Heft Dezember 2021

3G-Nachweis für Rats- und Ausschusssitzungen

Ratsmitglieder dürfen derzeit nur mit Nachweis einer Immunisierung oder Testung an Rats- und Ausschusssitzungen ihrer Gemeinde teilnehmen. Der gegen den Bürgermeister gerichtete Eilantrag eines Ratsmitglieds aus Salzkotten, der auf freien Zugang zu allen Rats- und Ausschusssitzungen ohne einen solchen Nachweis abzielte, blieb in zweiter Instanz erfolglos.

OVG NRW, Beschluss vom 30.09.2021
- Az.: 15 B 1529/21 -

Wie das Gericht im Eilrechtsschutz für eine Vielzahl von beschränkenden Maßnahmen bereits zuvor bestätigt hatte, sind Rats- und Ausschusssitzungen Veranstaltungen im Sinne der Coronaschutzverordnung, an denen grundsätzlich nur noch immunisierte oder getestete Personen teilnehmen dürfen. Das Infektionsschutzgesetz biete eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage.

Für die hier in Rede stehenden Auswirkungen auf das verfassungsrechtlich abgesicherte freie Mandat von Mitgliedern kommunaler Organe gelte nichts anderes. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Ratsmitglieder liege derzeit nicht vor. Die Beschränkung des Zugangs kommunaler Mandatsträger zu Rats- oder Ausschusssitzungen auf Personen, die geimpft, genesen oder (negativ) getestet sind, diene dem legitimen Zweck des Infektionsschutzes. Die kurzzeitigen Beeinträchtigungen, die durch einen Schnelltest hervorgerufen werden, griffen nur geringfügig in die körperliche Unversehrtheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Zudem stünden jedenfalls bis einschließlich 10. Oktober 2021 allgemein kostenlose Bürgertestungen zur Verfügung.

Im Hinblick auf den Wegfall der allgemeinen Kostenfreiheit ab dem 11. Oktober 2021 merkte der Senat jedoch an, dass für kommunale Mandatsträger wohl Vorkehrungen zu treffen sein würden, die sicherstellten, dass ihnen durch für die Mandatsausübung erforderliche Tests im Ergebnis keine Kosten entstehen. Wegen der Bedeutung des freien Mandats und des kommunalen Ehrenamtes dürfte sich eine mit den Tests verbundene Kostenlast für den Mandatsträger als unzumutbar erweisen. Auch auf die Möglichkeit einer Immunisierung durch eine kostenlose Impfung müsse sich ein Ratsmitglied insoweit nicht verweisen lassen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Angemessenheit der Aufwendungen für die schulische Inklusion

Eine Gemeinde kann mittels einer allgemeinen Feststellungsklage geltend machen, dass ein ihr gewährter finanzieller Ausgleich i.S.v. Art. 78 Abs. 3 Satz 2 LVerf NRW verfassungswidrig zu niedrig ist.

VG Münster, Urteil vom 23.04.2021
- Az.: 1 K 503/17 -

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die ihr vom Beklagten vor dem Hintergrund der Umsetzung schulischer Inklusion gewährten Ausgleichszahlungen für das Schuljahr 2016/2017 verfassungswidrig zu niedrig bemessen worden sind.

Ein solches Feststellungsbegehren habe - so das Gericht - nur Erfolg, wenn die Gesamthöhe der als finanzieller Ausgleich i.S.v. Art 78 Abs 3 S 2 LVerf NRW anzusehenden Leistungen des Landes hinter den bei der Gesamtheit der Gemeinden bei einer ex ante-Betrachtung der zu erwartenden Kosten unter Überschreitung des dem Gesetzgeber eingeräumten Prognosespielraums zurückgeblieben ist oder eine nach diesem Maßstab hinreichende Ausgleichssumme zu Lasten der jeweils klagenden Gemeinde anhand eines untauglichen Verteilschlüssels auf die einzelnen Kommunen verteilt worden ist.

Im konkreten Fall hielt das Gericht die zulässige Klage jedoch nicht für begründet. Es war nicht der Auffassung, die auf Grundlage des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion vom 9. Juli 2014 (InklFöG) i.V.m. der Verordnung zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion vom 19. Dezember 2016 durch Bescheide des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW gewährten Ausgleichszahlungen für das Schuljahr 2016/2017 seien zu niedrig bemessen worden.

 

Festsetzung der Kreisumlage ohne Information über gemeindlichen Finanzbedarf

Die verfassungsrechtliche Pflicht des Landkreises, bei der Erhebung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und gleichrangig mit dem eigenen zu berücksichtigen, ist verletzt, wenn der Kreistag über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die zugrunde gelegten Bedarfsansätze der betroffenen Gemeinden vorlagen.

