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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2008
Geschenkrückgabe bei Zahlung von Pflegewohngeld
Die Bewohnerin eines Pflegeheims muss ihre Tochter, der sie ein größeres Geschenk gemacht hatte, nicht auf Rückgabe des Geschenks verklagen, bevor Pflegewohngeld aus öffentlichen Mitteln gezahlt wird (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2008
- Az.: 16 A 1409/07 -
Die über 90-jährige Klägerin ist pflegebedürftig und wohnt seit Jahren in einem Pflegewohnheim im Kreis Borken. Ihre Tochter kümmert sich als Betreuerin um sie. Rund acht Jahre bevor ihre Mutter in das Pflegeheim umzog, erhielt die Tochter das elterliche Hausgrundstück in vorweggenommener Erbfolge geschenkt. Die Mutter sollte aber bis zu ihrem Tod in dem Haus wohnen bleiben können (lebenslanges Wohnrecht, im Grundbuch eingetragen). Als fest stand, dass die Mutter das Pflegeheim nicht mehr werde verlassen können, verzichtete sie auf das Wohnrecht, und die Tochter verkaufte das elterliche Hausgrundstück.
Die Kosten des Aufenthalts im Pflegeheim sind so hoch, dass die Heimbewohnerin sie nicht vollständig begleichen kann. Der Kreis Borken weigerte sich jedoch, ihr Pflegewohngeld zu zahlen. Er verlangte von der Mutter, zuerst ihre Tochter auf Zahlung von rund 27.000,- EUR zu verklagen. So viel sei das Wohnrecht wert gewesen, auf das sie zugunsten ihrer Tochter verzichtet habe. Dieser Verzicht sei ein Geschenk, das sie zunächst zurückfordern müsse. Die Tochter wandte allerdings ein, dass sie das Haus auf eigene Kosten umfangreich renoviert habe.
Das Verwaltungsgericht gab der Heimbewohnerin Recht. Dieses Urteil hat das OVG bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein pflegebedürftiger Heimbewohner muss einen Beschenkten nicht auf Rückgabe des Geschenks verklagen, wenn ihm eine Klage nicht zuzumuten ist. Eine unzumutbare Härte liegt vor, wenn der Beschenkte dem Heimbewohner besonders nahe steht. Der Bewohner eines Pflegewohnheims hat in aller Regel nur noch wenige soziale Kontakte außerhalb des Heims. Besuch erhält er meist nur von seinen Angehörigen oder von engen Freunden. Nicht selten macht er ihnen - auch größere - Geschenke. Müsste er sie verklagen, um das Geschenk zurückzuerhalten und es zur Bezahlung der Heimkosten einzusetzen, bestünde die Gefahr, dass der Heimbewohner und der Beschenkte sich entzweien. Unter der Vereinsamung hätte vor allem der Pflegebedürftige zu leiden. Das will das Landespflegegesetz aber gerade verhindern.
Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen; hiergegen kann Beschwerde erhoben werden.
Niederlassungserlaubnis bei Sicherung des Lebensunterhalts
Eine zum Daueraufenthalt berechtigende Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz darf nicht erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers nicht gesichert ist. Dies gilt auch dann, wenn eine Ausländerin wegen der Pflege eines kranken Ehemannes und eines schwerbehinderten Sohnes an einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert ist (nichtamtliche Leitsätze).
BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2008
- Az.: 1 C 34.07 -
Der Entscheidung lag der Fall einer afghanischen Staatsangehörigen zugrunde, die seit 1989 mit ihrem kranken Ehemann und ihren zum Teil erwachsenen Kindern - darunter ein schwerbehinderter Sohn - in Deutschland lebt. Die Klägerin erhielt 1993 wegen der ihr in Afghanistan drohenden Gefahren eine Aufenthaltsbefugnis, die fortlaufend - jetzt als Aufenthaltserlaubnis bis 2011 - verlängert wurde. Sie und ihr Ehemann gehen keiner Erwerbstätigkeit nach und leben von Leistungen nach dem SGB II. Im Jahr 2005 beantragte sie die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz, die ihr wegen fehlender Sicherung des Lebensunterhalts versagt wurde. Ihr Verpflichtungsbegehren blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der Gesetzeslage die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung der beantragten Erlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt darstellt. Davon ist zwar zugunsten von Ausländern abzuweichen, die wegen eigener Krankheit oder Behinderung diese Voraussetzung nicht erfüllen können (§ 9 Abs. 2 Satz 3 Aufenthaltsgesetz), nicht aber zugunsten der pflegenden Ehefrau oder Mutter. Die Rechtsstellung des Pflegebedürftigen - wie auch die nach der Verfassung und der Menschenrechtskonvention geschützte familiäre Gemeinschaft - wird dadurch nicht beeinträchtigt, wenn sich der pflegende Familienangehörige - wie hier die Klägerin - auf der Grundlage von befristeten und jeweils verlängerten Aufenthaltstiteln weiterhin in Deutschland aufhalten kann.
