Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft November 2005
Widerruf einer Auskunfts-Rufnummer
Die Bundesnetzagentur (früher: Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) darf eine Auskunftsrufnummer widerrufen, wenn der Auskunftsdienst nicht ausreichend von kostenpflichtigen Informationsdiensten getrennt wird (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Köln, Beschluss vom 21. September 2005
- Az.: 11 L 1269/05 -
In örtlichen Telefonbüchern und in Online-Telefonverzeichnissen finden sich unter Stichworten wie „Kfz-Zulassung", „Straßenverkehrsamt" oder „Bahnhof Auskunft" Eintragungen von Ortsnetzrufnummern. Verbraucher, die diese Nummern anrufen, gelangen nicht zum jeweiligen Straßenverkehrsamt oder zur Auskunft der Deutschen Bahn AG, sondern erhalten lediglich eine Bandansage, durch die sie aufgefordert werden, die Auskunftsrufnummer 11875 zu wählen. Wählen die Verbraucher dann diese Rufnummer und äußern etwa ein Anliegen aus dem Bereich der Kfz-Zulassung, so werden sie an einen „Informationsdienst“ weitervermittelt, für den nach den Ermittlungen der Bundesnetzagentur von den Mitarbeitern der Auskunft keine eigene Telefonnummer angegeben werden kann. Für die Verbindung entstehen Kosten in Höhe von 2,22 Euro pro Minute.
Die Antragstellerin, eine Firma mit Sitz in der Schweiz, ist Inhaberin der Auskunftsrufnummer 11875. Sie bestreitet, mit den Telefonbucheinträgen in irgendeiner Verbindung zu stehen. Die Bundesnetzagentur hat dennoch mit Bescheid vom 1. Juli 2005 die Auskunftsrufnummer widerrufen, da die Antragstellerin aus Nutzersicht einen unter der Auskunftsrufnummer unzulässigen Mehrwertdienst erbringe. Die Rechtmäßigkeit des Widerrufs hat das Verwaltungsgericht Köln mit dem jetzt ergangenen Beschluss bestätigt.
Kein Arbeitslosengeld II bei unklarer Beweislage
Wer den Behörden gegenüber sein Einkommen und Vermögen systematisch verschleiert, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II und andere Sozialleistungen (nichtamtlicher Leitsatz).
Landessozialgericht NRW, Beschluss vom 14. Juni 2005
- Az.: - L 1 B 2/05 AS ER -
Im konkreten Fall war der Antragsteller u. a. nachprüfbare Angaben über den Verbleib einer Erbschaft in Höhe von 30.000 Euro, ferner über die Kosten und die Einnahmen aus einem gegenüber den Sozialleistungsträgern nicht gemeldeten Gewerbebetrieb (Produktion und Vertrieb von Pornofilmen mit daraus resultierenden Filmverträgen und professioneller Kameraausrüstung) sowie über Einnahmen aus eBay-Verkäufen schuldig geblieben. Da der Antragsteller einräumte, gegenüber Sozialhilfebehörden zum Mittel der „Notlüge“ gegriffen zu haben und Vermögen bis zu einem von ihm selbst bestimmten Zeitpunkt zu verschweigen, entschied der 1. Senat, dass die hieraus folgende Ungewissheit zu seinen Lasten und nicht zu Ungunsten der durch die Sozialhilfeträger handelnden Allgemeinheit gehe.
Dabei stelle die Mitwirkungspflicht umso größere Anforderungen an den Antragsteller, je umfassenderes Sonderwissen er über die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Aktivitäten aus seinem Bereich habe. Die behördliche Ermittlungspflicht finde dort ihre Grenze, wo eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ohne Mitwirkung des Antragstellers unmöglich werde. Sei die persönliche Glaubwürdigkeit eines Antragstellers aufgrund besonderer Umstände erheblich erschüttert, müssten zum Beleg seines Vorbringens zudem Nachweise in Form beweiskräftiger Urkunden oder durch das Zeugnis glaubwürdiger Zeugen gefordert werden, woran es im konkreten Fall des Antragstellers fehlte.
Abstellen eines Kraftfahrzeugs zu Werbezwecken
Wird die Straße trotz einer scheinbar äußerlichen Teilnahme am Straßenverkehr zum alleinigen oder überwiegenden Zweck der Werbung benutzt, wird der Verkehrsraum zu verkehrsfremden Zwecken in Anspruch genommen, das Fahrzeug seiner Eigenschaft als Transportmittel entkleidet und als (motorisierte) Reklamefläche verwendet. Es ist daher in der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt, dass der Einsatz von Werbefahrzeugen den Gemeingebrauch überschreiten und eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellen kann (nichtamtliche Leitsätze).
OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005
- Az.: - 11 A 4433/02 -
Der Kläger wandte sich gegen einen Gebührenbescheid, mit dem ihn der Beklagte zur Zahlung straßenrechtlicher Sondernutzungsgebühren für das Abstellen eines als Werbefahrzeug qualifizierten Kraftfahrzeugs herangezogen hat. Das serienmäßige Chassis und die Karosserie waren dahingehend modifiziert worden, dass es hinten eine Doppelachse und einen geschlossenen Aufbau hatte, der über die Fahrgastzelle sowie die Ladefläche gezogen war. An der Front, am Heck und auf den Seiten des Autos waren mehrere Aufschriften angebracht, die unter anderem auf die Firma des Klägers, deren Betriebssitz, Geschäftszeiten und Telefonnummer hinwiesen.
Das Kraftfahrzeug war im Zeitraum März/April 2000 über fünf Wochen an einer Bundesstraße abgestellt. Der Abstellort lag rund 5,5 km von dem Betriebssitz der Firma des Klägers entfernt. Das Fahrzeug stand unter teilweiser Ausnutzung eines von der Fahrbahn abgetrennten Parkstreifens leicht schräg zur Straße.
Das OVG wies die Klage gegen den Heranziehungsbescheid ab. Rechtsgrundlage der streitigen Gebührenerhebung ist § 19a StrWG NRW i. V. m. § 7 und Nr. 2.4 des Gebührentarifs der Sondernutzungssatzung der Stadt. Hiernach können für das als Sondernutzung erlaubnisbedürftige Abstellen von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ausschließlich zu Werbezwecken Sondernutzungsgebühren erhoben werden.
Das Abstellen des damals auf den Kläger zugelassenen Kraftfahrzeuges war eine Sondernutzung. Dadurch wurde die Straße bei Würdigung aller Umstände nicht vorwiegend zu dem bestimmungsgemäßen Verkehrszweck benutzt.
Das Abstellen eines zugelassenen und betriebsbereiten Kraftfahrzeuges auf einer zum Parken zugelassenen öffentlichen Straßenverkehrsfläche ist zwar grundsätzlich ein straßenverkehrsrechtlich zulässiges Parken und damit eine Benutzung der Straße im Rahmen des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs.
Eine andere Sichtweise ist jedoch bei Fahrzeugen geboten, die allein oder überwiegend zu einem anderen Zweck als dem der späteren Wiederinbetriebnahme „geparkt“ werden mit der Folge, dass eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der Straße vorliegt. Denn damit wird das Fahrzeug zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden „Sache“, nicht anders als jeder beliebige sonstige körperliche Gegenstand. Derartige Vorgänge fallen bereits aus der Widmung zum Verkehr und damit aus dem einschlägigen Gemeingebrauch heraus, da sie nicht „zum Verkehr“ geschehen.
Dies ist etwa der Fall, wenn die Straße trotz einer scheinbar äußerlichen Teilnahme am Straßenverkehr zum alleinigen oder überwiegenden Zweck der Werbung benutzt wird. Der Verkehrsraum wird dann zu verkehrsfremden Zwecken in Anspruch genommen, das Fahrzeug seiner Eigenschaft als Transportmittel entkleidet und als (motorisierte) Reklamefläche verwendet.
Die Frage, ob das Abstellen eines Kraftfahrzeuges bzw. eines Anhängers im öffentlichen Verkehrsraum noch als Parken und damit als zulässige Ausübung des Gemeingebrauchs zu werten ist oder ob das Abstellen eines solchen Fahrzeuges wie eine Werbeanlage wirkt und damit eine Sondernutzung darstellt, lässt sich nur auf Grund der Umstände des konkreten Einzelfalles beurteilen. Dabei kommt es nicht vorrangig auf die innere Motivation des Sondernutzers an. Denn eine Werbewirkung können nicht nur speziell zu Werbezwecken in den Verkehr gebrachte Fahrzeuge entwickeln, sondern auch solche, die zwar äußerlich bestimmungsgemäß am Straßenverkehr teilnehmen, aber zeitweise faktisch so genutzt werden, dass sie mit ihrer Werbeaufschrift objektiv die Funktion einer Werbeanlage erfüllen.
Objektive Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Fahrzeug als Werbeträger auf einer öffentlichen Straße abgestellt ist, können unter anderem sein: die technisch-konstruktive Bauart des Fahrzeugs (etwa ein zum Transport ungeeigneter Anhänger), die Gestaltung der Werbebeschriftung, die Wahl des Abstellungsortes (etwa an einer stark befahrenen Straße oder auf der Brücke über einer Autobahn), die Ausrichtung zur Straße (längs oder quer zur Fahrbahn), die Entfernung zur Wohnung oder zum Betriebssitz, die konkrete Dauer der Aufstellung und Ähnliches mehr.
Bei einer auf die objektiven Gegebenheiten abstellenden Gesamtschau steht es zur Überzeugung des Senates fest, dass das Fahrzeug des Klägers zu Werbezwecken abgestellt war. Die konkrete Art des Abstellens spreche für einen Werbezweck. Schließlich belege die Länge der Abstelldauer ein Abstellen zu Werbezwecken. Das Fahrzeug stand über fünf Wochen an der gleichen Stelle. Ein Fahrzeug dient aber unbeschadet der Tatsache, dass auch das Dauerparken eines betriebsbereiten Fahrzeugs ein straßenverkehrsrechtlich zulässiger Vorgang ist, vorwiegend der Fortbewegung. Weil das Fahrzeug hier praktisch nicht mehr als Verkehrsmittel, sondern als Werbeträger benutzt wurde, ist der vorliegende Fall nicht mit demjenigen der Reklame an einem Omnibus oder des mit einer Firmenaufschrift, einem Logo, einem Produkthinweis oder Ähnlichem versehenen Transportfahrzeuges eines Unternehmens vergleichbar.
© StGB NRW 2005