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Hauptausschuss 2024
Kommunen vor dem Offenbarungseid
Mehr als 90 Prozent der NRW-Kommunen können ihren Etat nicht ohne Eingriff in die Substanz ausgleichen
StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf,
25.02.2003
~fett{Hier die Tabelle mit Ergebnissen}
Die negative Entwicklung der Kommunalfinanzen seit dem Jahr 2000 hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden befinden sich in der schwersten Finanzkrise ihrer Geschichte. Die weiterhin katastrophale Einnahmesituation, stetig steigende Kosten für Pflichtaufgaben und - trotz aller Bekenntnisse von Bund und Land - zusätzliche finanzielle Belastungen haben dazu geführt, dass 2003 nicht einmal jede zehnte Kommune in NRW ohne Eingriffe in die Substanz ihren Haushalt ausgleichen kann. "Wer den Ernst der Lage immer noch nicht erkennt und entsprechend handelt, setzt die Zukunft unseres kommunalen Gemeinwesens aufs Spiel", erklärte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, Bergkamens Bürgermeister ~fett{Roland Schäfer}, heute in Düsseldorf bei der Vorstellung der Haushaltsumfrage des Verbandes unter den 359 Mitgliedstädten und -gemeinden.
~fett{Haushaltslage der NRW-Kommunen 2002 und 2003 (StGB NRW-Umfrage)}
Regierungs- bezirk | Kommunen in der Haushalts- sicherung | strukturell unaus- geglichen | strukturell aus- geglichen | |||
2002 | 2003 | 2002 | 2003 | 2002 | 2003 | |
Arnsberg | 27 | 43 | 35 | 28 | 10 | 1 |
Detmold | 3 | 10 | 41 | 46 | 19 | 7 |
Düsseldorf | 11 | 20 | 25 | 26 | 16 | 6 |
Köln | 21 | 39 | 45 | 39 | 16 | 4 |
Münster | 16 | 24 | 30 | 41 | 22 | 3 |
Gesamt | 78 | 136 | 176 | 180 | 83 | 21 |
Haushaltsicherung ein Massenphänomen |
Von den 337 Städten und Gemeinden, die sich an der Umfrage beteiligt haben, müssen in diesem Jahr 136 (40 Prozent) ein Haushaltsicherungskonzept (HSK) aufstellen. Dies ist eine Steigerung gegenüber 2002 von mehr als 74 Prozent (2002: 78 HSK-Kommunen). Da einige Kommunen noch keine abschließende Aussage über die Notwendigkeit eines HSK machen konnten, wird die endgültige Zahl wohl noch höher liegen. "Es ist erschreckend, dass der Zustand der Haushaltsicherung mittlerweile bereits als Normalität akzeptiert wird, obwohl es sich haushaltsrechtlich nur um Ausnahmefälle handeln sollte", erklärte Schäfer. Wie aussichtslos viele Kämmerer die Finanzlage ihrer Kommune einschätzen, zeigen die Angaben zum voraussichtlichen Ende der Konsolidierungsphase. 110 Städte und Gemeinde nennen einen Zeitpunkt nach 2009 oder wagen gar keine Prognose über eine Rückkehr zu haushaltswirtschaftlichen Normalität. Von den 201 Kommunen, die noch ohne Haushaltsicherungskonzept planen, können 180 ihren Haushalt nur dadurch ausgleichen, dass sie Vermögen veräußern oder noch verbliebene Rücklagen auflösen. Diese Kommunen sind nach Einschätzung von Schäfer die "HSK-Anwärter für 2004". Gesamtdefizit gestiegen Das gemeindliche Gesamtdefizit ist weiter drastisch angestiegen. Bei den befragten StGB-NRW-Mitgliedskommunen, die sich in der Haushaltssicherung befinden, sind bis 2002 Alt-Fehlbeträge von 732 Mio. Euro aufgelaufen. Für das Jahr 2003 erwarten die Kämmerer zusätzliche Schulden von 534 Mio. Euro, und von 2004 bis 2007 wird das Defizit nach den aktuellen Prognosen nochmals um rund 1,22 Mrd. Euro anwachsen. Einnahmen sinken Angesichts des Rückgangs beim Gemeindeanteil an der Einkommens- und Umsatzsteuer und den sinkenden Zuweisungen des Landes aus dem kommunalen Finanzausgleich haben die Kommunen keine andere Wahl, als ihre eigenen Einnahme-Möglichkeiten so weit wie möglich auszuschöpfen. Dies dokumentiert sich landesweit in der Anhebung der Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer. Bei der Gewerbesteuer sind die Hebesätze von durchschnittlich 392 Punkten im Jahre 2002 auf durchschnittlich 407 Punkte angehoben worden. Bei