Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Dezember 2015
Versorgung von Fundkatzen
Fundbüros der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen müssen von Jägern aufgenommene streunende Katzen annehmen (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Münster, Beschluss vom 15.10.2015
- Az.: 1 L 1290/15 -
Ein Jagdaufseher hat mit Unterstützung des Landesjagdverbandes eine einstweilige Anordnung gegen eine NRW-Kommune erstritten. Das Fundbüro der Gemeinde hatte es abgelehnt, eine vom Antragsteller aufgenommene Katze anzunehmen. Nach Ansicht des Gerichts hätte es das Tier jedoch als Fundkatze in Verwahrung nehmen müssen.
Das Gericht erkannte dem Finder einen Anspruch aus § 967 BGB zu. Nach dieser Vorschrift ist der Finder berechtigt, die Fundsache an die zuständige Behörde abzuliefern – nach § 5a AGBGB sei dies die Gemeinde des Fundorts. § 967 BGB regele öffentlich-rechtliche Verwahrungsrechte und -pflichten und diene in erster Linie dem Schutz des Finders, der seine Verwahrungspflicht nach § 966 BGB durch Ablieferung der Fundsache an die Fundbehörde beenden könne. Den Vorschriften des Fundrechts unterliegen Sachen (auch Tiere, vgl. § 90a BGB), die besitz- aber nicht herrenlos sind. Fundtiere sind Tiere, die dem Eigentümer entlaufen oder sonst seinem Besitz entzogen sind.
Entgegen der Auffassung der Gemeinde handelte es sich nach Auffassung des Gerichts bei der fraglichen Katze um ein Fundtier und nicht um ein herrenloses Tier. Die Vorschrift des § 960 BGB, wonach wilde Tiere herrenlos sind, solange sie sich in der Freiheit befinden, finde keine Anwendung. Wilde Tiere seien vielmehr nur diejenigen Tiere, die keine Haustiere sind. Katzen würden in Deutschland aber grundsätzlich als Haustiere gehalten. Ebenso wenig handele es sich bei der Katze um ein Tier, welches gemäß § 959 BGB herrenlos geworden sei.
Nach § 959 BGB wird eine bewegliche Sache herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Das Gericht hat offengelassen, ob das entsprechende gesetzliche Verbot des § 3 Nr. 3 TierschG schon dazu führe, dass eine wirksame Dereliktion (Eigentumsaufgabe) schon gar nicht möglich ist, oder ob es nur die Basis für Sanktionsmöglichkeiten ist. Jedenfalls sei das in Art. 20a GG grundgesetzlich verankerte Staatsziel des Tierschutzes mit zu berücksichtigen, sodass einem Tierhalter - auch wenn er den Verlust des Tieres nicht gegenüber der zuständigen Behörde anzeigt - nicht ohne Weiteres unterstellt werden dürfe, dass er sich seines Tieres durch Aussetzen - also unter Begehung einer Ordnungswidrigkeit - entledigt hat.
Vielmehr bestehe eine Regelvermutung rechtstreuen Verhaltens mit der Folge, dass zunächst grundsätzlich ein Fundtier anzunehmen ist. Zwar könne die Vermutung widerlegt werden. Dies sei jedoch im zu entscheidenden Fall nicht gelungen, wobei insoweit unschädlich sei, ob bei der Katze ein Mikrochip implantiert oder diese mit einem Halsband versehen sei. Die fragliche Katze habe einen überaus gepflegten und wohlgenährten Eindruck gemacht und ein die Nähe des Menschen geradezu suchendes Verhalten aufgewiesen.
Anweisung zur Erhöhung der Kreisumlage
1. Eine landesrechtliche Pflicht der kommunalen Aufgabenträger zum Haushaltsausgleich und zur Verringerung eines Haushaltsdefizits ist mit der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar.
2. Die Kommunalaufsichtsbehörde darf der Kommune innerhalb eines für diese eröffneten Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht eine bestimmte Maßnahme alternativlos vorschreiben. Anderes kann gelten, wenn angesichts des absehbaren zeitlichen Auslaufens einer realisierbaren Handlungsmöglichkeit keine realisierbare Alternative mehr besteht.
3. Eine aufsichtsbehördliche Anweisung zur Festlegung eines bestimmten Kreisumlagesatzes muss ausreichend Rücksicht auf den Finanzbedarf der kreisangehörigen Gemeinden nehmen.
