Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft März 2018
Mitwirkung bei der Steuer
Zu den Mitwirkungspflichten eines Steuerschuldners - hier einer GmbH - von Vergnügungssteuer (Orientierungssatz)
OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2016
- Az.: 14 A 1007/16 -
Nachdem die Klage einer GmbH gegen die Haftbarmachung für Vergnügungssteuerschulden erstinstanzlich abgewiesen worden war, hat auch das OVG den Antrag auf Berufungszulassung abgelehnt. Das VG habe den Sachverhalt ausreichend ermittelt. Vielmehr sei es Sache des Klägers, substantiiert darzulegen, warum trotz Beachtung seiner Pflichten - der Pflichten des Geschäftsführers zur Mittelvorsorge, zur Bildung bilanzieller Steuerrückstellungen und zu rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags - keine ausreichenden Mittel vorhanden gewesen sein sollen.
Auch wenn das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids grundsätzlich die Steuergläubigerin zu belegen habe, sei der potenzielle Haftungsschuldner auf Anforderung der Steuergläubigerin verpflichtet, an der Feststellung der Grundlagen für den Erlass eines Haftungsbescheides mitzuwirken bzw. diesbezüglich Auskünfte zu erteilen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 90 Abs. 1 AO). Werde diese Mitwirkungspflicht verletzt, kann dies gegen den potenziellen Haftungsschuldner verwertet werden. Hier habe der Kläger - der ehemalige Geschäftsführer - der Sache nach eine Mitwirkung abgelehnt.
Der Kläger als Geschäftsführer der steuerschuldenden Gesellschaft war zur ordnungsgemäßen Buchführung (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KAG i. V. m. § 140 AO und § 41 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und zur Sicherstellung der Aufbewahrung und Verfügbarkeit der Geschäftsunterlagen verpflichtet. Dazu gehört nach § 239 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs die vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Erfassung aller Geschäftsvorfälle. Auf das Fehlen entsprechender Unterlagen kann der Kläger sich daher nicht berufen.
Seine Einwände, die Gemeinde hätte die Steuer im Wege der Steuerschätzung früher festsetzen können oder Vorauszahlungen erheben können, führten zu nichts. Richtig sei, dass ein Mitverschulden der Gemeinde an der Entstehung des Steuerschadens im Rahmen der Ermessensausübung beim Erlass des Haftungsbescheids nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO von Bedeutung sein kann. Ein etwaiges Mitverschulden der Gemeinde könne allerdings nur dann im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden, wenn es gegenüber dem Verschulden des Haftungsschuldners deutlich überwiegt. Liegt sogar eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Haftenden vor, ist ein etwaiges Mitverschulden der Gemeinde von vornherein unbeachtlich.
Abgesehen davon, dass der Kläger mit der Nichtabgabe der Steuererklärungen einen vorsätzlichen Pflichtenverstoß begangen habe, sei auch ein gemeindliches Mitverschulden nicht feststellbar. Die Möglichkeit der Schätzung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. 162 Abs. 1 AO bezwecke, eine Steuerfestsetzung auch dann zu ermöglichen, wenn die Besteuerungsgrundlagen mit den sonst gegebenen Mitteln der Sachverhaltsaufklärung (hier insbesondere der Steuererklärung) nicht festgestellt werden können. Die Schätzungsmöglichkeit bezwecke aber nicht, eine Steuerfestsetzung vor Abgabe einer Steuererklärung zu ermöglichen, um einer eventuellen späteren Insolvenz zuvorzukommen.
Aufstellung öffentlicher Toiletten
Kein individueller Anspruch auf die Aufstellung öffentlicher Toiletten (Orientierungssatz)
OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Dezember 2017
- Az.: 15 E 830/17, 15 E 831/17 -
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass einem Essener Bürger kein Anspruch auf die Aufstellung öffentlicher Toiletten im Stadtgebiet zukommt. Damit wurde die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, die dem unter krankhaftem Harndrang leidenden Mann im vorgelagerten Verfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Klage- und ein Eilverfahren versagt hatte. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe hängt mit den Erfolgsaussichten der Sachverfahren zusammen.
Der Kläger wollte die Stadt Essen verpflichten, auf den Plätzen im Stadtgebiet öffentliche, kostenfrei benutzbare Toiletten zu schaffen und kostenfreien Zugang zu vorhandenen Toiletten zu ermöglichen. Zur ersten Abhilfe verlangte er im Eilverfahren die Aufstellung von Dixi-Toiletten.
Zur Begründung führte das OVG aus, dass es an den Erfolgsaussichten in der Sache fehle und deshalb keine Prozesskostenhilfe gewährt werden könne. Es gebe keine Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage der Antragsteller die Aufstellung öffentlicher Toiletten von der Stadt verlangen könne. Die Regelungen der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung gäben dem Bürger gerade keinen Anspruch auf Herstellung bestimmter gemeindlicher Einrichtungen. Ein solcher Anspruch sei hier auch nicht ausnahmsweise aus den Grundrechten, insbesondere der Menschenwürde, herzuleiten.