Zivile Nutzung des Flughafens Weeze-Laarbruch
Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Urteil des OVG NRW vom 3. Januar 2006 geändert. Das OVG hatte auf die Klage zahlreicher Anwohner und einer niederländischen Gemeinde hin die Änderungsgenehmigung für die zivile Nutzung des Flughafens Weeze-Laarbruch (Niederrhein) aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen (nichtamtliche Leitsätze).
BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2008
- Az.: 4 C 3.07, 4 C 4.07, 4 C 5.07, 4 C 6.07 -
Nach der Änderungsgenehmigung der beklagten Bezirksregierung Düsseldorf soll der Flughafen dem Linien-, Touristik- und Frachtflugverkehr dienen und Bestandteil eines „Euregionalen Zentrums für Luftverkehr, Gewerbe und Logistik“ werden. Die Widersprüche zahlreicher Anwohner und der benachbarten niederländischen Gemeinde Bergen wurden zurückgewiesen. Ihre Klagen hatten in erster Instanz Erfolg. Das OVG hat die Änderungsgenehmigung aufgehoben, weil insbesondere die weitgehende Zulassung des zivilen Flugbetriebs in den Nachtstunden und an Wochenenden an durchgreifenden Abwägungsfehlern leide. Außerdem sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht ausreichend untersucht worden. Dagegen haben die Beklagte und die beigeladene Flughafen Niederrhein GmbH Revision eingelegt. Die Revisionen waren teilweise erfolgreich.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar die in erster Instanz festgestellten Abwägungsfehler der Beklagten im Wesentlichen bestätigt und insbesondere entschieden, dass die Beklagte die weitreichende Zulassung des Flugbetriebs in den Nachtrandstunden, in der Nachtkernzeit und an Wochenenden nicht auf eine hinreichend differenzierte und detaillierte Bedarfsanalyse gestützt und deshalb das Gewicht des Flugbedarfs gegenüber den Lärmschutzbelangen der Kläger fehlerhaft beurteilt habe. Das BVerwG hat ferner entschieden, dass die Änderungsgenehmigung an einem Verfahrensfehler leidet, weil der genehmigte zivile Flugbetrieb bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens (vor Klageerhebung) nicht auf seine Umweltverträglichkeit überprüft worden ist. Der Rechtsstreit war jedoch an das OVG zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, abschließend zu klären, ob die festgestellten Abwägungs- und Verfahrensfehler von der Beklagten in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können oder ob die Änderungsgenehmigung ersatzlos aufzuheben ist. Bis zur Entscheidung darüber darf der Flugbetrieb fortgeführt werden.
Den Klagen der niederländischen Gemeinde Bergen und eines niederländischen Staatsbürgers steht der von der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande geschlossene Staatsvertrag vom 29. April 2003 über die Auswirkungen des zivilen Betriebes des Flughafens Niederrhein auf das niederländische Hoheitsgebiet nicht entgegen.
Änderung der Teilzeitbeschäftigung
Ein nach dem Modell des „Sabbatjahres“ teilzeitbeschäftigter nordrhein-westfälischer Beamter hat Anspruch auf Überprüfung und ggf. Änderung des Umfangs der gewährten Teilzeit, wenn sie ihm im bisherigen Umfang nicht mehr zugemutet werden kann und dienstliche Belange nicht entgegenstehen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2008
- Az.: 2 C 15.07, 2 C 20.07 -
Die Fortsetzung der Teilzeitbeschäftigung kann beispielsweise unzumutbar sein, wenn der Beamte langfristig erkrankt ist, sodass das bereits durch Einkommenskürzung vorfinanzierte „Sabbatjahr“ entwertet wird.
Das hat das Bundesverwaltungsgericht anhand zweier Fälle entschieden, in denen Lehrerinnen das ihnen zustehende Sabbatjahr wegen schwerwiegender und dauerhafter Erkrankung nicht oder nur zu einem geringen Teil ausnutzen konnten. In dem ersten Fall hatte die Erkrankung der Lehrerin zu ihrer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand, im anderen Fall zu einer einjährigen Dienstunfähigkeit geführt.
Die zuständige Dienstbehörde soll in solchen Fällen eine Änderung des Umfangs der Teilzeitbeschäftigung zulassen. Sie kann die Änderung nur ablehnen, wenn sie konkrete entgegenstehende dienstliche Belange geltend macht, deren Gewicht sie sachgerecht mit den schützenswerten Interessen des Beamten abgewogen hat.
© StGB NRW 2008