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Kommunen zehren von der Substanz
Kein Entrinnen aus der Schuldenfalle für Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen
StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf,
17.02.1998
Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen treiben immer tiefer in die Verschuldung. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des NWStGB, an der 355 der 358 Mitgliedskommunen des Verbandes (= 99 %) teilgenommen haben. Der Präsident des NWStGB, Bürgermeister Reinhard Wilmbusse, erklärte hierzu heute in Düsseldorf:
Immer mehr Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten
Die Zahl der kreisangehörigen Kommunen, die trotz aller Anstrengungen 1997 und 1998 ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen mußten, bleibt erschreckend hoch. So mußten im Jahr 1997 insgesamt 101 Städte und Gemeinden (= 28,4 %) einen solchen Sanierungsplan ausarbeiten. Im Jahr 1998 steigt diese Zahl noch einmal um 5 auf nunmehr 106 Kommunen an.
Anzahl der Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept nach Regierungsbezirken:
1997 | 1998 | |
Regierungsbezirk Arnsberg | 35 | 36 |
Regierungsbezirk Detmold | 2 | 1 |
Regierungsbezirk Düsseldorf | 17 | 14 |
Regierungsbezirk Köln | 30 | 34 |
Regierungsbezirk Münster | 17 | 21 |
Erschreckend ist, daß nicht nur die Zahl der Städte und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzepten, sondern auch das Volumen der Defizite der an der Umfrage beteiligten Städte und Gemeinden weiter steigt - gegenüber dem bereits sehr hohen Niveau von 1997 voraussichtlich um 21,7 % auf 940,56 Mio. DM im Haushaltsjahr 1998. Als zusätzliche Hypothek kommen die Defizite aus dem Haushaltsjahr 1997 hinzu, die auf der Grundlage der derzeit zu erstellenden Jahresabschlüsse in die kommunalen Budgets für 1999 einfließen werden und landesweit noch einmal mehrere 100 Mio. DM betragen dürften.
Besonders bedenklich, so Wilmbusse, sei es, daß die Defizite der lediglich die konsumtiven Ausgaben der Städte und Gemeinden erfassenden Verwaltungshaushalte durch Kassenkredite finanziert werden müssen: "Der durch das zunehmenden Volumen der Kassenkredite wachsenden Belastung der Kommunalhaushalte steht kein Vermögenszuwachs gegenüber." Viele Städte und Gemeinden seien gezwungen, ihre konsumtiven Ausgaben - insbesondere die allgemeine Kreisumlage zur Deckung der Sozialhilfekosten - zumindest teilweise durch Schulden zu finanzieren. Dies könne nicht länger hingenommen werden.
Zahl der Kommunen mit strukturell unausgeglichenen Haushalten steigt an.
Ein Ende dieser verhängnisvollen Finanzentwicklung ist nicht in Sicht. 1998 können - abgesehen von den 106 Städten und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzept - weitere 146 Kommunen den Haushaltsausgleich nur erreichen, indem sie Rücklagen auflösen oder Vermögen veräußern. Das bedeutet, daß 1998 voraussichtlich 252 kreisangehörige Kommunen (=71%) keinen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen können.
"Der Kreis der Kommunen, die einen Haushaltsausgleich ohne Eingriff in ihre Substanz tätigen und somit einen strukturell ausgeglichenen Etat vorweisen können, ist erschütternd klein", so Wilmbusse. Insgesamt müssen die an der Umfrage beteiligten Städte und Gemeinden 1998 Veräußerungserlöse von 253,41 Mio. DM in ihre Haushalte einstellen. "Der Ausverkauf des noch verbliebenen gemeindlichen Tafelsilbers - und hiermit letztlich das Zehren von der Substanz - sind traurige Realität geworden", so Wilmbusse.
Steuereinnahmen weiterhin schwach
Entwicklung und Prognose der Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden geben keinen Anlaß zum Optimismus.
Die Summe der Einnahmen aus der Gewerbesteuer (netto - sprich nach Abzug der Umlagen an Land und Bund) und dem gemeindlichen Anteil an der Umsatzsteuer - Ersatz für die abgeschaffte Gewerbekapitalsteuer - für 1998 erreicht nur mit Mühe das ohnehin niedrige Niveau der Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 1997. Angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wäre 1998 ein deutlicher Zuwachs zu erwarten gewesen. Wilmbusse: "Dies zeigt, daß zum einen die nur 2,2prozentige Beteiligung an der Umsatzsteuer nicht ausreichend ist und daß zum anderen die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage um 7 Prozentpunkte zugunsten der Länder im Rahmen der Unternehmenssteuerreform in keiner Weise zu rechtfertigen war." Ferner sei festzuhalten, daß Kommunen mit hohem Anteil der Gewerbekapitalsteuer an den Gesamt-Gewerbesteuereinnahmen deutliche Einnahmeeinbußen in Kauf nehmen müssen. Diese Städte und Gemeinden sind die Verlierer der Unternehmenssteuerreform.
