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Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2011
Erhebung der Jugendamtsumlage
Die gegen den Kreis Kleve geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Erhebung der Jugendamtsumlage für die Jahre 2007 und 2008 sind mit Beschluss des OVG NRW, welches den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18.02.2011 verworfen hat, beendet worden.
OVG NRW, Beschluss vom 6. September 2011
- Az.: 15 A 716/11 -
In den Verfahren ging es im Wesentlichen um die Frage, ob der Kreis bei der Kalkulation der Jugendamtsumlage § 56 Abs. 5 Satz 1 KrO n.F. (also in der NKF-Fassung) schon anwenden durfte, obwohl er selbst seine Haushaltswirtschaft noch nicht auf die NKF-Regelungen umgestellt hat. Die klagenden kreisangehörigen Gemeinden hatten in dem Verfahren die auch vom Städte- und Gemeindebund NRW geteilte Auffassung vertreten, dass der Kreis die Jugendamtsumlage nach § 56 KrO n.F. erst dann kalkulieren dürfe, wenn er auch auf das NKF umgestellt hat. Praktische Auswirkungen hat die Frage der Anwendung von § 56 KrO a.F. oder n.F., weil in der alten Fassung zu den Kosten des Jugendamtes nicht die anteiligen allgemeinen Verwaltungs- und sonstigen Gemeinkosten gehörten. Mit der Umstellung auf das NKF ist diese Herausnahme der anteiligen allgemeinen Verwaltungs- und sonstigen Gemeinkosten entfallen.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte in seinen Urteilen vom 18.02.2011 die Rechtsauffassung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden und des Städte- und Gemeindebundes NRW geteilt und den Bescheid des Landrates aufgehoben, soweit darin die Jugendamtsumlage auch für allgemeine Verwaltungs- und Gemeinkosten festgesetzt worden ist. Das OVG NRW hat mit dem Beschluss jetzt den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Urteile des VG Düsseldorf verworfen.
Staatsmonopol europarechtswidrig
Untersagungsverfügungen, mit denen die Ordnungsbehörden allein unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol (sog. Oddset-Wetten) gegen private Sportwettbüros vorgegangen sind, sind rechtswidrig, weil das Monopol nicht mit Europarecht vereinbar ist (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011
- Az.: 4 A 17/08 -
Mit dieser Entscheidung hat der 4. Senat des OVG seine bisher in Eilverfahren vertretene Rechtsauffassung aufgegeben. Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt: Nach den inzwischen vom EuGH und vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäben verletze das staatliche Monopol im Bereich der Sportwetten die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Denn der Staat überlasse zugleich andere Glücksspielbereiche mit höherem Suchtpotential privaten Anbietern und nehme die Ausweitung des Marktes hin. Er verhalte sich dadurch widersprüchlich. Seit der im Jahr 2006 erfolgten Neuregelung für gewerbliche Automatenspiele sei vor allem bei Geldspielautomaten in Spielhallen nach allen einschlägigen Studien ein erhebliches Wachstum bezüglich Umsatz und Zahl der Spielgeräte zu verzeichnen. Dies führe zu einer Zunahme des Suchtpotentials, zumal die Neuregelungen zur Entwicklung von Automaten geführt hätten, die im Hinblick auf alle suchtfördernden Merkmale gefährlicher seien als die früher zulässigen.
Weil sich diese Expansion in einem wirtschaftlich bedeutsamen Bereich des Glückspielmarktes vollzogen habe, könne das Sportwettenmonopol sein Ziel, die Spielsucht zu bekämpfen, nicht in stimmiger Weise erreichen und sei deshalb europarechtlich nicht zu rechtfertigen. Hinzu komme, dass das gegenwärtige Werbeverhalten des deutschen Lottoblockes die strengen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin nicht einhalte. Der Monopolträger dürfe danach lediglich sachlich informieren, um die Spiellust in legale Bahnen zu lenken. Hiermit seien weder die ständigen Werbekampagnen, die hohe Jackpots in den Vordergrund rückten („Westlotto informiert: Der Lotto-Jackpot wurde bei der letzten Ziehung nicht geknackt. Deshalb heute im Jackpot ... Mio. Euro“), noch die weiterhin betriebene Image-Werbung („Lotto hilft ...“) vereinbar.
Die Entscheidung betrifft die Betreiberin eines privaten Wettbüros in Mönchengladbach, der bereits im Jahr 2006 die Sportwettenvermittlung von der beklagten Stadt untersagt worden war. Es handelt sich um die erste Hauptsachenentscheidung des OVG NRW zu dieser Fragestellung. Beim Senat sind noch zahlreiche gleich gelagerte Fälle aus anderen Städten und Gemeinden des Landes anhängig.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Freizeitausgleich für Feuerwehrleute
Feuerwehrbeamte, die in den Jahren bis 2006 wöchentlich im Durchschnitt 54 Stunden gearbeitet haben, können für die über 48 Wochenstunden hinausgehende Dienstzeit einen Anspruch auf Freizeitausgleich im vollen Umfang der zu viel geleisteten Stunden geltend machen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteile vom 29. September 2011
- Az.: 2 C 32.10 – 37.10 -
Die Kläger sind als Beamte bei der Berufsfeuerwehr tätig. Sie haben über mehrere Jahre hinweg bis einschließlich 2006 wöchentlich regelmäßig 23 Stunden Volldienst und 31 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. Ihr Begehren, vollen Freizeitausgleich für die über 48 Wochenstunden hinausreichende Arbeitszeit zu erhalten, hatte in den Vorinstanzen nur teilweise Erfolg. Verwaltungsgericht und OVG hatten u.a. die Zeiten des Bereitschaftsdienstes bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur zu 50% berücksichtigt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, soweit sie einem Anspruch auf vollen Freizeitausgleich entgegenstehen. Nach dem Recht der Europäischen Union durfte die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im hier maßgeblichen Zeitraum einschließlich Mehrarbeitsstunden 48 Stunden nicht überschreiten; dabei war Bereitschaftsdienst wie Vollarbeitszeit zu rechnen. Die davon abweichenden Arbeitszeitvorschriften für den feuerwehrtechnischen Dienst waren wegen Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar.
Zum Ausgleich dieses Rechtsverstoßes steht den Klägern nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch auf angemessenen Freizeitausgleich zu. Bei der Berechnung dieses Anspruchs muss der geleistete Bereitschaftsdienst in vollem Umfang berücksichtigt werden, um einen Wertungswiderspruch zum Unionsrecht zu vermeiden. Zwingende dienstliche Belange wie die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft im feuerwehrtechnischen Dienst können bei der Erfüllung der Ansprüche auf Freizeitausgleich berücksichtigt werden.
Erlaubnis für Bierbikes und Partybikes
Der Betrieb von Bierbikes und Partybikes auf öffentlichen Straßen stellt keinen erlaubnisfreien Gemeingebrauch, sondern eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteile vom 23.11.2011
- Az.: 11 A 2325/10 - 2511/11 -
Die Kläger vermieten Bierbikes mit Getränkeangebot bzw. Partybikes mit fakultativem Getränkeangebot in Düsseldorf. Durch Ordnungsverfügung hatte ihnen die Stadt Düsseldorf (Beklagte) die Nutzung dieser Gefährte auf den öffentlichen Straßen in Düsseldorf untersagt.
Bei einem Bier- oder Partybike handelt es sich um ein vierrädriges Gefährt von ca. 5,30 m Länge, einer Breite von 2,30 m sowie einer Höhe von ca. 2,70 m. Es wiegt ca. 1.000 kg und bietet Sitzgelegenheit für bis zu 16 Personen. Von diesen sitzen bis zu zwölf auf Hockern quer zur Fahrrichtung, jeweils sechs an beiden Längsseiten eines in der Mitte befindlichen überdachten Tisches. Angetrieben wird das Gefährt durch Pedale mit Freilauf, die von bis zu zehn an den Längsseiten sitzenden Benutzern getreten werden. Bis zu drei weitere Sitzplätze bietet eine Bank am Heck des Gefährts.
Der Fahrer sitzt mit Blick in Fahrtrichtung auf einem Platz im Frontbereich des Gefährts, lenkt und bremst. Selbst antreiben kann er das Gefährt nicht. Die Geschwindigkeit beträgt durchschnittlich 6 km/h und kann bis zu 10 km/h betragen. Auf dem Bierbike befindet sich ein Bierfass mit einem Fassungsvermögen bis zu 50 Litern, eine Zapfanlage sowie eine Soundanlage mit CD-Abspielgerät und auf dem Partybike ein Getränkebehälter sowie ebenfalls eine Soundanlage.
Gegen die Ordnungsverfügung hatten die Kläger erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geklagt. Ihre Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichtsgerichts Düsseldorf hatte ebenfalls keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das OVG ausgeführt: Bier- oder Partybikes seien auf die Straße aufgebrachte verkehrsfremde Sachen. Damit falle die Nutzung der Bikes aus der Widmung der Straße zum Verkehr und damit aus dem Gemeingebrauch heraus.