die Bemessungsgrundlage für die Spielgerätesteuer geändert hatte.
Statt des früheren pauschalen Steuersatzes je Spielgerät (sog. Stückzahlmaßstab) bemisst sich die Steuer für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nun nach dem Einspielergebnis des einzelnen Gerätes (20 Prozent). Im Verfahren 9 KN 68/17 hatte sich der Normenkontrollantrag gegen die am 1. Januar 2017 in Kraft getretene Vergnügungssteuersatzung der Gemeinde Dörpen gerichtet, mit der diese Gemeinde ebenfalls die Bemessungsgrundlage für die Spielgerätesteuer geändert hatte. Statt des auch hier zuvor festgelegten pauschalen Steuersatzes je Spielgerät (sog. Stückzahlmaßstab) bemisst sich die Steuer für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit und manipulationssicherem Zählwerk nun nach dem Einspielergebnis des einzelnen Geräts (18 Prozent).
Der 9. Senat hat die Vergnügungssteuersatzungen jeweils als wirksam angesehen. Er hat festgestellt, dass die Satzungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Der Ansicht der jeweiligen Antragsteller, es fehle an der Befugnis der Kommune zur Erhebung einer Spielgerätesteuer, weil es sich nicht um eine örtliche Aufwandsteuer, sondern um eine der Umsatzsteuer gleichartige Steuer handele, ist er nicht gefolgt.
Der Senat hat die Regelungen zur jeweiligen Spielgerätesteuer in Kombination mit den weiteren rechtlichen Einschränkungen, denen Spielgerätebetreiber durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag sowie die Spiel-, Sperrzeit- und Baunutzungsverordnungen unterliegen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Bestandsentwicklung auch nicht als erdrosselnd angesehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hinderten ferner nicht die Abwälzbarkeit der Spielgerätesteuer auf den Spieler. Auch hätten die Satzungen trotz der damit verbundenen jeweils kurzfristigen Steuererhöhung keine Übergangsregelungen vorsehen müssen.
Einen vom Antragsteller im Verfahren 9 KN 68/17 zudem gerügten Verstoß der Satzung gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz wegen der Nichtbesteuerung des Spielens in Online-Casinos, der Nichterhebung einer Spielgerätesteuer von Spielbanken und der Nichtanrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielgerätesteuer hat der Senat nicht angenommen. Ebenso wenig ist er der Ansicht des Antragstellers gefolgt, die Satzung verstoße gegen Unionsrecht. Die Erhebung der Spielgerätesteuer nach der Bemessungsgrundlage des Einspielergebnisses (Bruttokasse) stehe in Einklang mit Art. 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Sie verletze auch nicht die Dienstleistungsfreiheit. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat jeweils nicht zugelassen.
Begriff des Fundtiers
Zur Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung eines Tieres auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG kann die Tierschutzbehörde auch dann befugt sein, wenn ihr die Person des Halters nicht bekannt ist.
Ob ein auf öffentlicher Fläche angebunden angetroffener Haushund besitzlos und als Fundtier einzustufen ist, hängt von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ab.
Zum Bestehen eines Anspruchs eines Tierschutzvereins gegenüber der Tierschutzbehörde auf Erstattung von Aufwendungen für die Unterbringung eines verletzt aufgefundenen Haushundes auf der Grundlage der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. (Amtliche Leitsätze)
OVG NRW, Urteil vom 13. September 2017
- Az.: 20 A 1789/15 -
Der Kläger ist ein Tierschutzverein. Im Oktober 2011 wurde in einer Stadt im beklagten Kreis auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes ein Hund angebunden, der im Halsbereich Verletzungen in der Art von Strangulationsmerkmalen aufwies. Der Tierarzt, zu dem die Polizei den Hund gebracht hatte, wandte sich an das städtische Ordnungsamt. Das Ordnungsamt sah sich nicht als zuständig an, weil der Hund kein Fundtier sei. Daraufhin brachte der Kläger den Hund in einer seiner Pflegestellen unter.
Die von dem Vorfall informierte Veterinärbehörde des beklagten Kreises hielt sich ebenfalls für unzuständig. Im April 2013 verstarb der Hund in der Pflegestelle. Im September 2014 erhob der Kläger Klage auf Erstattung der ihm für die Abholung und Unterbringung des Hundes entstandenen Aufwendungen. Die gegen das stattgebende Urteil des VG gerichtete Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg.
Das OVG hält die Klage für überwiegend unbegründet. Anspruchsgrundlage für die Forderung auf Erstattung von Aufwendungen für die Abholung und Unterbringung des Hundes seien die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 677, § 683 i. V. m. § 670 BGB in entsprechender Anwendung, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Der Kläger habe durch die Abholung des Hundes beim Tierarzt und seine anschließende Unterbringung in einer Pflegestelle ein Geschäft für den Beklagten geführt und keine eigene Verpflichtung gegenüber der Stadt erfüllt.
