Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Kommunalfinanzen weiterhin mit Aufholbedarf
Das Ergebnis der Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW unter seinen Mitgliedskommunen für 2022 und 2023 belegt dringenden Handlungsbedarf von staatlicher Seite
Fragt man nach der Lage der Kommunalfinanzen, so wird aktuell ein häufig überraschend positives Bild gezeichnet. Vielfach herrscht der Eindruck vor, man sei erstaunlich gut durch die Corona-Krise gekommen, insbesondere die Gewerbesteuer habe sich viel besser als erwartet entwickelt. Jüngst noch konnte Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilen, dass die NRW-Kommunen im Jahr 2022 an Gewerbesteuer (brutto) 15,4 Prozent mehr vereinnahmt hätten als ein Jahr zuvor und 20,6 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Manch einer möchte sich vor diesem Hintergrund gern im Lichte einer allgemeinen „Erholung“ sonnen und Abschied von der lästigen Haushaltsdisziplin nehmen. Tritt man einen Schritt zurück, stellt sich ein solcher Eindruck jedoch schnell als trügerisch heraus. Nicht nur, dass im Speziellen die Bedeutung der Gewerbesteuer von Gemeinde zu Gemeinde extrem unterschiedlich ausfallen kann und es im laufenden Jahr 2023 bereits wieder nach einem leichten Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen aussieht.
Haushalte unter Ausgabendruck Vielmehr gilt im Allgemeinen, dass das Problem der Kommunen derzeit vor allem in extrem steigenden Ausgaben liegt. Allein die Belastungen durch den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst schlagen mit rund drei Milliarden Euro zu Buche. Auch die Kosten für Energie, Bauvorhaben, energetische Sanierungen oder Infrastrukturprojekte sind durch die Inflation massiv gestiegen. Durch die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten haben die Kommunen noch zusätzliche Lasten zu stemmen.
Die dringend notwendigen Investitionen in Klimaanpassung, Hochwasserschutz, Umbau der Innenstädte oder die Verkehrswende sind damit noch nicht einmal im Ansatz eingepreist. Schließlich ist auch an die noch isolierten - und demnächst abzutragenden - Haushaltsschäden infolge der Corona-Pandemie und des Kriegs gegen die Ukraine zu erinnern. Dass bei den Kommunalfinanzen also keine Erholung angesagt ist, belegt auch die diesjährige Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen (StGB NRW), an der sich wiederum sämtliche 361 Verbandsmitglieder beteiligt haben.
Isolierte Schulden verzerren das Bild
Haushaltssicherung Ein wichtiger Indikator für die Finanzlage bleibt die Anzahl der Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept (HSK) oder Haushaltssanierungsplan, soweit es sich um Stärkungspakt-Kommunen handelt. Ein HSK muss aufgestellt werden, wenn eine Kommune ihren Haushalt nicht einmal fiktiv ausgleichen kann und die allgemeine Rücklage mehr als nur unwesentlich verringern muss. 27 StGB NRW-Mitgliedskommunen (rund 7,5 Prozent) erwarten diese Situation für 2023. Damit ist gegenüber dem Vorjahresstand von 41 Kommunen (rund elf Prozent der Mitglieder) ein erneuter Rückgang zu verzeichnen.
Im Vorjahr war der Rückgang mit rund 43 Prozent außergewöhnlich hoch, weil ab dem Jahr 2022 die Teilnehmer der ersten beiden Stärkungspaktstufen keine Haushaltssanierungspläne (HSP) mehr aufzustellen hatten. An der noch fortlaufenden dritten Stufe des Stärkungspakts Stadtfinanzen nehmen nur drei Kommunen teil. Der Rückgang zeigt auch, dass trotz der Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine die früheren HSP nach Rückkehr zum regulären Haushaltsrecht nicht etwa in großem Stil durch HSK ersetzt werden mussten.
Auch wenn sich die Zahl der Mitglieder im "Krisenmodus" damit auf ein vergleichsweise niedriges Maß reduziert hat, darf dieser Umstand jedoch keinesfalls mit einer Diagnose gesunder Kommunalhaushalte verwechselt werden. Sicherlich haben auch die Konsolidierungsbemühungen der ehemaligen Stärkungspakt-Teilnehmer und die unerwartet positive Gewerbesteuerentwicklung ihren Teil zur Entwicklung beigetragen. Als wesentlicher Faktor bleibt aber festzuhalten, dass aufgrund des NKF-COVID-19-Ukraine-Isolierungsgesetzes (NKF-CUIG) Finanzschäden in erheblichem Umfang haushalterisch isoliert sind - seit dem Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2022 erstmals auch solche infolge des Ukrainekrieges. Insgesamt geht es um ein Volumen von rund 953 Millionen Euro für das vergangene und rund 1,36 Milliarden Euro für das laufende Jahr.