der Grundsteuer B (Grundstücke und Immobilien) ist der Anstieg noch deutlicher: von 337 auf 376 Punkte. "Viele Städte und Gemeinden haben damit den Anstieg der fiktiven Realsteuer-Hebesätze des Landes nachvollzogen. Gerade HSK-Kommunen sind verpflichtet, diese vom Land festgesetzten fiktiven Werte noch um zehn Prozent zu überschreiten", erläuterte Schäfer. Trotz dieser Hebesatz-Erhöhungen wird bei der Gewerbesteuer nach den dramatischen Einbrüchen 2001 und 2002 (jeweils rund zwölf Prozent) auch für dieses Jahr keine Erholung erwartet. Im Vergleich zu dem niedrigen Gewerbesteuer-Aufkommen aus dem Vorjahr wird nochmals mit einer Verschlechterung um 52 Mio. Euro (Minus 2,8 Prozent) gerechnet. Dem steht ein geschätzter Zuwachs bei der Grundsteuer B von gut 11 Prozent gegenüber. Die Einnahmen aus Benutzungs- und Verwaltungsgebühren werden nach Prognose der Kämmerer in diesem Jahr voraussichtlich um 2,7 Prozent steigen, wobei dies entsprechend den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes lediglich gestiegene Kosten für Verwaltungsleistungen widerspiegelt. "Insbesondere die bereits über mehrere Jahre anhaltende Negativ-Entwicklung auf der Einnahmenseite verdeutlicht, dass es sich nicht um eine vorübergehende Durststrecke handelt, sondern dass ohne eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzen eine dauerhafte Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung und der kommunalen Daseinsvorsorge nicht möglich ist", sagte Präsident Schäfer. Sparen mit negativer Wirkung Die kommunalen Investitionen gingen im Erhebungszeitraum um rund 125 Mio. Euro zurück. Allein die Bauinvestitionen werden im Jahr 2003 nochmals um zwei Prozent zurückgehen, wobei bereits in den vergangenen zehn Jahren ein kontinuierlicher Rückgang (Minus 40 Prozent) zu beklagen war. Insofern können die Kommunen keine Impulse für die Konjunktur geben. "Die Zurückhaltung bei den Investitionen verhindert einen Konjunkturaufschwung; jeder Euro für kommunale Investitionen löst drei weitere Euro an privaten Investitionen aus. Die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind gravierend", so Schäfer. Der kommunale Sparwille dokumentiert sich erneut bei den Personalausgaben, deren Anstieg mit zwei Prozent lediglich die Tarifabschlüsse von Januar 2003 widerspiegelt. Pro Einwohner werden in diesem Jahr durchschnittlich 366 Euro für Personal ausgegeben. Weitere Einsparungen haben die Kommunen wiederum durch teils schmerzhafte Einschnitte bei den freiwilligen Leistungen erzielt, wobei sie sich konsequent bemühten, durch optimalen Ressourcen-Einsatz und Förderung bürgerschaftlichen Engagements das Leistungsangebot im Sport- und Kulturbereich so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Die Hebesätze der Kreisumlage sind landesweit deutlich gestiegen: auf durchschnittlich 35,62 Prozent. Damit halten die Kreise trotz sinkender Finanzkraft der kreisangehörigen Städte und Gemeinden ihre Einnahmen gegenüber dem Vorjahr stabil. "Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden erwarten in dieser schwierigen Haushaltssituation, dass sich die Kreise noch stärker als bisher durch eigene Einsparungen an den Konsolidierungs-Bemühungen der kommunalen Familie beteiligen und notfalls auch einmal eigene Haushaltsicherungskonzepte aufstellen", betonte Präsident Schäfer. Sofortprogramm nötig Angesichts der aus eigener Kraft nicht mehr zu bewältigenden Haushaltsprobleme der Kommunen wiederholte Präsident Schäfer die Forderung des Städte- und Gemeindebundes nach einem Sofortprogramm zur Rettung der Kommunen: "Man kann die Städte und Gemeinden nicht ewig mit dem Hinweis auf die Gemeindefinanzreform hinhalten." Eine solche Reform könne ohnehin frühestens in zwei Jahren greifen. |
V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw
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