Bei der Abholung und Unterbringung des Hundes handele es sich auch nicht um Maßnahmen, die der Stadt objektiv zugutegekommen seien. Die Stadt war nicht verpflichtet, den Hund unterzubringen und zu diesem Zweck bei dem Tierarzt abzuholen. Denn bezogen auf den Hund habe keine Pflicht zur Entgegennahme und Verwahrung im Rahmen der Fundsachenverwaltung bestanden. Der Hund sei kein Fundtier gewesen. Nach einigen Ausführungen zum Fundtier-Begriff kommt das Gericht zu dem Schluss, dass der angeleinte Hund nicht besitzlos war, weil der Besitz der Halterin des Hundes bei objektiver Betrachtung nicht beendigt war, was sich insbesondere im Anleinen manifestiere. Tatsächlich hatte die Halterin das Tier später gesucht. Auch die Polizei sei nur tätig geworden, um den Hund tierärztlich versorgen zu lassen.
Soweit teilweise angenommen werde, ein auf öffentlicher Fläche angebunden angetroffenes Haustier sei regelmäßig besitzlos, weise die gegebene Situation aufgrund der vorstehenden Umstände jedenfalls Besonderheiten auf, die zu einer Ausnahme von einer solchen Regel führen. Entsprechendes gelte hinsichtlich der vom Beklagten herangezogenen Auffassung in der Rechtsprechung, ein aufgefundenes Haustier sei in der Regel oder im Zweifel als Fundtier anzusehen. Die Besitzverhältnisse seien ausgehend von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu bewerten. Verallgemeinerungen könnten nur bezogen auf sich annähernd wiederholende Situationen gerechtfertigt sein. Daran änderten auch Gesichtspunkte des Tierschutzrechts nichts.
Im Übrigen führt das Gericht aus, in welchem Umfang eine Berechtigung des Klägers zur Unterbringung gegenüber dem Beklagten bestand.
Voraussetzungen einer Klagebefugnis
Eine Kommune ist nicht schon dann klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO für eine Anfechtungsklage gegen ein UVP-pflichtiges Vorhaben, wenn sie die Verletzung von Verfahrensfehlern im Sinne des § 4 Abs. 1 UmwRG geltend macht. Es bedarf auch insoweit der Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechtspositionen. (Auszug aus den amtlichen Leitsätzen)
OVG NRW, Urteil vom 4. September 2017
- Az.: 11 D 14/14.AK -
Die Klägerin, eine kreisfreie Stadt im Regierungsbezirk Köln, wendete sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für die Errichtung und den Betrieb einer Erdgasparallelleitung.
Das OVG hielt die Klage im Ergebnis für zulässig. Insbesondere fehle der Klägerin nicht die erforderliche Klagebefugnis, die zwar nicht aus § 4 UmwRG folge. Die Klägerin könne sich aber auf eine Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 GG berufen. Nach Ausführungen zur Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes führt das Gericht aus, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG die Aufhebung u. a. eines Planfeststellungsbeschlusses verlangt werden könne, wenn bestimmte Verfahrensfehler vorlägen. Das auf solche absoluten Verfahrensfehler gestützte Aufhebungsverlangen könnten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch Beteiligte nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO stellen, mithin jede juristische oder natürliche Person oder jede Vereinigung, soweit ihr ein Recht zustehen kann.
Mit dieser Regelung werde dem Einzelnen eine selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt mit der Folge, dass die in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensfehler zur Begründetheit der Klage führen, ohne dass es darauf ankomme, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienten und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnten, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt. Allerdings wolle die Vorschrift nicht die Berufung auf die in Rede stehenden Verfahrensfehler auch solchen Personen eröffnen, die nicht schon aufgrund einer möglichen Betroffenheit in einem materiellen Recht klagebefugt sind.
Die Norm lasse vielmehr den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weite durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich - insofern § 47 VwGO ähnelnd - den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus. Es folgen Ausführungen zur Vereinbarkeit dieser Auslegung mit Europarecht. Vor diesem Hintergrund folgt das OVG nicht der Auffassung, dass bereits die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 4 Abs. 1 UmwRG für sich genommen die Klagebefugnis eines Individualklägers zu begründen vermöge.
Allerdings sei die Klägerin bereits gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Zwar könne sich die Klägerin als Gemeinde weder auf Art. 2 Abs. 1 oder Art. 14 GG berufen noch die Rechte ihrer Einwohner gleichsam in Prozessstandschaft geltend machen. Die Bürger müssten vielmehr ihre Rechte selbst geltend machen. Die Klägerin habe aber unbeschadet dessen im Planfeststellungsverfahren Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Belange.
Zu den eigenen Rechtspositionen, die eine Gemeinde im Klageverfahren geltend machen kann, zählten insbesondere solche, die sich aus ihrem Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) ergeben. Abwehransprüche einer Gemeinde kommen insbesondere in Betracht, wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte kommunale Planung nachhaltig störe, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entziehe oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtige.