Kommunalfinanzsituation bleibt angespannt

Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW zeigt weiterhin hohe Defizite trotz moderatem Einnahmenzuwachs

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 29.04.2014

Foto: Jörn Wolter / wolterfoto.de

Die Haushaltssituation der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist nach wie vor kritisch. Dies belegt die aktuelle Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW, an der sich alle 359 kreisangehörigen Mitgliedskommunen mit rund 9,4 Mio. Einwohnern beteiligt haben.

"Trotz der wieder sehr erfreulichen Steuereinnahmen, vor allem bei der Gewerbesteuer, und der hohen Schlüsselzuweisungen kann für die Kommunalfinanzen keine grundlegende Trendwende festgestellt werden", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider, heute in Düsseldorf bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Steigende Ausgaben insbesondere im Sozialbereich zehrten die guten Steuererträge wieder auf. Hinzu komme weiterer Konsolidierungsdruck etwa durch den jüngsten Tarifabschluss für die kommunalen Angestellten. Daher forderten die NRW-Kommunen:

  • Bessere Dotierung des kommunalen Finanzausgleichs in NRW
  • Gerechtere Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs
  • Weiterentwicklung des Stärkungspaktes Stadtfinanzen
  • Zügige Umsetzung der versprochenen Entlastung bei der Eingliederungshilfe durch den Bund
  • Auflegen eines Infrastrukturprogramms für Verkehr und Breitband-Kommunikation durch den Bund

"Die andauernde strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen in NRW führt dazu, dass im Jahr 2014 nur 47 Mitglieder des Verbandes einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen können", machte Schneider deutlich. Dies bedeute, dass den gesetzlich geforderten Normalfall nur etwa jede zehnte Mitgliedskommune erreichen könne. Alle anderen Kommunen schafften den Haushaltsausgleich nur, indem sie ihr Eigenkapital weiter aufzehrten.

Abbau des Eigenkapitals und Überschuldung

Wie im Vorjahr wurde mit der Haushaltsumfrage der Abbau der Ausgleichsrücklage - der Anteil des Eigenkapitals, der im NKF zum fiktiven Haushaltsausgleich eingesetzt werden kann - sowie des Eigenkapitals allgemein abgefragt. Bis Ende 2014 werden 247 StGB NRW-Mitgliedstädte und -gemeinden ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben.

Für 2015 erwarten dies 19 Kommunen und für die drei Folgejahre noch einmal 20 Kommunen. Dies bedeutet, dass im Finanzplanungszeitraum insgesamt 286 der 359 StGB NRW-Mitgliedskommunen - fast 80 Prozent - ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben werden.

19 Kommunen haben bereits jetzt das Eigenkapital vollständig aufgezehrt, bei einer weiteren StGB NRW-Mitgliedskommune zeichnet sich eine Überschuldung bis zum Jahr 2018 ab. "Allein diese Zahlen belegen den dringenden Handlungsbedarf", sagte Schneider. "Das Ende 2011 verabschiedete Stärkungspaktgesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Der Stärkungspakt muss aber dringend mit zusätzlichen Landesmitteln auch Hilfe für all die Kommunen bereitstellen, die aus eigener Kraft einen strukturellen Haushaltsausgleich nicht schaffen können." Die kommunale Familie sei wirtschaftlich nicht in der Lage, den Ausbau des Stärkungspaktes durch eigene Komplementärmittel zu schultern.

Haushaltssicherung und Nothaushalt

Eine Kommune muss ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, wenn sie ihren Haushalt nicht einmal fiktiv ausgleichen kann und die allgemeine Rücklage mehr als nur unwesentlich verringert werden muss. In diesem Jahr werden 145 StGB NRW-Mitgliedskommunen in dieser Situation sein. Gegenüber dem Vorjahresstand von 147 Kommunen ist dies ein Verharren auf hohem Niveau.

Den strengsten Restriktionen sind Städte und Gemeinden unterworfen, deren Haushaltssicherungskonzept von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wird, da sie auch auf mittlere Sicht keinen Haushaltsausgleich erreichen können. In der so genannten vorläufigen Haushaltswirtschaft - auch Nothaushaltsrecht genannt - sind den Kommunen freiwillige Ausgaben grundsätzlich untersagt. Hier wird es 2014 voraussichtlich wiederum - wie im Vorjahr - vier kreisangehörige Städte und Gemeinden geben. Dank des Stärkungspaktes und geänderter haushaltsrechtlicher Normen ist das Nothaushaltsrecht inzwischen wieder eine Ausnahme.

Dieser Rückgang ist aber vor allem auf die Verlängerung des HSK-Zeitraums in § 76 der NRW-Gemeindeordnung auf zehn Jahre zurückzuführen. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2011 scheitert die Genehmigungsfähigkeit eines Haushaltssicherungskonzepts nicht mehr daran, dass der Haushaltsausgleich nicht innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums erzielt werden kann. Die Genehmigungsfähigkeit ist nunmehr grundsätzlich auch dann gegeben, wenn der Haushaltsausgleich erst innerhalb der kommenden zehn Jahre erreicht werden kann.

"Eine materielle Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Kommunen ist mit dieser Gesetzesänderung freilich nicht eingetreten", machte Schneider deutlich. "Spitzenreiter" bei Haushaltssicherungskonzepten und Nothaushaltskommunen sind im Jahr 2014 wiederum die Regierungsbezirke Köln und Arnsberg:

Haushalts­sicherung

strukturell unausgeglichen

strukturell ausgeglichen

Regierungsbezirk

2013

2014

2013

2014

2013

2014

Arnsberg

46

45

23

24

5

5

Detmold

15

16

43

43

9

8

Düsseldorf

14

15

30

27

10

12

Köln

55

54

34

32

5

8

Münster

17

15

33

41

20

14

Gesamt

147

145

163

167

49

47

Rekordstand an Liquiditätskrediten

Die Kredite zur Liquiditätssicherung haben - trotz harter Konsolidierungsmaßnahmen - einen neuen Rekordstand erreicht. Zum Jahreswechsel 2013/2014 verzeichneten die NRW-Kommunen einen Kassenkreditstand von 25,3 Mrd. Euro. "Dies bedeutet, dass die Kommunen im vergangenen Jahr die Liquiditätskredite um rund 1,4 Mrd. Euro erhöhen mussten, um laufenden Verwaltungsaufwand zu finanzieren", legte Schneider dar. Dieselbe Steigerungsrate war in etwa auch im Vorjahr zu verzeichnen gewesen.

Ertragssituation erfreulich

Auf der Ertragsseite profitiert die Gewerbesteuer weiterhin von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, wobei dies bei den einzelnen Städten und Gemeinden unterschiedlich ausgeprägt ist. In den Haushaltsplanungen gehen die Kämmereien von einem weiteren verhaltenen Zuwachs des Gewerbesteueraufkommens um 1,17 Prozent gegenüber 2013 auf rund 3,9 Mrd. Euro aus. "Die erfreulichen Gewerbesteuererträge zeigen, dass es verbandspolitisch eine gute Entscheidung war, für den Erhalt der Gewerbesteuer zu kämpfen", sagte Schneider.

Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz liegt 2014 in den StGB NRW-Mitgliedskommunen bei 432 Prozentpunkten. Damit kommt es zu einer vergleichsweise moderaten Anhebung von zwei Punkten gegenüber dem Vorjahr. Dies lässt sich auch mit der Anhebung der fiktiven Hebesätze im Gemeindefinanzierungsgesetz durch das Land und mit den Konsolidierungsvorgaben aus dem Stärkungspaktgesetz erklären.

Ganz deutlich lässt sich ein Zusammenhang zwischen Gewerbesteuerhebesätzen und der Gemeindegröße feststellen. Die tatsächliche Staffelung belegt das unterschiedliche Hebesatzpotenzial in der kommunalen Familie. Die Kommunen im kreisangehörigen Raum müssen den Anreiz niedrigerer Hebesätze bieten, damit sie im landesweiten Standortwettbewerb um Unternehmen, Arbeitskräfte und Wertschöpfungspotenzial - sprich: im Bemühen um eine positive Entwicklung ihres Gemeinwesens - mit Aussicht auf Erfolg bestehen und größen- oder lageabhängige Nachteile wenigstens zum Teil kompensieren können.

Steigender Aufwand

Entscheidende Ursache für die andauernde strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden ist der - von diesen nicht mehr steuerbare - Anstieg der Sozialkosten. Die jährlichen Aufwendungen für soziale Leistungen belaufen sich für die NRW-Kommunen mittlerweile auf rund 15 Mrd. Euro.

Die Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund ab 2012 - so Schneider - sei ein erster wichtiger Schritt zur Entlastung der Kommunen und ein großer verbandspolitischer Erfolg. "Wenn die Situation der Kommunen nachhaltig verbessert werden soll, müssen allerdings weitere Entlastungsschritte folgen - vor allem bei der Eingliederungshilfe. Die Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene müssen zügig umgesetzt werden", forderte der StGB NRW-Hauptgeschäftsführer.

Entwicklung der Umlagen

Die Kreisumlage bildet auch 2014 den wesentlichen Ausgabenblock der kreisangehörigen Kommunen. Es bleibt zu hoffen, dass das mit dem Umlagengenehmigungsgesetz eingeführte Verfahren zur Herstellung des Benehmens bei der Aufstellung der Kreishaushalte und die generelle Pflicht zur Genehmigung der Umlagen hier zu einer Entspannung führen.

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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