Dem Antragsteller böten sich andere Möglichkeiten, seinen gesundheitlichen Einschränkungen zu begegnen, um sich in der Öffentlichkeit aufhalten zu können. Dass die Stadt Essen das Verrichten der Notdurft auf Verkehrsflächen und Anlagen der Stadt per ordnungsbehördlicher Verordnung untersagt habe, führe ebenfalls nicht zu einem subjektiven Recht auf Errichtung öffentlicher Toiletten. Der Essener könne auch nicht den kostenfreien Zugang zu bereits vorhandenen Toiletten verlangen, weil der Staat individuell zurechenbare Leistungen der Daseinsvorsorge nicht kostenlos erbringen müsse.
Betrieb von Spielhallen
Während das Klageverfahren läuft, müssen Spielhallen geduldet werden. (Orientierungssatz)
VG Aachen, Beschluss vom 6. Dezember 2017
- Az.: 3 L 1932/17 -
Die Antragstellerin betreibt zwei Spielhallen in einer nordrhein-westfälischen Gemeinde, wofür ab dem 1. Dezember 2017 gemäß Glücksspielstaatsvertrag eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erforderlich ist. Den entsprechenden Erlaubnisantrag beschied die Gemeinde abschlägig und kündigte an, die Spielhallen schließen zu wollen, soweit sie über den 30. November 2017 hinaus weiterbetrieben würden. Der hiergegen gerichtete Eilantrag auf vorläufige Duldung der Spielhallen war erfolgreich.
Die Antragstellerin habe im Oktober 2016 eine glücksspielrechtliche Erlaubnis beantragt, die im November 2017 abgelehnt worden sei. Daraufhin habe die Antragstellerin Ende November 2017 Klage erhoben und den Eilrechtsschutz betrieben. Seit dem 1. Dezember 2017 sei die Fortsetzung des Spielhallenbetriebs wegen des Ablaufs der bisherigen Erlaubnis bzw. Duldung formell illegal und damit strafbar.
Bereits der beschriebene zeitliche Ablauf rechtfertige die gerichtliche Eilanordnung - so das Gericht. Die Versagung der Erlaubnis nur wenige Tage vor Ablauf der bisherigen Erlaubnis bzw. Duldung und dem Eintritt der Strafbarkeit des Spielbetriebs führe schon für sich genommen dazu, dass der Spielhallenbetrieb einstweilen zu dulden sei, damit der Antragstellerin das verfassungsrechtliche Recht auf effektiven Rechtsschutz gegen die Versagungsentscheidung erhalten bleibe. Mit dem Recht auf eine - auch tatsächlich wirksame - gerichtliche Kontrolle sei es unvereinbar, wenn der Berechtigte schon bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens eine Strafbarkeit aufgrund gerade derjenigen behördlichen Entscheidung fürchten müsse, deren Überprüfung den Gegenstand des angestrengten Rechtsschutzverfahrens vor dem Verwaltungsgericht bilde.
Das Gericht hat auch Bedenken an der Argumentation der Stadt geäußert, die auf das Fehlen eines plausiblen Sozialkonzepts abgestellt hat. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag seien die Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen verpflichtet, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glückspielsucht vorzubeugen. Zu diesem Zweck hätten sie u. a. Sozialkonzepte zu entwickeln, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glückspiels vorgebeugt werden soll und wie diese behoben werden sollen. Die Stadt habe moniert, dass das zunächst vorgelegte Konzept ein allgemeines Konzept sei, das für alle Spielhallen dieser Unternehmensgruppe gelte. Außerdem habe die Antragstellerin nicht dargelegt, dass sie alle Bestandteile ihres zuletzt vorgelegten Sozialkonzepts auch exakt umsetze.
Nach Ansicht des Gerichts dürfte die Stadt die Anforderungen an die Qualität eines Sozialkonzepts damit überspannt haben. Auch wenn die Antragstellerin in der Vergangenheit hinter ihrem im Sozialkonzept formulierten Anspruch zurückgeblieben sei, erscheine es dennoch zweifelhaft, ob deswegen die Erlaubnis habe versagt werden dürfen oder ob es als milderes Mittel nicht ausreichend gewesen wäre, die Erfüllung der Angaben im Sozialkonzept für die Zeit ab Erlaubniserteilung im Wege einer Auflage sicherzustellen. Ob diese Annahme des Gerichts zutreffe, müsse im Klageverfahren geklärt werden - im Rahmen des Eilrechtsschutzes findet nur eine sog. summarische Prüfung ohne weitere Sachverhaltsermittlung statt. Offenbar hätten auch andere Bewerber um eine Spielhallenerlaubnis die von der Stadt gestellten hohen Anforderungen an ein Sozialkonzept nicht erfüllen können.
Die Fortsetzung des Spielhallenbetriebs ab dem 1. Dezember 2017 könne damit für die Dauer des Klageverfahrens nicht mehr als (formell) illegales Glücksspiel im Sinne des § 284 des Strafgesetzbuches (StGB) angesehen werden. Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde zum OVG NRW möglich.