4. Ein Gemeindeverband ist von seinen landesrechtlichen Pflichten zum Haushaltsausgleich nicht bundesverfassungsrechtlich dadurch freigestellt, dass er eine unzureichende Finanzierung vom Land erhält.
BVerwG, Urteil vom 16.06.2015
- Az.: 10 C 13.14 -
Im entschiedenen Fall hatte ein seit Jahren finanziell notleidender hessischer Landkreis trotz Aufforderung durch das Land weder eine Anhebung des Kreisumlagesatzes für das Haushaltsjahr 2010 noch Einsparmaßnahmen in entsprechender Höhe beschlossen. Die Kommunalaufsicht des Landes wies ihn daraufhin an, den Hebesatz für die Kreisumlage um 3 Prozent zu erhöhen. Die Klage des Kreises hiergegen war vor dem Verwaltungsgericht zunächst erfolgreich, wurde jedoch in der Berufungsinstanz durch den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. Die Revision des Landkreises hatte keinen Erfolg.
In den Entscheidungsgründen führt das BVerwG aus, dass ein Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen dürfe. Dies folge aus dem in Art. 28 Abs. 2 GG angelegten Grundsatz des Gleichrangs des Finanzbedarfes eines jeden Verwaltungsträgers im kreiskommunalen Raum. Neben dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden, dem Verbot der Einebnung von Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden und der Achtung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit hat der umlageerhebende Kreis auch zu gewährleisten, dass die durch Art. 28 Abs. 2 GG gebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden nicht unterschritten wird.
Die Garantie des Kerngehalts der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden ziehe der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze dort, wo sie zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden führen und diesen dadurch die Möglichkeit zu einem eigenständigen und eigenverantwortlichen Handeln nehmen würde. Die eigene finanzielle Notlage stelle den Kreis nicht von der Pflicht zur Beachtung des Kernbereichs der gemeindlichen Selbstverwaltung frei. Vielmehr müsse sich der Kreis bei unzureichender eigener Finanzausstattung seinerseits an den Landesgesetzgeber halten und dürfe eine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen.
Der Verwaltungsgerichtshof war vorliegend nach Ansicht des BVerwG dennoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Kommunalaufsicht mit ihrer Anweisung zur Erhöhung des Kreisumlagesatzes auf eine Verringerung des Haushaltsdefizits des Kreises habe hinwirken dürfen, weil nach den tatsächlichen Feststellungen der niederen Instanzen die Belange der kreisangehörigen Gemeinden gewahrt worden seien.
Zulässigkeit der Pferdesteuer
1. Auf das Halten und entgeltliche Benutzen von Pferden für den persönlichen Lebensbedarf kann eine örtliche Aufwandsteuer (Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG) erhoben werden. Für den erforderlichen örtlichen Bezug kommt es nicht auf den Wohnort des Pferdehalters, sondern auf die Unterbringung des Pferdes in der steuererhebenden Gemeinde an.
2. Der Umstand allein, dass ein subventioniertes Verhalten besteuert wird, bedeutet noch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 29).
3. Eine Aufwandsteuer muss neben der Einnahmenerzielung nicht stets einen Lenkungszweck als Nebenzweck verfolgen
BVerwG, Beschluss vom 18.08.2015
- Az.: 9 BN 2.15 -
Wie bereits berichtet hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Pferdesteuersatzung der Stadt Bad Sooden-Allendorf im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens überprüft und für rechtmäßig gehalten. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger - eines Reitervereins und mehrerer Einzelkläger - hat das Bundesverwaltungsgericht nun zurückgewiesen und bestätigt, dass die Gemeinden grundsätzlich berechtigt sind, auf das Halten und das entgeltliche Benutzen von Pferden für den persönlichen Lebensbedarf eine örtliche Aufwandsteuer (Pferdesteuer) zu erheben.
Auch nach dieser Entscheidung bleibt für Nordrhein-Westfalen allerdings darauf hinzuweisen, dass nach § 2 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz NRW die (erstmalige) Einführung einer Pferdesteuer zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums bedarf.
Asylbewerberheime und Nachbarschutz
Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen in lediglich angrenzenden Baugebieten unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen besteht nicht. Der Nachbarschutz bestimmt sich insoweit (nur) nach dem Gebot der Rücksichtnahme (nichtamtliche Leitsätze).
