Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Juni 2012
E-Zigarette kein Arzneimittel
Die so genannte E-Zigarette ist auch dann kein zulassungsbedürftiges Arzneimittel, wenn die enthaltenen Liquid-Depots Nikotin enthalten (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Köln, Urteil vom 2. April 2012
- Az.: 7 K 3169/11 -
Geklagt hatten ein Hersteller sowie ein Vertriebsunternehmer, deren Produkte in Form und Farbe einer herkömmlichen Zigarette ähneln. Diese bestehen aus einer Hülle, einem elektronisch gesteuerten Verdampfer mit Akku sowie einem Papierfilter mit dem integrierten Liquid-Depot. Die „E-Zigarette“ wird nach dem Zusammenbau wie eine Zigarette gebraucht, wobei die durch den Akku erzeugte Wärme die im Depot befindliche Flüssigkeit verdampft. Der Benutzer atmet beim Inhalieren einen Aerosoldampf ein, der Tabakaromen und Nikotin enthält.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn als für die Arzneimittelzulassung zuständige Bundesbehörde hatte in einem vergleichbaren Fall verbindlich festgestellt, dass es sich bei nikotinhaltigen „E-Zigaretten“ um Arzneimittel handele, und diese Auffassung in einem Schreiben an die Kläger bekräftigt. Infolgedessen kam es zu strafrechtlichen Ermittlungen und Warnschreiben von Überwachungsbehörden der Länder.
Das VG führt in seinem Urteil aus, Nikotin könne zwar auch ein Arzneistoff sein und als solcher auch zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden. In der Anwendungsform der „E-Zigarette“ fehle es dem Stoff jedoch an der für ein Arzneimittel erforderlichen therapeutischen oder prophylaktischen Zweckbestimmung. Es gehe vielmehr darum, das Verlangen des Verwenders nach Nikotin zu befriedigen. In diesem Sinne handele es sich um ein Genussmittel. Den erforderlichen Beleg einer therapeutischen Eignung habe die Behörde nicht erbracht. Die mit dem Genuss von Nikotin und anderer Inhaltsstoffe möglicherweise verbundenen Gesundheitsgefahren allein rechtfertigten nicht die Einordnung als Arzneimittel.
Zulässigkeit einer Geschwindigkeits-Beschränkung
Die Entscheidung des Kreises Düren, auf der Landstraße 249 bei Heimbach eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h zum Schutz dort lebender Uhus vorzunehmen, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Aachen, Urteil vom 10. April 2012
- Az.: 2 K 1352/11 -
Der Kreis Düren hatte als Straßenverkehrsbehörde auf einer Teilstrecke der L 249 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h (vorher 70 km/h) zum Schutz dort lebender Uhus angeordnet und eine Geschwindigkeitsmessanlage installiert. Grundlage der Anordnung war u.a. eine im Jahr 2005 getroffene Vereinbarung, nach der Naturschutzverbände auf Rechtsmittel gegen den Neuausbau der Strecke verzichten, wenn zugunsten der Uhus die oben genannten Maßnahmen ergriffen werden. Die Klägerin, gegen die ein Bußgeld wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verhängt worden war, hielt die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h für rechtswidrig.
Das Gericht hat festgestellt, dass sich der Kreis nicht einfach auf die Vereinbarung berufen durfte. Die Straßenverkehrsordnung räume einen Entscheidungsspielraum bei der Festsetzung von Höchstgeschwindigkeiten ein. Dieses sog. Ermessen hätte der Kreis Düren eigenständig ausüben und eine eigene freie Entscheidung über die Höchstgeschwindigkeit auf der Landstraße treffen müssen.
Ob in Zukunft die Höchstgeschwindigkeit auf der besagten Teilstrecke 30 km/h, 50 km/h oder 70 km/h betragen wird, bleibt demnach der noch zu treffenden Ermessensentscheidung des Kreises Düren überlassen. Dabei hält es das Gericht durchaus für vertretbar, zum Schutz der Uhus die Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle für den ganzen Tag oder auch, wie vom Sachverständigen aufgeworfen, auf die Nachtzeit begrenzt zu reduzieren. Welche Auswirkungen das Urteil auf die zahlreichen Bußgeldverfahren gegen die „geblitzten“ Autofahrer haben wird, wird das zuständige Amtsgericht Düren zu entscheiden haben.
Erste-Hilfe-Kurse auch an Sonn- und Feiertagen
Angesichts der jahrelangen unbeanstandeten Praxis, wonach zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ebenfalls an Sonntagen stattfinden und eine Störung der Sonn- und Feiertagsruhe aus Kreisen der Bevölkerung niemals geltend gemacht worden sei, ist ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass die Lehrgänge in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen am Unfallort ab sofort nicht mehr stattfinden, nicht zu erkennen (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Minden, Beschluss vom 5. März 2012
Az.: - 11 L 627/11 -
Das VG hat mit dem Beschluss einem Eilantrag gegen eine Verfügung der Stadt Bielefeld stattgegeben, mit der einer Veranstalterin von Lehrgängen in Erster Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen mit sofortiger Wirkung untersagt worden war, diese Lehrgänge auch an Sonn- und Feiertagen durchzuführen.
Das VG ließ offen, ob die Durchführung derartiger Lehrgänge dem Arbeitsverbot an Sonn- und Feiertagen unterfällt. Angesichts der jahrelangen unbeanstandeten Praxis, der Tatsache, dass zahlreiche andere Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ebenfalls an Sonntagen stattfinden und eine Störung der Sonn- und Feiertagsruhe aus den Kreisen der Bevölkerung niemals geltend gemacht worden sei, sei ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass die Lehrgänge der Antragstellerin ab sofort nicht mehr stattfänden, nicht zu erkennen.
Sperrbezirks-Verordnung Dortmund
Die Dortmunder Sperrbezirksverordnung, die auf den Bereich des Straßenstrichs ausgeweitet worden ist, ist bei vorläufiger Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt den offen zu Tage getretenen Bedrohungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und für Belange des öffentlichen Anstands angemessen Rechnung (nichtamtliche Leitsätze).
OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2012
Az.: - 5 B 892/11 -
Ohne Erfolg blieb damit der Antrag einer Prostituierten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, im Bereich des früheren Dortmunder Straßenstrichs weiter der Prostitution nachgehen zu dürfen. Wie schon das Verwaltungsgericht hatte auch der 5. Senat des OVG keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Dortmunder Sperrbezirksverordnung.
Vor einigen Jahren waren die Bedingungen der Straßenprostitution im Bereich der Ravensberger Straße im Rahmen des so genannten „Dortmunder Modells“ deutlich verbessert worden. Nach den Feststellungen von Polizei und Stadtverwaltung wurden nach der EU-Osterweiterung in großer Zahl Prostituierte vor allem aus Osteuropa angelockt. Sie prägten zunehmend das Straßenbild auch in den angrenzenden Wohngebieten der Dortmunder Nordstadt. Dort wurden Kinder und Jugendliche Zeugen offen geführter Anbahnungsgespräche, die Begleitkriminalität nahm spürbar zu.
Nicht mehr sozialverträgliche Begleiterscheinungen der Prostitution konnten mit polizeilichen Mitteln nicht verhindert werden. Deshalb dehnte die Bezirksregierung Arnsberg den Dortmunder Sperrbezirk auf den Bereich des Straßenstrichs aus. Die entsprechende Verordnungsregelung war bei vorläufiger Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Sie trug vielmehr den offen zu Tage getretenen Bedrohungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und für Belange des öffentlichen Anstands angemessen Rechnung.