Das Isolierungsvolumen von COVID-19-Schäden wird von den Mitgliedskommunen für das Jahr 2022 mit 813.475.744 Euro und für 2023 mit immer noch 564.995.950 Euro angegeben. Der Umfang von Schäden infolge des Krieges gegen die Ukraine liegt für 2022 bei 139.548.619 Euro und für 2023 bei 798.484.981 Euro. Diese Schäden "fehlen" in den üblichen Haushaltsdarstellungen und verzerren insoweit die Aussagekraft der traditionellen Indikatoren - wie Anzahl der HSK-Kommunen oder strukturell ausgeglichener Haushalte – erheblich und müssen daher insbesondere im politischen Diskurs der Räte "mitgedacht" werden.
Haushaltsausgleich Eine weitere alarmierende Kontraindikation für „gesunde“ - oder auch nur gesundende - Haushalte liefert der abermalige Rückgang strukturell ausgeglichener Haushalte. Denn einen strukturellen Haushaltsausgleich, bei dem die Erträge die Aufwendungen decken, planen 2023 nur noch 81 oder 22,44 Prozent - und damit weniger als ein Viertel - der 361 befragten Kommunen. Im Vorjahr ist dies mit 160 Städten und Gemeinden oder 44,32 Prozent noch beinahe doppelt so vielen Mitgliedern gelungen, war aber auch da schon rückläufig.
Schaubild 1: Haushaltswirtschaftliche Lage
Weitere 253 Kommunen oder 70,08 Prozent) erreichen einen fiktiven Haushaltsausgleich nur durch eine weitere Reduzierung ihres Eigenkapitals. Im Vorjahr waren es 160 Kommunen. Der von der NRW-Gemeindeordnung postulierte Normalfall des strukturellen Haushaltsausgleichs bleibt damit - selbst unter den irregulären Umständen einer zwingenden Schadensisolierung aufgrund des NKF-CUIG - weiterhin klar die Ausnahme, statt die Regel (siehe Schaubild 1). Allein dies belegt einen anhaltenden Handlungsbedarf von Landesseite überaus deutlich.
Den strengsten haushaltsrechtlichen Restriktionen sind diejenigen Städte und Gemeinden unterworfen, deren Haushaltssicherungskonzept von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wird, da sie auch auf mittlere Sicht keinen Haushaltsausgleich erreichen können. In der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung - auch Nothaushaltsrecht genannt - sind den Kommunen freiwillige Ausgaben grundsätzlich untersagt. In der vorläufigen Haushaltsführung befindet sich 2023 voraussichtlich aber kein Mitglied.
Eigenkapital und Überschuldung Einen wichtigen Teil der Erfassung bildete auch in diesem Jahr wieder die Abfrage, inwieweit ein Abbau der Ausgleichrücklage - also desjenigen Anteils am Eigenkapital, der haushaltsrechtlich zum fiktiven Haushaltsausgleich eingesetzt werden darf - sowie ein Abbau des Eigenkapitals im Übrigen stattfindet. Insgesamt geben 157 Mitglieder (43,49 Prozent) eine eingetretene oder erwartete Aufzehrung zumindest ihrer Ausgleichsrücklage an. Davon werden voraussichtlich 80 Befragte bis Ende 2023 nicht mehr über eine Ausgleichsrücklage verfügen. In den drei Folgejahren kommen noch einmal 77 Städte und Gemeinden hinzu (siehe Schaubild 2).
Insgesamt acht Mitgliedskommunen mussten das Eigenkapital bereits vollständig aufzehren und sind damit überschuldet. Eine weitere erwartet dies bis 2026. Auch diese Zahlen belegen die anhaltende Brisanz der finanziellen Situation.