BVerwG, Urteile vom 27.09.2021
- Az.: 8 C 29.20, 8 C 30.20 -

Die Klägerinnen, kreisangehörige Kommunen im Gebiet des jeweils beklagten Landkreises in Sachsen-Anhalt, wenden sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2017. In beiden Verfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Die Umlagefestsetzung verletze jeweils das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Kommunen. Danach müssten die Daten zum Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden den Kreistagsmitgliedern vor der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung in geeigneter Weise - etwa tabellarisch - aufbereitet zur Kenntnis gegeben werden. Das sei jeweils nicht geschehen. Die ausschließlich verwaltungsinterne Ermittlung und Bewertung des Finanzbedarfs genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Während des Revisionsverfahrens hat der Landesgesetzgeber eine Regelung erlassen, die eine Änderung der Haushaltssatzung zur Behebung von Fehlern (mit bestimmten Ausnahmen) auch nach Ablauf des Haushaltsjahres zulässt. Daraufhin haben die Kreistage beider Beklagten den Kreisumlagesatz für 2017 jeweils vorsorglich - unverändert - neu beschlossen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Revisionen der Beklagten stattgegeben, die Berufungsurteile aufgehoben und beide Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Allerdings habe das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die ursprünglichen Haushaltssatzungen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht wegen Verstößen gegen daraus abzuleitende Verfahrenspflichten verletzen. Nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes müsse der Landkreis bei der Festsetzung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden ermitteln und ihn gleichrangig mit dem eigenen berücksichtigen. Außerdem müsse er seine Entscheidung offenlegen, damit sie von den Gemeinden und den Gerichten überprüft werden kann. Zwar obliege die nähere Ausgestaltung des Verfahrens dem Landesgesetzgeber und, soweit gesetzliche Regelungen fehlen, den Landkreisen selbst. Dabei müssten jedoch die verfassungsrechtlichen Grenzen beachtet werden. Sie seien überschritten, wenn der nach Landesrecht für die Umlagefestsetzung zuständige Kreistag nur über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die ermittelten Bedarfsansätze vorlagen. Bei einem solchen Vorgehen werde auch die Offenlegungspflicht nicht gewahrt.

Bei der Entscheidung im Revisionsverfahren seien jedoch die Rechtsänderungen nach Ergehen der Berufungsurteile zu berücksichtigen. Ob die angegriffenen Bescheide von den vorsorglich erlassenen neuen, rückwirkenden Satzungsbestimmungen gedeckt werden, könne das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend beurteilen. Eine Rechtfertigung durch die neuen Satzungsbeschlüsse scheitere nicht schon daran, dass eine landesgesetzliche Ermächtigung zur rückwirkenden Heilung mit Bundesverfassungsrecht unvereinbar wäre. Die Ermächtigung enthalte aber eine mehrdeutige Ausnahmeregelung, deren Auslegung das Oberverwaltungsgericht zu klären habe.

 

Flächennutzungsplanänderung ohne Einfluss auf Genehmigung für Kiesgrube

Die Entscheidung über die Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung darf nicht für ein Jahr zurückgestellt werden, obwohl die Gemeinde Elsdorf konkret plant, ihren Flächennutzungsplan so zu ändern, dass künftig auf der Fläche keine Abgrabungen mehr möglich sein sollen.

VG Köln, Beschluss vom 23.07.2021
- Az.: 14 L 785/21 -

Der Antragsteller möchte auf einer insgesamt ca. 30 ha großen Ackerfläche in Elsdorf, nahe des Tagebaus Hambach und einer weiteren Abgrabung in der Nachbargemeinde Niederzier, in den nächsten 31 Jahren ca. 5,8 Mio. Kubikmeter Kies und Sand abbauen und die Fläche anschließend rekultivieren. Für jeweils etwa die Hälfte der Fläche beantragte er bei dem Rhein-Erft-Kreis nach dem Abgrabungsgesetz NRW Vorbescheide u.a. zu der Frage, ob an diesem Standort eine Abgrabung nach dem damals geltenden Flächennutzungsplan zulässig wäre. Die Stadt Elsdorf versagte wegen der Vorbelastung der Elsdorfer Bevölkerung durch den Tagebau das Einvernehmen hierzu. Der Rhein-Erft-Kreis ersetzte das Einvernehmen und erteilte bereits in den Jahren 2015 und 2017 die begehrten Vorbescheide. In der Folgezeit stellte der Unternehmer den Antrag auf die Vollgenehmigung für die geplante Abgrabung insgesamt. Nachdem die Gemeinde Elsdorf am 19.11.2020 beschlossen hatte, ihren Flächennutzungsplan zur „Steuerung von Abgrabungsflächen“ zu ändern und solche nur noch in einer einzigen Kies-Konzentrations-Zone zuzulassen, beantragte sie bei dem Kreis die Zurückstellung des Abgrabungsantrages. Die Flächennutzungsplanänderung würde durch die Genehmigung des Vorhabens wesentlich erschwert werden, weil die geplante Abgrabung außerhalb der geplanten Zone liege. Der Kreis erteilte dessn Zurückstellungsbescheid antragsgemäß.

Die hiergegen erhobene Klage hat nach Meinung des VG Köln Erfolgsaussichten, das deshalb einem Eilantrag des Unternehmers stattgegeben hat. Zur Begründung führt es aus, dass die Zurückstellung nicht gerechtfertigt sei, weil die Planung der beigeladenen Gemeinde durch die begehrte Genehmigung nicht mehr erschwert werden könne. Denn im Genehmigungsverfahren stünde die Frage der Vereinbarkeit mit der (künftigen) Flächennutzungsplanung nicht mehr zur Disposition, weil der Antragsteller schon über Vorbescheide verfüge und diese ein vorweggenommener Teil der Abgrabungsgenehmigung seien. Diese Vorbescheide stellten hinreichend bestimmt fest, dass die Vereinbarkeit mit dem Flächennutzungsplan im Zeitpunkt der Erteilung der Vorbescheide 2015 bzw. 2017 gegeben sei. Hieran sei der Rhein-Erft-Kreis gebunden, sodass die zeitlich nachfolgende Flächennutzungsplanung der Beigeladenen keine Rolle mehr spielen könne.

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