VGH Bayern, Beschluss vom 31.03.2015
- Az.: 9 CE 14.2854 -
Gegen die geplante Unterbringung von Asylbewerbern in zwei gegenüberliegenden Wohnhäusern wendeten sich die Eigentümer eines bebauten Grundstücks in einem - mit Bebauungsplan festgesetzten - reinen Wohngebiet. Die potenzielle Unterbringungseinrichtung lag außerhalb des Plangebiets. Der VGH stellte dazu fest, dass den Antragstellern kein Schutz vor gebietsfremden Nutzungen auf angrenzenden Baugebieten aus dem Gebietserhaltungsanspruch zukomme.
Dieser Anspruch stehe den Grundstückseigentümern lediglich innerhalb des jeweiligen Baugebiets zur Verfügung. Gebietsübergreifenden Nachbarschutz vermittle insoweit nur das Gebot der Rücksichtnahme, das der VGH hier jedoch nicht als verletzt ansah. Nicht zwingend sei insbesondere der Umstand, ob das Grundstück der Antragsteller durch die beabsichtigte Nutzung als Asylbewerberunterkunft eine Wertminderung erfahren könne. Erst wenn sich im Rahmen einer Interessenabwägung die beabsichtigte Nutzung des Nachbargrundstücks für die Antragsteller als unzumutbar darstelle, sei das Gebot verletzt.
Eine Unzumutbarkeit vermochte das Gericht jedoch nicht zu erkennen. Da sich jede - auch eine legale - Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken könne, komme einer Wertminderung allenfalls eine Indizwirkung für die Interessenabwägung zu. Ein Abwehranspruch entfalte sich jedoch erst, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks sei, wofür sich dem Beschwerdevorbringen aber nichts entnehmen lasse.
Soweit vor Ort eine soziale Spannungssituation behauptet werde, fehle der erforderliche Grundstücksbezug. Das Baurecht sei im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Befürchteten Belästigungen könne nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden.
Befugnis der Kommunalaufsicht bei fehlendem Jahresabschluss
§ 80 Abs. 5 S. 4 GO NRW stellt keine geeignete Ermächtigungsgrundlage dafür dar, die Aufstellung fehlender Jahresabschlüsse bzw. Bilanzen zu erzwingen (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 29.10.2015
- Az.: 15 B 971/15 -
Die zuständige Aufsichtsbehörde hatte einer Kommune gestützt auf § 80 Abs. 5 S. 4 GO NRW die Bekanntmachung ihrer (anzeigepflichtigen) Haushaltssatzung untersagt. Nach § 80 Abs. 5 GO NRW ist die vom Rat beschlossene Haushaltssatzung mit ihren Anlagen der Aufsichtsbehörde anzuzeigen, was spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres erfolgen soll. Die Haushaltssatzung darf frühestens einen Monat nach dieser Anzeige öffentlich bekannt gemacht werden. Die Aufsichtsbehörde kann im Einzelfall aus besonderem Grund jedoch die Anzeigefrist verkürzen oder verlängern. Letzteres hatte sie vorliegend unter Verweis auf das Fehlen eines fälligen Jahresabschlusses bzw. einer fehlenden Bilanz getan.
Gegen die - für sofort vollziehbar erklärte - Verlängerungsverfügung nebst Bekanntmachungsverbot richtete die Stadt einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, dem in erster Instanz vom Verwaltungsgericht Aachen und in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit der Begründung stattgegeben wurde, dass § 80 Abs. 5 S. 4 GO NRW keine geeignete Ermächtigungsgrundlage dafür darstelle, die Aufstellung fälliger Jahresabschlüsse bzw. Bilanzen durchzusetzen.
Die einmonatige Frist des § 80 Abs. 5 GO NRW habe, auch soweit sie nach S. 4 aus besonderem Grund verlängerbar sei, lediglich den Sinn, der Aufsichtsbehörde ausreichend Zeit für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung ab deren Anzeige zu verschaffen. Die Frist sei also kein kommunalaufsichtsrechtliches Instrument. Liege - wie bei versäumter Feststellung und Anzeige eines Jahresabschlusses der Fall - ein Rechtsverstoß vor, werde vielmehr der Regelungsbereich des § 80 Abs. 5 S. 4 GO NRW verlassen und stattdessen derjenige des Kommunalaufsichtsrechts nach §§ 119 ff. GO NRW betreten.