Schaubild 2: Ausgleichsrücklage
Ertrag aus Gewerbesteuer und Grundsteuer Die Haushaltsplanungen für 2023 lassen auf einen leichten Rückgang des - insgesamt allerdings erfreulich hohen - Netto-Gewerbesteueraufkommens schließen, das um 4,79 Prozent auf rund 5,962 Milliarden Euro sinken soll. 2022 war ein Aufkommen von rund 6,262 Milliarden Euro erreicht worden.
Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz liegt 2023 in den StGB NRW-Mitgliedskommunen bei 454 Prozentpunkten. 2022 lag er bei 451. Deutlich lässt sich ein Zusammenhang zwischen Gewerbesteuerhebesatz und Gemeindegröße feststellen. Die tatsächliche Staffelung belegt das unterschiedliche Hebesatzpotenzial der kommunalen Familie. Denn Kommunen im kreisangehörigen Raum müssen den Anreiz niedriger Hebesätze bieten, damit sie im landesweiten Standortwettbewerb um Unternehmen, Arbeitskräfte und Wertschöpfungspotenzial - sprich: im Bemühen um eine positive Entwicklung ihres Gemeinwesens - erfolgreich bestehen und Nachteile, die sich aus Lage oder Größe der Kommune ergeben, zum Teil kompensieren können. Tatsächlich liegt die Spreizung der Hebesätze bei der Gewerbesteuer zwischen 250 Prozentpunkten in Monheim am Rhein und 700 Prozentpunkten in Inden.
Für die Grundsteuer B wird mit einem Aufkommen von 2,010 Milliarden Euro und damit einem Plus von 3,36 Prozent gerechnet. Den höchsten Hebesatz für die Grundsteuer B hat mit 1.555 Prozent die Gemeinde Ruppichteroth angegeben; bei Redaktionsschluss lag allerdings nur ein Haushaltsplanentwurf vor. Den höchsten vom Rat beschlossenen Hebesatz hat Hürtgenwald mit 950 Prozent. Hintergrund sind die energischen Bemühungen der Kommunen, ihre Haushaltssituation in den Griff zu bekommen. Den niedrigsten Hebesatz hat Verl mit 170 Prozent (siehe Schaubild 3). Es kommt im Durchschnitt zu einer Anhebung der Hebesätze auf 318 Prozent bei der Grundsteuer A und damit einem Plus von sechs Punkten und auf 568 Prozent bei der Grundsteuer B (ohne die Gemeinde Ruppichteroth), was einem Plus von zwölf Punkten entspricht.
Schaubild 3: Realsteuerhebesätze
Gesamtabschlüsse Mit der diesjährigen Haushaltsumfrage wurde erneut auch der Stand der Gesamtabschlüsse in der Mitgliedschaft abgefragt. Den Hintergrund dafür bildet die seit dem 2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz offene Rechtsfrage, ob für die Haushaltsjahre vor 2019 noch fehlende Gesamtabschlüsse durch Beteiligungsberichte nach § 117 GO NRW ersetzt werden können. Die Möglichkeit, die sehr aufwändigen und teuren Gesamtabschlüsse unter den Voraussetzungen des § 116a GO NRW durch schlankere Beteiligungsberichte zu ersetzen, war mit besagtem Gesetz verabschiedet worden.
Die StGB NRW-Geschäftsstelle nimmt mit guten Gründen an, dass diese Möglichkeit für sämtliche noch fehlenden Gesamtabschlüsse greift. Das Kommunalministerium vertritt allerdings die gegenteilige Auffassung. Mit der Umfrage geht es zunächst darum, das Maß der Betroffenheit innerhalb der Mitgliedschaft zu ermitteln: 33 Mitgliedern fehlen aktuell noch Gesamtabschlüsse aus den Haushaltsjahren 2018 oder früher. Die genannte Rechtsfrage bleibt damit weiterhin relevant.
Kredite zur Liquiditätssicherung Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben die NRW-Kommunen zum 31. Dezember 2022 Kredite zur Liquiditätssicherung - sogenannte Kassenkredite - in Höhe von rund 18,61 Milliarden Euro aufgenommen. Ein Jahr zuvor waren es 18,91 Milliarden Euro. Daneben bestand eine kommunale Wertpapierverschuldung in Höhe von 1,99 Milliarden Euro - Vorjahr: 2,24 Milliarden Euro -, die zumindest teilweise dieselbe Funktion erfüllt. Auch diese anhaltend hohen Werte bilden wichtige Gradmesser für die schwierige Lage der Kommunalfinanzen in NRW.
