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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 1999
Warnung vor Rutschgefahr durch Herbstlaub
Gerade zur Zeit des Herbstes ist es nicht vermeidbar, daß Laub von Bäumen und Sträuchern in nicht geringer Menge auf Wege und Straßen fällt. Die hiermit verbundene Rutschgefahr ist für jeden Benutzer eines Weges offenkundig. Vor ihr muß deshalb nicht gewarnt werden. (nichtamtliche Leitsätze)
OLG Frankfurt, Urteil vom 16.01.1997
– Az.: 1 U 75/95–
und OLG Nürnberg, Urteil vom 24.02.1993
– Az.: 4 U 3149/92 –
In den den Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalten waren Passanten auf öffentlichen Wegen auf nassem Laub ausgerutscht und gestürzt. Hierbei zogen sich die Passanten erhebliche Fußverletzungen zu, die umfangreiche ärztliche Behandlungen nach sich zogen. Beide beklagten die jeweilige Kommune als Grundstückseigentümer auf Schmerzensgeld mit der Begründung, daß derjenige, der für einen Weg verantwortlich sei, diesen zu jeder Jahreszeit auch in Ordnung halten müsse. Dies beinhalte nicht nur Schneeräumen und Sandstreuen bei Glatteis, sondern auch das Zusammenkehren von Blättern im Herbst.
Die entsprechenden Gemeinden bezeichneten es dagegen als unverhältnismäßig, wenn sich ein Eigentümer – egal, ob Privatmann oder Kommune – ständig um die von den Bäumen fallenden Blätter kümmern müsse.
Die Gerichte wiesen die Forderungen der Unfallopfer nach Schmerzensgeld in beiden Fällen zurück. Gerade im Herbst sei es nicht vermeidbar, daß Laub von Bäumen und Sträuchern in nicht geringer Menge auf Wege und Straßen falle. Die hiermit verbundene Rutschgefahr sei für jeden Benutzer eines Weges offenkundig und daher müsse vor ihr nicht gewarnt werden. Die Forderung nach einem häufigen Aufkehren der Blätter durch den Grundstückseigentümer, um Passanten zu schützen, führe zu einer "Laub-Polizei". Ein solches "Hinterherjagen nach jedem einzelnen Laubblatt" würde aber nach Auffassung der Gerichte den Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren, was im Rahmen der den Grundstückseigentümer treffenden Verkehrssicherungspflicht abverlangt werden könne, weit überspannen.
Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks
Ein Notwegerecht (§ 917 BGB) zu Lasten eines in fremdem Eigentum stehenden Anliegergrundstücks genügt auch dann nicht den baurechtlichen Anforderungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 BauO NW 1995) an das Erschlossensein eines sogenannten Hinterliegergrundstücks (§§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB), wenn dieses aufgrund einer Baugenehmigung bereits bebaut ist.
OVG NW, Beschluß vom 15.04.1999
- Az.: 3 B 68/99 -
In der ersten Instanz hatte das VG angenommen, die betreffenden Grundstücke des Antragstellers seien über eine tatsächlich vorhandene private Wegefläche, die auf im Eigentum Dritter stehenden Grundstücken liegt, durch eine Straße erschlossen im Sinne von §§ 131 Abs. 1 und 133 Abs. 1 BauGB, weil dem Antragsteller hinsichtlich der in fremdem Eigentum stehenden privaten Wegefläche ein Notwegerecht im Sinne von § 917 BGB zustehe.
Das OVG ist anderer Auffassung. Es führt aus, daß es gefestigter Rechtsprechung entspreche, daß sogenannte Hinterliegergrundstücke (wie im vorliegenden Fall die Grundstücke des Antragstellers) nur dann im Sinne der o.g. Vorschriften erschlossen seien, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten eine Zufahrt von der Anbaustraße über das in fremdem Eigentum stehende Anliegergrundstück zu den Hinterliegergrundstücken tatsächlich vorhanden und diese Zufahrt in einer Weise rechtlich gesichert sei, die den bauordnungsrechtlichen Anforderungen und einer hinreichenden Erreichbarkeit genüge. Dies setze regelmäßig die Eintragung einer Baulast im Sinne von § 83 Bauordnung NW voraus, während ein bloßes Notwegerecht im Sinne von § 917 BGB den bauordnungsrechtlichen Anforderungen grundsätzlich nicht genüge.
Etwas anderes gelte auch nicht bei bereits bebauten Hinterliegergrundstücken.
Ein Notwegerecht sei nämlich nicht öffentlich-rechtlich gesichert, sondern ein lediglich privates Recht, das hinsichtlich seiner Entstehung und seines Untergangs voll der Privatautonomie unterliege. Wegen der schuldrechtlichen Natur entstehe es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht als ein Recht des Grundstücks, dem eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt, sondern als ein Recht des Grundstückseigentümers, das sich gegen den Grundstücksnachbarn richte.
Hinzu komme, daß für die Frage des Erschlossenseins grundsätzlich eine abstrakte Betrachtung maßgeblich sei, die nicht auf eine tatsächlich vorhandene Bebauung, sondern auf die grundsätzliche Bebaubarkeit des jeweiligen Grundstücks abstelle
Wegen der bestandskräftigen Baugenehmigung sei zwar dem vorhandenen Baubestand das Erfordernis einer öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zufahrt nicht entgegenzuhalten. Die erteilte Baugenehmigung würde aber z.B. bei einer Zerstörung oder bei einem Abriß des Gebäudes erlöschen und eine erneute Genehmigung dürfte in Ermangelung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt nicht erteilt werden.
© StGB NRW 1999