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Hauptausschuss 2024
Heft März 2012
Festsetzung der Tagesordnung für Ratssitzungen
Die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW, wonach der Bürgermeister solche Vorschläge in die Tagesordnung für eine Ratssitzung aufzunehmen hat, die ihm fristgerecht von einem Fünftel der Ratsmitglieder oder einer Fraktion vorgelegt werden, ist auch unter Berücksichtigung des Mandatsstatus eines fraktions- und gruppenlosen Ratsmitglieds verfassungsgemäß.
OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2011
- Az.: 15 A 1574/11 -
Der Kläger ist als Einzelmandatsträger Mitglied des Rates der Stadt E. Er begehrte erstinstanzlich die Feststellung, dass der Beklagte seine Vorschläge in die Tagesordnung für die Sitzung des Rates aufzunehmen habe, wenn er dies in gebotener Form und rechtzeitig beantrage. Das VG wies die Klage unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW ab. Danach hat der Bürgermeister in die Tagesordnung von Ratssitzungen nur solche Vorschläge aufzunehmen, die ihm fristgerecht von einem Fünftel der Ratsmitglieder oder einer Fraktion vorgelegt werden. Der gegen das klageabweisende Urteil beim OVG gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.
Die vom Kläger gegen die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken begründen keine ernstlichen Richtigkeitszweifel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger habe schon nicht hinreichend dargelegt, gegen welches ihn schützende Verfassungsrecht § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW verstoßen soll. Der vage Hinweis auf eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfte für die ausreichende Geltendmachung einer Verfassungsverletzung nicht genügen.
Dessen ungeachtet sei für einen Verstoß gegen Verfassungsrecht durch die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW auch nichts ersichtlich. Die Statusrechte des einzelnen Ratsmitglieds hätten anders als die Mandatsrechte von Bundestags- und Landtagsabgeordneten keine verfassungsrechtliche Absicherung erfahren. Die Mitglieder des Rates seien „lediglich“ Inhaber eines einfachrechtlich durch die Gemeindeordnung konstituierten mitgliedschaftsrechtlichen Status. Demgemäß werden die Statusrechte nur in den Grenzen der Gemeindeordnung und damit hier in den Grenzen des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW gewährt.
Soweit der Kläger in der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sehen sollte, könne auch dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Mit Blick darauf, dass es vorliegend nicht um die Durchsetzung grundrechtlicher Positionen, sondern um die Geltendmachung von dem Kläger vermeintlich zustehenden organschaftlichen Rechten geht, habe sich die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW nicht am formalisierten Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern am verfassungsrechtlichen Willkürverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz in Ausprägung des Grundsatzes der Chancengleichheit messen zu lassen.
Hier erweise sich aber die Entscheidung des Gesetzgebers für die in § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW geregelten Quoren als offensichtlich willkürfrei und ohne Weiteres vereinbar mit dem Grundsatz der Chancengleichheit. Der dem einzelnen Ratsmitglied einfachrechtlich gewährte Mandatsstatus beinhalte nicht, dass es sich im Rat völlig unkoordiniert und ungebunden entfalten und handeln kann. Der Mandatsstatus des einzelnen Ratsmitglieds werde vielmehr durch die Statusrechte der anderen Ratsmitglieder sowie durch die Rechte aller Ratsmitglieder begrenzt.
Sportwettbüros in Spielhallen
In Spielhallen dürfen keine Sportwetten vermittelt werden (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 2011
- Az.: 4 A 1965/07 -
Zwar verletze das staatliche Monopol im Bereich der Sportwetten nach der Rechtsprechung des 4. Senats die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Hierauf könnten sich aber private Wettbürobetreiber nicht berufen, die in Spielhallen Sportwetten vermittelten. Denn dies sei nicht erlaubnisfähig und von den Ordnungsbehörden daher zwingend zu untersagen. Nach dem nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag dürften Annahmestellen nicht in Spielhallen eingerichtet werden. Hierzu gehörten auch Online-Terminals, mit denen Kunden im Wege der Selbstbedienung Sportwetten abschließen könnten. Dieses Verbot begegne keinen verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung verhindern wollen, dass die Gelegenheit zum Wetten in einer Umgebung eröffnet werde, in der ohnehin schon eine hohe Spielsuchtgefahr bestünde.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden.
Begründungserfordernis bei sofortiger Vollziehung
Es steht mit dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Einklang, wenn die Behörde in speziellen Fallgruppen, die sich in typischen Interessenlagen gleichen, ihre Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf typisierende oder im Wesentlichen gleiche Gründe stützt.
Bei der Auflösung einer Schule ergibt sich aus der Natur der Sache, dass der Aspekt der Planungssicherheit regelmäßig die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Schulorganisationsmaßnahme trägt.
OVG NRW, Beschluss vom 8. Dezember 2011
Az.: - 19 B 872/11 -
Der Rat der Antragsgegnerin beschloss die auslaufende Auflösung der Grundschule C. Nach Genehmigung dieses Beschlusses durch die Bezirksregierung beschloss der Rat die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Beschlusses im Wesentlichen mit der Begründung, der Sofortvollzug sei im Interesse der Planungssicherheit geboten. Hiergegen machten die Antragsteller geltend, die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei zu pauschal. Das VG lehnte den Eilantrag ab. Die Beschwerde der Antragsteller blieb erfolglos.
Das VG sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung der auslaufenden Auflösung der Grundschule C. durch den Ratsbeschluss den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Die Begründung sei hinreichend einzelfallbezogen. Der Rat habe den Sofortvollzug nicht lediglich pauschal auf das öffentliche Interesse der baldigen Umsetzung der auslaufenden Auflösung der Grundschule C. gestützt. Vielmehr sei er konkret auf die Auswirkungen und die Bedeutung der Schulorganisationsmaßnahme für den Schulträger, die benachbarten Grundschulen und die betroffenen 23 im Schuljahr 2011/12 einzuschulenden Kinder und deren Eltern eingegangen und habe sich im Interesse der baldigen Planungssicherheit für den Sofortvollzug entschieden. Damit sei der Zweck des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, die Verwaltung zur sorgfältigen Prüfung der Notwendigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung anzuhalten, ebenso erreicht wie der weitere Zweck der Vorschrift, die Antragsteller in die Lage zu versetzen, die Erfolgsaussichten ihrer Rechtsbehelfe abzuschätzen und ihre Rechte wahrzunehmen.
Diese Auslegung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO stelle keine „Absenkung der Begründungserfordernisse“ dar und führe auch nicht dazu, „dass für den Bereich des Schulrechts außerhalb der gesetzlichen Normierung des Bundesgesetzgebers ein komplettes Rechtsgebiet für den pauschalen Sofortvollzug eröffnet“ wird, weil „der Rat einer Gemeinde nämlich grundsätzlich für jede seiner Entscheidungen Planungssicherheit in Anspruch nehmen möchte“. Es stehe mit dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Einklang, wenn die Behörde in speziellen Fallgruppen, die sich in typischen Interessenlagen gleichen, ihre Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf typisierende oder im Wesentlichen gleiche Gründe stützt.