Dies gilt umso mehr in Zeiten einer wieder steigenden Zinslast. Beim hohen Kassenkredit-Stand in NRW, der mittlerweile - auch wegen Entschuldungsprogrammen anderer Bundesländer - rund zwei Drittel des kommunalen Kassenkreditvolumens in ganz Deutschland ausmacht, birgt das Zinsänderungsrisiko eine enorme Sprengkraft.
Auch in diesem Jahr wurde die Haushaltsumfrage des StGB NRW um eine Abfrage zu Kassen- und Investitionskrediten ergänzt. Danach haben im Jahr 2022 insgesamt 185 Mitglieder Kassenkredite aufgenommen, im Jahr 2023 planen dies Anfang des Jahres 213 Kommunen. Investitionskredite wurden im Jahr 2022 von 169 Kommunen aufgenommen; im Jahr 2023 werden voraussichtlich 312 Kommunen Investitionskredite aufnehmen.
Zum 31. Dezember 2021 hat der Stand an Kassenkrediten bei den Mitgliedskommunen 5.554.176.396 Euro und zum 31. Dezember 2022 5.065.399.893 Euro betragen. Dies entspricht dem landesweiten, leicht rückläufigen Trend. Zum 31. Dezember 2023 wird allerdings mit einem erneuten Anstieg des Kassenkreditstandes über das Niveau Ende 2021 auf 7.128.338.391 Euro gerechnet. Investitionskredite wurden im Jahr 2022 in Höhe von 1.719.944.808 Euro aufgenommen. Im Jahr 2023 wird mit Investitionskrediten in Höhe von 4.433.364.770 Euro kalkuliert, was eine Ausweitung der Investitionstätigkeit andeutet.
Der hohe Stand der Liquiditätskredite macht wiederum deutlich, dass die Kommunen in NRW auf Konsolidierungshilfen des Landes angewiesen sind. Angesichts steigender Zinsen sollte es daher schnellstmöglich zu einem signifikanten Absenken der Kassenkreditstände und einer Weichenstellung dafür kommen, dass keine neuen Schulden entstehen müssen. Ein Nachsteuern beim Stärkungspakt, wie im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vorgesehen, vor allem aber ein spürbarer Abbau der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen bleiben deshalb auf der politischen Agenda.
Haushaltsrecht als "Kriseninstrument"
Neues Umsatzsteuerrecht Ferner hat die Haushaltsumfrage ergeben, dass in immerhin 62 Mitgliedskommunen § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) bereits in Zeiträumen vor dem 1. Januar 2025 Anwendung findet beziehungsweise eine Anwendung vor 2025 geplant ist. Diese Mitglieder haben der nach § 27 Abs. 22a UStG automatisch eintretenden Verlängerung der Optionsfrist also aktiv widersprochen oder haben dies kurzfristig vor, um eine Geltung der neuen Rechtslage im eigenen Gemeindegebiet vorzeitig herbeizuführen.
Sustainable Finance Nachhaltige Finanzkonzepte werden von 31 Mitgliedskommunen genutzt oder sind in Planung. Acht Mitglieder haben von Nachhaltigkeitshaushalten berichtet, elf nutzen Möglichkeiten nachhaltiger Geldanlage und zwölf sonstige nachhaltige Finanzinstrumente.
Haushaltsrecht als "Kriseninstrument" Rückblickend hat sich inzwischen eine Tendenz verfestigt, auf reale finanzielle Notlagen - das Fehlen von Geld in den örtlichen Haushalten - auch mit Lockerungen im Haushaltsrecht zu reagieren. Ein Baustein dazu war bereits die Verlängerung des HSK-Zeitraums in § 76 Gemeindeordnung NRW auf zehn Jahre per Gesetzesänderung im Jahr 2011. Seitdem ist zur Genehmigung eines Haushaltssicherungskonzepts nicht mehr erforderlich, dass der Haushaltsausgleich innerhalb von fünf Jahren erreicht wird. Stattdessen ist eine Genehmigung auch möglich, wenn der Haushalt innerhalb der kommenden zehn Jahre ausgeglichen werden kann. Das Stopfen finanzieller Löcher kann so deutlich länger „gestreckt“ werden. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Kommunen war und ist mit einer solchen Fristverlängerung freilich nicht verbunden.