Schwerwiegend sind die Einbrüche bei der Einkommensteuer, die sich sowohl beim unmittelbaren Gemeindeanteil als auch beim kommunalen Finanzausgleich auswirken. Auf der Basis der jüngsten Steuerschätzung vom November 1997 mußten die Einnahmeerwartungen vor allem bei der veranlagten Einkommensteuer drastisch reduziert werden. Dies führte nicht nur zu erheblichen Verschlechterungen bei der unmittelbaren Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Einkommensteuer - landesweit betrug 1997 der gemeindliche Anteil 10,4 Mrd. DM; 1992 waren es noch 11,2 Mrd DM -, sondern verringerte auch das Volumen des kommunalen Finanzausgleichs, dessen tragende Säule auch die Einkommensteuereinnahmen des Landes sind.
So mußte das Land im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Gemeindefinanzierungsgesetz 1998 die Schlüsselzuweisungen an die Städte und Gemeinden um 148,4 Mio. DM kürzen. Dies geschah Anfang Dezember 1997, als die kommunalen Haushaltsplanungen bereits weit fortgeschritten waren. "Die Haushaltsberatungen vor Ort werden zur Farce, wenn die Steuereinnahmen ständig in völlig unberechenbarer Weise nach unten korrigiert werden müssen und so den kommunalen Planungen der Boden entzogen wird", monierte Wilmbusse. Eine grundlegende Steuerreform, die das Steueraufkommen wieder berechenbar und kalkulierbar mache, sei dringend erforderlich.
Diese Forderung gelte nicht nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer. Denn die Kriterien zur Gewinnermittlung bei der Körperschaftssteuer, die auf dem Papier die Unternehmenserträge gering erscheinen lassen, werden auch bei der Bemessung der Gewerbesteuer angewandt. "Steuereinnahmen und Wirtschaftsverlauf haben sich bei allen ertragsbezogenen Steuern weitgehend entkoppelt", so Wilmbusse. Betrug das landesweite Gewerbesteueraufkommen (netto) 1992 noch 11,6 Mrd. DM, so sank es 1996 auf 10,4 Mrd. DM, ohne daß seither ein signifikanter Zuwachs, wie er durch die konjunkturelle Entwicklung zu erwarten wäre, eingetreten ist.
Der NWStGB-Präsident unterstrich die Forderung nach einer Rückkehr zu den bis 1995 geltenden Berechnungsstrukturen des kommunalen Finanzausgleichs. Die mit der Umsetzung des "IfO-Gutachtens" verbundene Umverteilung von rund 300 Mio. DM pro Jahr von kreisangehörigen hin zu kreisfreien Kommunen müsse ein Ende haben. Da der Landesgesetzgeber sich nach wie vor den methodischen und finanzwissenschaftlichen Einwänden der kreisangehörigen Städte und Gemeinden verschließe, werde hier letztlich das Urteil des Verfassungsgerichtshofes NW den Ausschlag geben. Bekanntlich haben 188 Mitgliedskommunen des NWStGB gegen die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs Verfassungsbeschwerde erhoben, über die am 25. Mai erstmals verhandelt wird.
Stagnation bei den Gebühreneinnahmen
Die Einnahmen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden aus Verwaltungs- und Benutzungsgebühren steigen 1998 im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich nur um 4%, was angesichts des starken Ausbau- und Sanierungsdrucks durch vielfältige Vorschriften des Umweltrechts - insbesondere bei Abfall und Abwasser - eine moderate Entwicklung bedeutet.
Reinhard Wilmbusse: "Diese Zahlen belegen, daß der von verschiedenen Seiten erhobene Vorwurf, die Städte und Gemeinden sanierten ihre Haushalte auf Kosten der Gebühren- und Beitragszahler, jeder Realität entbehrt."
Kreisumlage konstant hoch
Auf hohem Niveau verharrt die Belastung der Städte und Gemeinden durch die Kreisumlage. Die befragten Kommunen erwarten für 1998 einen Rückgang der allgemeinen Kreisumlage von 40,82 Punkten auf durchschnittlich 39,44 Punkte. Reinhard Wilmbusse: "Maßgebliche Ursache für die weiterhin viel zu hohe Kreisumlage sind die Sozialhilfeaufwendungen der Kreise. Hier sollte der Gesetzgeber endlich der Forderung des NWStGB nachkommen, die Zuständigkeit für die Sozialhilfe auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu verlagern." Durch Modellversuche sei nachgewiesen, daß dies zu erheblichen Einsparungen führe.
Rückfragen: Frank Stein (Finanzreferent), Tel. 0211-4587-255
Eine Tabelle mit den Daten der Haushaltsumfrage 1997/98 kann beim NWStGB, Dezernat Finanzen, Postfach 10 39 52, 40030 Düsseldorf, Fax. 0211-4587-211, angefordert werden.
V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw
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