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Heft Dezember 2003
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Adoption
Eine erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres als Kind eines Deutschen angenommene Ausländerin erwirbt mit der Adoption zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern die Adoption schon vor Eintritt der Volljährigkeit beantragt worden ist (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003
- Az.: 1 C 20.02 -
Die Klägerin, eine bahamaische Staatsangehörige, wurde im März 1977 in Hamburg geboren. Der Stiefvater beantragte im September 1993 die Annahme der Klägerin als Kind. Im August 1994 teilte das Jugendamt dem Vormundschaftsgericht mit, eine abschließende Stellungnahme zur Adoption sei nicht möglich, da sich die Klägerin überwiegend auf den Bahamas aufhalte. Sie spreche sehr gut Deutsch und fühle sich auch als Deutsche. Im Dezember 1994 verfügte der Vormundschaftsrichter das Weglegen der Verfahrensakte.
Im Juli 1995 beantragten der Stiefvater und die inzwischen volljährige Klägerin unter Bezugnahme auf das erste Verfahren erneut die Adoption. Diesem Antrag gab das Vormundschaftsgericht statt; die Adoption wurde im März 1996 rechtswirksam. Im Juli 1996 beantragte die Klägerin einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin durch die Adoption nicht deutsche Staatsangehörige geworden sei. Maßgeblich sei allein der zuletzt gestellte Antrag auf Adoption als Volljährige. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises verpflichtet. Auf die Berufung der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts korrigiert und die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts wieder hergestellt. Die Klägerin ist nach § 6 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes mit der Adoption im März 1996 automatisch, nämlich kraft Gesetzes, deutsche Staatsangehörige geworden. Nach dieser Vorschrift erwirbt das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit der wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung. Entscheidend ist auf den ersten Adoptionsantrag von 1993 abzustellen, der weder zurückgenommen noch vom Vormundschaftsgericht abgelehnt wurde.
Der Umstand, dass die Vormundschaftsgerichte bei Vollendung des achtzehnten Lebensjahres während eines noch laufenden Annahmeverfahrens einen neuen Antrag auf Volljährigenadoption verlangen und das weitere Verfahren mit neuem Aktenzeichen durchführen, steht dem Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes nicht entgegen. Das Gesetz will vielmehr im Grenzbereich zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption gerade diejenigen begünstigen, deren Adoption als Minderjährige noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beantragt worden ist. Für eine manipulative oder missbräuchliche Verfahrensgestaltung, welcher das Oberverwaltungsgericht mit einer betont engen Auslegung des Gesetzes hat vorbeugen wollen, bestehen im Falle der Klägerin keine Anhaltspunkte.
Marktbeherrschende Stellung der Stadtwerke
Stadtwerke haben trotz der Energiemarkt-Liberalisierung bei der Belieferung mit elektrischer Energie im Bereich ihres angestammten örtlichen Versorgungsgebietes noch eine marktbeherrschende Stellung inne. Sie missbrauchen diese marktbeherrschende Stellung jedoch nicht dadurch, dass sie in Kooperation mit einem Telekommunikations-Unternehmen den Bezug von elektrischem Strom und Telefondienstleistungen zu einem gemeinsamen (vergünstigten) monatlichen Grundpreis anbieten.
BGH, Urteil vom 4. November 2003
- Az.: KZR 16/02 -
Anders als das Berufungsgericht bejaht der Bundesgerichtshof allerdings eine marktbeherrschende Stellung der beklagten Stadtwerke. Zwar hatten sie nur einen geringen Anteil am deutschen Gesamtmarkt der Belieferung der privaten Endabnehmer und gewerblichen Kleinverbraucher mit elektrischer Energie. In ihrem angestammten örtlichen Versorgungsgebiet belieferten sie - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - jedoch trotz der Angebote bundesweit tätiger Stromanbieter 96 % der privaten Endabnehmer und gewerblichen Kleinverbraucher. Da danach die Liberalisierung des Energiemarktes im Bereich des Stromnetzes der Stadtwerke nicht zu einer spürbaren faktischen Belebung des Wettbewerbs geführt hat, sieht der Bundesgerichtshof es als geboten an, in einem derartigen Fall den räumlich relevanten Markt trotz des Wegfalls der Versorgungsmonopole und des dadurch an sich möglichen bundesweiten Wettbewerbs weiterhin örtlich abzugrenzen.
Der Bundesgerichtshof hält das Kopplungsangebot jedoch nicht für einen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung. Da die Kunden wählen konnten, ob sie wie bisher nur Strom von den Stadtwerken beziehen oder einen Vertrag über den Bezug von Strom und Telefon zu einem gemeinsamen Grundpreis schließen wollten, und somit beide Leistungen nicht zwangsweise gekoppelt wurden, sieht der Bundesgerichtshof in dem Angebot einen legitimen Bestandteil des auch dem marktbeherrschenden Unternehmen offen stehenden Wettbewerbs um Strom- und Telefonkunden.
Er wäre nach Auffassung des Kartellsenats nur dann bedenklich, wenn durch eine Sogwirkung des Angebots der Marktzutritt für Wettbewerber auf dem Markt für Telefondienstleistungen verhindert oder beschränkt würde; dafür bestanden jedoch keine Anhaltspunkte, zumal Verbraucher, die das Angebot der Beklagten annahmen, sich von überkommenen Gewohnheiten ("Strom von den Stadtwerken, Telefon von der Deutschen Telekom") lösen mussten.
© StGB NRW 2003