Ebenfalls als haushaltsrechtliche „Lockerung“ darstellen lässt sich die seit Langem tolerierte Praxis, Kredite zur Liquiditätssicherung - sogenannte Kassenkredite -, die in der Theorie kurzfristige Liquiditätsengpässe ausgleichen sollen, in ein langfristiges Finanzierungsinstrument für konsumtive Zwecke umzufunktionieren. So sind die vielerorts drückenden „Altschulden“ entstanden.
Schließlich wurde mit dem NKF-CUIG die Rolle des Haushaltsrechts als „Kriseninstrument“ noch einmal erheblich ausgeweitet. Das Gesetz zwingt Kommunen, Mindererträge oder Mehraufwendungen infolge der COVID-19-Pandemie und des Krieges gegen die Ukraine haushaltsrechtlich zunächst völlig auszublenden. Sie werden in dem für den Haushaltsausgleich entscheidenden Ergebnisplan als außerordentlicher „Ertrag“ dargestellt - was fast schon ironisch anmutet, denn es handelt sich um das genaue Gegenteil. Beginnend im Haushaltsjahr 2026 müssen die Schäden dann linear über längstens 50 Jahre abgetragen werden. Alternativ besteht im Jahr 2025 die Möglichkeit, die isolierten Schäden ganz oder in Anteilen gegen das Eigenkapital erfolgsneutral auszubuchen. Beiden Varianten ist gemein, dass die Kommune ihre Schäden im Ergebnis selbst trägt. Das Haushaltsrecht erleichtert dies nur.
Bewertung aus kommunaler Sicht Eine Bewertung dieser erkannten Tendenz muss aus kommunaler Sicht ambivalent ausfallen. Einerseits tragen haushaltsrechtliche Lockerungen dazu bei, Kommunen rechtlich handlungsfähig zu halten, und bilden kurzfristig einen Ausweg, um zur Erreichung des Haushaltsausgleichs gegebenenfalls notwendige Steuererhöhungen zu vermeiden. Andererseits gehen rein haushaltsrechtliche Erleichterungen am Kern des Problems vorbei: Wo echte finanzielle Kompensationen gebraucht würden, verschieben sie das Problem in die Zukunft. Überdeutlich wird dies im Falle des NKF-CUIG, das auf einen generationenübergreifenden Abzahlungsplan hinausläuft, der für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sehr langfristig schmerzhaft spürbar bleiben wird und mit dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit in offenen Konflikt gerät.
Gemeinsam ist allen derartigen Bemühungen jedenfalls, dass sie in entscheidenden Momenten politischen Druck vom Land genommen haben, seiner Finanzierungsverantwortung für die Kommunen nachzukommen und eine Mittelausstattung zu gewährleisten, die eine Erfüllung der Pflichtaufgaben abdeckt und darüber hinaus angemessenen Spielraum für freiwillige Aufgaben lässt. Auch wenn viele Kommunen daher auf die beschriebenen Lockerungen derzeit weder verzichten können noch wollen, gilt ihr eigentliches Interesse weiterhin einer auskömmlichen Finanzausstattung.
An dieser Bilanz ändert im Übrigen auch der Stärkungspakt Stadtfinanzen nichts. Hier war man in die Gegenbewegung gegangen und hat für eine Reihe überschuldeter oder von der Überschuldung bedrohter Kommunen auf die Einhaltung des haushaltsrechtlichen Rahmens gepocht, indem sie mit Hilfe genehmigungspflichtiger Haushaltssanierungspläne zu drastischen Konsolidierungen angehalten wurden. Ermöglicht wurde der Erfolg allerdings erst durch zusätzliche Hilfsgelder der kommunalen Familie und des Landes. An der generellen Unterfinanzierung der kommunalen Ebene hat allerdings auch dies nichts verändert. Ob die betroffenen Städte und Gemeinden durch ihre Anstrengungen derart resilient geworden sind, dass sie bestehende Finanzierungsdefizite sowie die kommenden Aufgaben- und Kostenzuwächse aus eigener Kraft bewältigen können, darf nachdrücklich bezweifelt werden.
Die Autoren
Claus Hamacher ist Beigeordneter für Finanzen beim Städte- und Gemeindebund NRW
Carl Georg Müller ist Hauptreferent für Finanzen beim Städte- und Gemeindebund NRW